Schwangerschaft unter Natalizumab: weniger Schübe, mehr Aborte

Setzen Frauen Natalizumab vor einer Schwangerschaft ab, steigt die Schubrate drastisch an. Dies ließe sich im Prinzip vermeiden, wenn die Therapie erst nach der letzten Periode unterbrochen wird. Dann ist aber das Abortrisiko erhöht. Wollen Frauen mit MS schwanger werden, offenbart sich häufig ein Dilemma: Zum einen sollten sie die meisten MS-Therapeutika rechtzeitig absetzen, um mögliche Schäden für das Ungeborene zu vermeiden, auf der anderen Seite müssen sie ohne die Medikation mit erneuten Schüben rechnen. Zwar senkt eine Schwangerschaft in der Regel die Schubrate, doch bei manchen Medikamenten werden nach dem Therapiestopp deutliche Rebound-Effekte beobachtet, diese können den Schutz durch Schwangerschaftshormone untergraben. Gehäuft Spontanaborte Deutlich wird dies etwa bei einer Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab. Auch hier wird ein Therapiestopp bei einer geplanten Schwangerschaft empfohlen, und zwar möglichst drei Monate vor Beginn der Schwangerschaft. Solche Vorsichtsmaßnahmen sind nicht ganz unbegründet, hat Dr. Maria Pia Amato von der Universität in Florenz auf der Jahrestagung der American Academy of Neurology (AAN) in Washington berichtet. Zum einen deuten Tierexperimente auf hämatologische Probleme bei Feten, zum anderen gibt es Hinweise auf eine erhöhte Rate von Spontanaborten unter dem Antikörper. Dies wird nun durch ein Schwangerschaftsregister von 21 italienischen MS-Zentren bestätigt. Das Team um Amato konnte Daten von 42 Frauen auswerten, die unter einer Natalizumab-Therapie schwanger wurden oder das Medikament zu spät vor einer Schwangerschaft abgesetzt hatten (weniger als acht Wochen vor der letzten Periode). Zudem schauten sie sich Angaben von 88 Frauen an, die Interferon beta zu spät abgesetzt hatten (weniger als vier Wochen vor der Empfängnis). Wie sich zeigte, kam es bei acht Frauen mit Natalizumab (19%) und bei sieben mit dem Interferon (8%) zu einem Spontanabort. Bei rund 330 MS-Kranken, die ihre Medikation rechtzeitig abgesetzt hatten, betrug die Rate lediglich 6,5%. Insgesamt liegt die Spontanabortrate in der italienischen Bevölkerung aber zwischen 3 und 23%, selbst unter Natalizumab befand sie sich folglich noch im grünen Bereich, sagte Amato. Auffallend bei Kindern von Schwangeren unter Natalizumab war ein etwas niedrigeres Geburtsgewicht als bei Kinder ohne MS-Medikamenten-Exposition (2890 versus 3203 Gramm), allerdings war das Gewicht auch bei Kindern unter Interferon-beta-Exposition etwas reduziert (3010 Gramm). Missbildungen traten jedoch bei keinem der beiden Medikamente gehäuft auf. Schubrate in der Schwangerschaft verfünffacht Als nächstes schauten die Neurologen, was mit den Frauen geschah, nachdem sie ihre Medikation aufgrund der Schwangerschaft abgesetzt hatten. Bei Frauen mit vorhergehender Interferontherapie sank die Schubrate während der Schwangerschaft tendenziell sogar etwas, dagegen kam es nach dem Absetzen von Natalizumab zu einem deutlichen Rebound: Die Schubrate verfünffachte sich (von 0,2 auf 1,1 pro Jahr), rund 37% der Frauen bekamen während der Schwangerschaft einen Schub, meist im zweiten Trimester, und die Hälfte dieser Frauen erlitt sogar zwei oder mehr Schübe. Dagegen kam es nur bei 13% der Frauen zu einem Schub, die Interferon beta abgesetzt hatten, und mehr als ein Schub während der Schwangerschaft wurde bei diesen Frauen nicht beobachtet. Schaute sich das Team um Amato nun die Frauen an, die trotz Absetzen von Natalizumab keine Schübe bekamen, so waren dies in der Regel Patientinnen, die den Antikörper erst nach der letzten Periode vor der Schwangerschaft abgesetzt hatten. Bei diesen fanden sie keine signifikante Erhöhung der Schubrate, dagegen stieg die Rate bei solchen Frauen drastisch an (auf jährlich 1,8 Schübe), die Natalizumab bereits vor der letzten Periode abgesetzt hatten. Wird der Antikörper erst kurz vor der Schwangerschaft abgesetzt, schützt dies die Mütter offenbar vor einem Rebound, hat aber eine erhöhte Rate von Spontanaborten zur Folge. Für Amato sind die Daten zumindest ein Hinweis darauf, bei einer geplanten Schwangerschaft die Wash-out-Phase für Natalizumab zu reduzieren oder ganz auszulassen. Immerhin: Als nach der Geburt die MS-Therapeutika wieder zum Einsatz kamen, gingen die Schubraten bei allen Frauen relativ schnell auf das Ausgangsniveau zurück.

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