In Europa schwanken die Raten für eine
Frühgeburt, also eine Geburt vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche, laut dem aktuellen EURO-PERISTAT-Bericht aus November 2022 zwischen 5,3 und 11,3 % (EURO-PERISTAT
2022). Ein Risiko, eine behandlungsbedürftige
Frühgeborenenretinopathie zu entwickeln, haben in Deutschland aber nur Frühgeborene mit einem Gestationsalter von unter 31 Wochen oder weniger als 1500 g Geburtsgewicht oder einem komplizierten postnatalen Verlauf (Maier et al.
2021). Dieses Risiko wird ganz wesentlich von der Qualität und Verfügbarkeit neonataler
Intensivmedizin beeinflusst, insbesondere einem wohldosierten Sauerstoffmanagement. Daher sind die Grenzen, welche Kinder auf Frühgeborenenretinopathie gescreent werden müssen, in verschiedenen Ländern unterschiedlich festgelegt. Legt man die o. g. in Deutschland gültigen Screeningindikationen zugrunde, schwankt in Europa die Rate an Kindern, die zwischen der 22. und der 31. Schwangerschaftswoche geboren werden und/oder ein Geburtsgewicht von unter 1500 g aufweisen (und damit ein relevantes Risiko haben, eine Frühgeborenenretinopathie zu entwickeln) zwischen 0,7 und 1,3 % aller Lebendgeburten (EURO-PERISTAT
2022). Bei ca. 5 Millionen Geburten in Europa jedes Jahr gibt es also ca. 35.000 bis 65.000 Kinder, die ein relevantes Risiko dafür haben, eine Frühgeborenenretinopathie zu entwickeln. Von den Kindern, die ins ROP-Screening aufgenommen werden, entwickeln wiederrum nur ca. 3 bis 6 % (also etwa 1050 bis 3900 Kinder europaweit) ein behandlungsbedürftiges Stadium der ROP (Akman et al.
2021; Chmielarz-Czarnocińska et al.
2021; Holmström et al.
2016; Trzcionkowska et al.
2021; Walz et al.
2016). Diese Zahlen mögen gering anmuten, es sollte aber nochmals betont werden, dass für diese 1000 bis 4000 Kinder pro Jahr in Europa bei ungünstigem Verlauf und nicht erkannter Frühgeborenenretinopathie die vollständige, lebenslange, beidseitige Erblindung drohen kann. Die Implementation, Umsetzung und Einhaltung nationaler Screeningprogramme auf Frühgeborenenretinopathie, wie sie in Deutschland vorhanden sind, ist daher wesentlicher Pfeiler zur Vermeidung frühkindlichen, vermeidbaren Sehverlustes.