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Erschienen in: German Journal of Exercise and Sport Research 3/2012

01.09.2012 | Essay

Ausblick auf die Zukunft der Anti-Doping-Bewegung

verfasst von: Mag. David Müller

Erschienen in: German Journal of Exercise and Sport Research | Ausgabe 3/2012

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Zusammenfassung

Die verstärkten Anti-Doping-Bemühungen, die mit der Gründung der Welt-Anti-Doping-Agentur eingeleitet wurden, stehen vor einem nächsten Entwicklungsschritt. Mit der Novellierung des Welt-Anti-Doping-Codes im Jahr 2015 müssen entscheidende Weichenstellungen vorgenommen werden, um eine weltweite Harmonisierung erreichen zu können. Besonders das repressive System erweist sich als optimierungsbedürftig, aber auch der Zugang zur Dopingprävention muss überdacht werden. Aufgrund der praktischen Erfahrungen der österreichischen Anti-Doping-Arbeit und der Untersuchung der derzeitigen Situation werden offene Problemfelder sowie grundlegende Fehlentwicklungen identifiziert und Impulse und Lösungsvorschläge für die internationalen Anti-Doping-Bemühungen geliefert.
Fußnoten
1
Eine ausführliche Wiedergabe der methodischen Analyse der derzeitigen Anti-Doping-Arbeit ist nicht Gegenstand dieses Beitrags. Die im Text skizzierten Befunde zur gegenwärtigen Situation sind in der im Dezember 2012 erscheinenden Dissertation des Autors ausführlich dargelegt.
 
2
In letzter Zeit wird der Ruf nach einer Welt-Anti-Korruptions-Agentur nach Vorbild der WADA immer stärker, um evident gewordenen Missständen entgegentreten zu können (vgl. TAZ, 2011, 4.10.2011).
 
3
Als Beispiel sei hier die Diskussion zwischen UCI und AFLD im Bezug auf die Durchführung von Dopingkontrollen bei der Tour-de-France genannt (Focus Online, 2010, 12.5.2010).
 
4
Wie sensibel das Thema Transparenz mittlerweile betrachtet wird, zeigt das Beispiel des kolportierten Drogenkonsums bei mehreren englischen Fußballspielern. In diesen Fällen handelte es sich zwar nicht um Anti-Doping-Vergehen, die Geheimhaltung der Sanktionen wurde jedoch heftig kritisiert (Süddeutsche Zeitung, 2011, 14.9.2011).
 
5
Als Beispiel für dieses Dilemma kann der Internationale Radsportverband UCI dienen, der durch die interne Kontrolltätigkeit und externe Ermittlungen in den letzten Jahren viele prominente Dopingfälle zu vermelden hatte. Für dieses Vorgehen hat die öffentliche und veröffentlichte Meinung aber nur wenig Anerkennung, eher im Gegenteil. Der Radsport wird als verseuchte Sportart schlechthin stilisiert, andere Verbände, die sich im Anti-Doping-Bereich weniger engagieren, propagieren das Image des sauberen Sports.
 
6
Vgl. etwa den Freispruch im Fall Alberto Contador durch den spanischen Radsportverband RFEC (CAS, 2012).
 
7
Alleine der Internationale Radsportverband UCI hat im Jahr 2011 5,8 Mio. Euro für die Anti-Doping-Arbeit aufgewendet (UCI, 2012).
 
8
Im 2011 erstmals erstellten Code-Compliance-Bericht erfüllt Österreich alle Vorgaben, obwohl diese Bewertung aufgrund einiger vom WADA-Code abweichender Bestimmungen im österreichischen Anti-Doping-Bundesgesetz lange Zeit nicht gesichert war. Der erfolgreiche Weg der Anti-Doping-Arbeit wäre dann – zumindest formal – gleichwertig mit den Bemühungen der Krisenregionen Afghanistan, Nordkorea oder Somalia berichtet worden (WADA, 2011c).
 
