Erschienen in:
01.04.2010 | Übersichten
Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis
Ein interdisziplinäres Krankheitsbild
verfasst von:
Dr. H. Prüß, J. Dalmau, V. Arolt, K.-P. Wandinger
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 4/2010
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Zusammenfassung
Die Anti-NMDA (N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor-Enzephalitis ist eine seit kurzem bekannte, relativ häufige Form einer schweren Enzephalitis mit einem charakteristischen, in Phasen verlaufenden Krankheitsbild. Die Patienten werden meist durch ein schizophreniformes Syndrom mit formalen und inhaltlichen Denkstörungen (Wahn) und Halluzinationen auffällig, entwickeln aber zusätzlich Fieber, eine Bewusstseinsstörung, Hypoventilation, epileptische Anfälle, autonome Störungen und Dyskinesien. Ein großer Teil der Patienten gelangt daher zunächst in psychiatrische Behandlung, wobei in vielen Fällen die Verdachtsdiagnose einer drogeninduzierten Psychose gestellt wird. Die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis wurde initial bei jungen Frauen mit Ovarialteratomen beschrieben, kommt aber auch häufig bei Frauen ohne Tumor sowie bei Männern und Kindern vor. Die Diagnosestellung der Erkrankung basiert auf der Kombination aus charakteristischem klinischem Bild, stützenden Befunden von Hirn-MRT, EEG und Liquoruntersuchung sowie dem Nachweis hochspezifischer Autoantikörper im Serum oder Liquor, die gegen die NR1-Untereinheit der Glutamatrezeptoren vom Typ NMDA gerichtet sind. Besonders bei der Differenzialdiagnostik einer „Enzephalitis ohne Erregernachweis“ muss an die Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis gedacht werden. Die Prognose der Erkrankung ist prinzipiell gut und die Symptome sind auch nach einer langen intensivmedizinischen Behandlung und Beatmungsdauer potenziell reversibel. Der Erfolg korreliert allerdings eng mit einer raschen Diagnosestellung, frühen immunmodulatorischen Therapie und – im Falle einer Neoplasie – besonders mit einer vollständigen Tumorentfernung. Die Versorgung der Patienten erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen zwischen Neurologen, Psychiatern, Pädiatern, Onkologen und Gynäkologen.