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03.05.2024 | Patientenverfügung | Konsensuspapiere

Patientenverfügungen und psychische Erkrankung – eine Praxisempfehlung der Kommission Ethik und Recht der DGPPN

verfasst von: Prof. Dr. phil. Dipl.-Phys. Sabine Müller, Dr. Jakov Gather, Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, Prof. Dr. Tanja Henking, LL.M., Mag. iur. Matthias Koller, Prof. Dr. Henning Saß, Prof. Dr. Tilman Steinert, Prof. Dr. Thomas Pollmächer

Erschienen in: Der Nervenarzt

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Zusammenfassung

Hintergrund

Seit der Schaffung rechtlicher Vorgaben für Patientenverfügungen durch den Gesetzgeber im Jahr 2009 wird über spezielle Aspekte der Anwendung bei der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen diskutiert. Trotz der gesetzlichen Regelungen sind viele Fragen zur Anwendung und Gültigkeit von Patientenverfügungen nicht abschließend geklärt, und teilweise besteht eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

Ziel der Arbeit

Wichtige Fragen zum Umgang mit psychiatrischen Patientenverfügungen im praktischen Alltag sollen praxisnah beantwortet werden.

Ergebnisse

Die vorliegende Stellungnahme beantwortet unter anderem die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Patient eine Unterbringung und Behandlung vorausschauend ablehnen bzw. ihr zustimmen kann, insbesondere wie mit Patientenverfügungen, deren Umsetzung auch die Rechte Dritter berühren würde, umzugehen ist. Die DGPPN hat diese und weitere Fragen in der vorliegenden Handreichung bearbeitet und durch praktische Hinweise zur Erstellung von Patientenverfügungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen und zum Umgang mit psychiatrischen Patientenverfügungen ergänzt.

Diskussion

Die DGPPN hat eine Patientenverfügung für den Bereich der psychischen Gesundheit erarbeitet und zusammen mit ausführlichen Erläuterungen auf ihrer Website veröffentlicht. Mithilfe dieser Patientenverfügung können Menschen über ihre Behandlung in Phasen der Einwilligungsunfähigkeit im Rahmen einer psychischen Krise oder Erkrankung entscheiden.
Fußnoten
1
Das BGB spricht im Zusammenhang mit der Patientenverfügung von Einwilligungsfähigkeit. Verfassungsrechtlich geht es um die (Fähigkeit zur) Selbstbestimmung.
 
2
Patientenverfügungen können in einem zentralen Register bei der Bundesnotarkammer hinterlegt werden. Siehe: https://​www.​vorsorgeregister​.​de/​. Seit dem 01.01.2023 können auch Ärzte und Ärztinnen Einblick in dieses Register nehmen.
 
3
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Juni 2021, 2 BvR 1866/17; 2 BvR 1314/18.
 
4
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Juni 2021, 2 BvR 1866/17, Rn. 77.
 
5
Die Behandlungssituationen sollten möglichst genau beschrieben werden. Beispielsweise: „wenn ich überhöhte finanzielle Ausgaben tätige“.
 
6
[1, 4, 5].
 
7
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Juni 2021, 2 BvR 1866/17, Rn. 74.
 
8
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Juni 2021, 2 BvR 1866/17, Rn. 75.
 
9
Vgl. §§ 630c Abs. 4 und 630e Abs. 3 BGB.
 
10
Spickhoff/Spickhoff, 3. Aufl. 2018, § 630c BGB, Rn. 45.
 
11
Bundestags-Drucksache 17/10488, S. 22 f.
 
12
BeckOGK/Diener, Bearbeitungsstand: 01.02.2022, § 1901a BGB, Rn. 42.
 
13
BeckOGK/Diener, Bearbeitungsstand: 01.02.2022, § 1901a BGB, Rn. 39 u. 43.
 
14
Bundestags-Drucksache 16/8442, S. 12 f.
 
15
Einsichtsfähigkeit ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Einwilligungsfähigkeit, um die es hier eigentlich geht. Die Einwilligungsfähigkeit besteht aus zwei Teilaspekten, die kumulativ erfüllt sein müssen: der Einsichtsfähigkeit und der Steuerungsfähigkeit. (Bundestags-Drucksache 16/8442, S. 12 f).
 
16
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Juni 2021, 2 BvR 1866/17, Rn. 74.
 
17
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 8. Juni 2021, 2 BvR 1866/17, 2 BvR 1314/18.
Eine Zustimmung scheint allerdings möglich. Ein Patient kann in einer Patientenverfügung z. B. festlegen: „Wenn ich im Rahmen eines manischen Erregungszustands das Personal einer psychiatrischen Station bedrohe oder gar angreife, stimme ich einer 5‑Punkt-Fixierung zu.“ Dennoch ist eine entsprechende richterliche Genehmigung notwendig.
 
18
Hierzu existieren in den PsychK(H)G und Maßregelvollzugsgesetzen der Länder unterschiedliche Regelungen, siehe die entsprechende ausführliche Darstellung auf der DGPPN-Homepage (https://​www.​dgppn.​de/​schwerpunkte/​menschenrechte/​uebersicht-psychKGs.​html).
 
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Brosey D (2010) Psychiatrische Patientenverfügungen nach dem 3. Betreuungsänderungsgesetz. BtPrax, S 161–167 Brosey D (2010) Psychiatrische Patientenverfügungen nach dem 3. Betreuungsänderungsgesetz. BtPrax, S 161–167
3.
Zurück zum Zitat Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) (2014) Achtung der Selbstbestimmung und Anwendung von Zwang bei der Behandlung psychisch erkrankter Menschen. Eine ethische Stellungnahme der DGPPN. Nervenarzt 85(11):1419–1431. https://doi.org/10.1007/s00115-014-4202-8CrossRef Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) (2014) Achtung der Selbstbestimmung und Anwendung von Zwang bei der Behandlung psychisch erkrankter Menschen. Eine ethische Stellungnahme der DGPPN. Nervenarzt 85(11):1419–1431. https://​doi.​org/​10.​1007/​s00115-014-4202-8CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Henking T, Bruns H (2014) Die Patientenverfügung in der Psychiatrie. GesR S:585–590 Henking T, Bruns H (2014) Die Patientenverfügung in der Psychiatrie. GesR S:585–590
5.
Zurück zum Zitat Olzen D (2009) Die Auswirkungen des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes (Patientenverfügungsgesetz) auf die medizinische Versorgung psychisch Kranker (Gutachten für die DGPPN.) Olzen D (2009) Die Auswirkungen des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes (Patientenverfügungsgesetz) auf die medizinische Versorgung psychisch Kranker (Gutachten für die DGPPN.)
Metadaten
Titel
Patientenverfügungen und psychische Erkrankung – eine Praxisempfehlung der Kommission Ethik und Recht der DGPPN
verfasst von
Prof. Dr. phil. Dipl.-Phys. Sabine Müller
Dr. Jakov Gather
Prof. Dr. Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank
Prof. Dr. Tanja Henking, LL.M.
Mag. iur. Matthias Koller
Prof. Dr. Henning Saß
Prof. Dr. Tilman Steinert
Prof. Dr. Thomas Pollmächer
Publikationsdatum
03.05.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Der Nervenarzt
Print ISSN: 0028-2804
Elektronische ISSN: 1433-0407
DOI
https://doi.org/10.1007/s00115-024-01662-0

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