9
Die NADOs aus Deutschland, der Schweiz und Österreich haben diese Problematik bereits im April 2010 im „Positionspapier zur Chancengleichheit“ festgehalten (vgl. NADA, NADA Austria & Antidoping Schweiz, 2010).
 
10
Die NADOs aus Deutschland, England, den Niederlanden, Norwegen und Österreich arbeiten derzeit an einem Pilotprojekt zur Qualitätssicherung und Bewertung der Arbeit der fünf Organisationen. Die erarbeiteten Methoden und Ergebnisse können bei der Entwicklung eines internationalen Benchmarking-Systems genutzt werden.
 
11
Gemäß den Statistiken der WADA-akkreditierten Labore lag die Quote der als auffällig gemeldeten Analysen im chinesischen Anti-Doping-Labor in Peking im Jahr 2010 mit 0,51 % deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt von 1,87 % (WADA, 2011d). Die Vielzahl der Dopingskandale in der Vergangenheit und der Status Chinas als Haupt-Exportland für Dopingrohstoffe lassen allerdings nicht darauf schließen, dass dort weniger Sportler zu verbotenen Substanzen oder Methoden greifen würden (Cycling4fans, 2012; DEA, 2007; BMI, 2011).
 
12
Im Zuge der Bekanntgabe der FIFA, in Zukunft Steroidprofile einführen zu wollen, wurde auch festgehalten, dass keine Blutprofile angelegt werden, da Ausdauermanipulationen im Fußball keinen Sinn haben würden. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass bei den Weltmeisterschaften 2002 und 2008 keine Blutmanipulationen festgestellt wurden und eine Intensivierung der diesbezüglichen Kontrollen oder eine Verbesserung der Nachweismethoden „weder kosteneffizient noch praktikabel“ sei (FIFA, 2012a).
 
13
Die wurde u. a. schon vom Internationalen Ruderverband exekutiert, der die gesamte russische Delegation nach einer Reihe von Dopingfällen 2008 für ein Jahr sperrte (FISA, 2008).
 
14
Derzeit erfüllt etwa Brasilien nicht die formalen Vorgaben des WADA-Codes, ist aber Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016 (WADA, 2011c). Zudem verlor das brasilianische Anti-Doping-Labor im Januar 2012 aufgrund fehlerhafter Analysen einen Teil seiner Akkreditierung (WADA, 2012b).
 
15
In einigen Ländern sind sogar die Anti-Doping-Labors direkt bei den ADOs angesiedelt, beispielsweise in Frankreich wo das Anti-Doping-Labor in Châtenay-Malabry als „Département des Analyses“ der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD geführt wird (AFLD, 2012).
 
16
Dieser grundsätzlich positive Befund bleibt auch nach der medial geführten Kampagne im Fall Christian Hoffmann, die zum Rücktritt des Geschäftsführers der NADA Austria und zur Abberufung der Rechtskommission geführt hat, aufrecht. Allerdings belebte dieser Anlassfall die Diskussion, wie gänzlich unabhängige ADOs etabliert werden können bzw. wem diese rechenschaftspflichtig sein müssen.
 
17
Das derzeitige System lässt es noch immer zu, dass Athleten bei internationalen Events reüssieren können, die nie zuvor von unabhängigen Anti-Doping-Organisationen kontrolliert werden konnten, da sie vor ihrem großen Sieg international nicht in Erscheinung getreten sind (vgl. Süddeutsche Zeitung 2008, 6.8.2008).
 
18
Stellvertretend für viele IFs und ADOs seien hier die Internationalen Fachverbände FIS und FIFA genannt, die ihren Athleten die Abgabe von exakten Aufenthaltsinformationen ersparen und dadurch keine sinnvollen Out-of-Competition-Kontrollen durchführen können. Wie andere Mannschaftssportler auch, müssen Fußballprofis nur ihre Übernachtungsadresse und gemeinsame Teamaktivitäten bekannt geben (FIFA, 2012b). Die FIS-Athleten waren als Einzelsportler zwar verpflichtet, die Vorgaben des WADC umzusetzen, der Internationale Verband fühlte sich aber 2011 nochmals genötigt, seine Sportler in einem Update daran zu erinnern, dass die derzeitige Praxis als ungenügend betrachtet wurde und nun verstärktes Augenmaß auf die Qualität der Whereabouts gelegt werde (FIS, 2011).
 
