Demenz-Prävention: Ist der Beruf entscheidender als die Bildung?

Wer im Berufsleben geistig gefordert ist, bleibt auch im Alter eher geistig fit. Vor allem zwei Arten von Anforderungen sind nach einer Studie aus Leipzig mit einem verminderten Demenzrisiko assoziiert. Der Fachterminus lautet „enriched environment“, gemeint ist eine Umgebung, die vielfältige kognitive Stimuli bereithält. Im Tierversuch schützt sie vor neurodegenerativen Erkrankungen. Erste Studien mit Menschen deuten ebenfalls auf eine demenzpräventive Wirkung hin, wenn das Arbeitsleben in einem solchen Umfeld stattfindet. Mediziner um Francisca S. Then von der Universität Leipzig haben nun herausgefunden, dass vor allem Aufgaben, die verbale Intelligenz sowie selbstständiges Arbeiten erfordern, protektiv wirken können. Die Wissenschaftler haben Teilnehmer einer repräsentativen Studie von über 75-Jährigen zu ihrem früheren Berufsleben befragt und ihre kognitive Leistungsfähigkeit mit MMSE-Tests über acht Jahre hinweg erfasst. Die Arbeitsbedingungen wurden mit Hilfe der „O*NET Job Descriptor“-Datenbank charakterisiert. Dabei wurden drei Indikatoren bewertet: verbal (für die Stimulation der verbalen Intelligenz), exekutiv (für unabhängiges Planen und Ausführen) und fluide (für fluide Intelligenz, die die Fähigkeit bezeichnet, logisch zu denken und Probleme zu lösen). Ein hohes bzw. niedriges Anforderungsniveau war jeweils definiert als Quartile mit den höchsten bzw. niedrigsten Werten. Differenz von 2-3 MMSE-Punkten Die 1054 Teilnehmer waren bei Studienbeginn im Mittel 82 Jahre alt und hatten einen mittleren MMSE-Score von 24,8. 16,5% waren bereits dement, weitere 16,6% wurden es in der Beobachtungszeit. Wer früher einen anspruchsvollen Beruf ausgeübt hatte, schnitt bei den Kognitionstests am besten ab. Die höchsten MMSE-Werte, sowohl zu Anfang (28,3 Punkte) wie auch nach acht Jahren (27,0 Punkte), erreichten alte Menschen, deren Arbeit in allen drei Kriterien hohe Anforderungen gestellt hatte. Die niedrigsten Werte fanden sich bei Teilnehmern mit einem durchgängig niedrigen Anforderungsniveau (zu Beginn 26,6, nach acht Jahren 24,5 Punkte). Wurde der Einfluss bekannter Risikofaktoren mitberücksichtigt, dann korrelierte die geistige Leistungsfähigkeit zu Studieneinschluss nur mit den Indizes verbale und flüssige Intelligenz. Der Schutz vor kognitivem Abbau war dagegen nur mit den verbalen und exekutiven Ansprüchen assoziiert. Im Schnitt verloren Teilnehmer mit niedrigen exekutiven Anforderungen innerhalb der acht Jahre drei MMSE-Punkte mehr als Teilnehmer mit hohen Anforderungen. Entsprechende Unterschiede im verbalen Niveau schlugen sich im MMSE mit einer zusätzlichen Einbuße von zwei Punkten nieder. Beruf entscheidender als Bildung? „Die fordernden Arbeitsbedingungen von heute könnten also auch positive gesundheitliche Auswirkungen haben“, folgern Then und ihre Kollegen. Ein Arbeitsumfeld, das „angereichert“ sei mit Aufgaben, die verbale Intelligenz und Exekutivfunktionen stimulieren, könne dazu beitragen, gute kognitive Funktionen bis ins hohe Alter zu erhalten. Die Wissenschaftler vermuten sogar, dass das Arbeitsleben einen stärkeren Einfluss als der Bildungsgrad auf die spätere Kognition haben könnte. Anders als häufig angenommen beschränkt sich der Schutzeffekt den Leipziger Daten zufolge nicht darauf, dass eine bessere geistige Ausgangsbasis hergestellt wird. Je nachdem, welche Form von geistiger Aktivität im Beruf gefragt war, lassen sich eben auch Effekte auf den kognitiven Abbau feststellen, wie Then und ihre Kollegen betonen. Kognitive Reserve Durch mentale Herausforderungen im Laufe des Lebens wird, so die derzeitige Lehrmeinung, eine kognitive Reserve geschaffen. Bei Aufgaben, die die verbale Intelligenz ansprechen, könnte diese Reserve laut Then et al., ähnlich wie bei der Bildung, in einer Zunahme von Kortexdicke und Konnektivität im Gehirn bestehen. Die ersten Funktionen, die sich bei einer Demenz verschlechtern, sind normalerweise die Exekutivfunktionen. Die Studienautoren vermuten daher, dass „intensiver und täglicher Gebrauch von Exekutivfunktionen den Beginn des geistigen Abbaus hinauszögern kann“. Grundlage sei vermutlich eine bessere Interaktion verschiedener neuronaler Netzwerke.

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