19
Besonders problematisch ist die Nichteinhaltung der verpflichtenden Standards der durchgehenden Überwachung von zu kontrollierenden Sportlern bzw. des Sichtkontakts bei der Urinabgabe. Diese und einige weitere Mängel werden aber beispielsweise im offiziellen Dopingkontrollvideo der FIFA als korrekt ausgegeben (FIFA, 2011). Ein anderes Bespiel für eine Verunmöglichung intelligenter, zielgerichteter Dopingkontrollen ist das spanische Anti-Doping-Gesetz, das Dopingkontrollen zwischen 23.00 und 6.00 Uhr verbietet (ORF.at, 2011, 26.10.2011).
 
20
Die WADA zeigte sich nach Medienberichten 2011 besorgt über die lückenhafte Kontrollpraxis der Internationalen Fachverbände ISU, IBU und FIFA, die nur wenige Analysen auf EPO und Wachstumshormone durchführen ließen (Spiegel Online, 2011, 13.3.2011).
 
21
Vgl. Abschn. „Harmonisierte Sanktionierung trotz individueller Beurteilung“.
 
22
Auch bei den Olympischen Spielen in London 2012 wurden die Chaperone-Aufgaben von einem Teil der Volunteers übernommen (London2012.com, 2012).
 
23
Erfolge mit neuen Nachweismethoden sind allerdings zeitlich begrenzt, da professionell dopende Athleten ihr Dopingregime ändern, wenn ein Kollege damit überführt wurde. Zudem macht die Kunde von neuen Analysemöglichkeiten meist schnell die Runde, v. a. auch, wenn diese in großer Runde diskutiert werden, wie etwa beim Manfred-Donike-Workshop in Köln (Deutschlandfunk, 2012, 3.3.2012). Hinter jeder Ankündigung neuer Nachweismethoden steht allerdings neben der Imagepflege auch die Hoffnung der Abschreckungswirkung.
 
24
In Österreich wurde im Februar 2012 eine Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes beschlossen, nach der Verstöße gegen das Anti-Doping-Bundesgesetz nun als „gefährliche Angriffe“ gelten. Dadurch stehen den Ermittlern dieselben Möglichkeiten zur Verfügung, wie bei der Verfolgung der Drogenkriminalität (Österreichischer Nationalrat, 2012, 29.2.2012). Damit wurde eine Entschließung des EU-Parlaments vorweggenommen, das Anfang Februar 2012 eine europaweit harmonisierte strafrechtliche Gleichstellung von Dopinghandel mit Drogendelikten diskutiert hatte (EU-Parlament, 2012).
 
25
Die Causa rund um das veröffentlichte Tonbandprotokoll der geheimen Beratungen der Rechtskommission der NADA Austria im Fall Christian Hoffmann machte einmal mehr deutlich, wie wichtig die Glaubwürdigkeit in Anti-Doping-Verfahren ist (Kronen Zeitung, 2012, 21.3.2012; NADA Austria, 2012, 22.3.2012). Derzeit verpflichtet etwa das österreichische ADBG die Vertreter der Anti-Doping-Instanzen zur Verschwiegenheit, weshalb eine Klarstellung der Sachverhalte nicht möglich ist. Eine mögliche Offenlegung der Beschlussfassung samt Urteilsfindung, wie dies auch der CAS praktiziert, könnte hier im Anlassfall die geforderte Transparenz bringen.
 
26
Die Messbarkeit von Erfolgen oder Fortschritten ist v. a. ein konzeptuelles Problem für die Entwicklung von Präventionsprojekten, da selbst eine Bewusstseinsänderung in einer bestimmten Zielgruppe aufgrund der unzähligen anderen Einflussfaktoren nur schwer auf die gesetzten Impulse zurück geführt werden kann.
 
27
Vgl. etwa den Fall des überführten österreichischen Dopingdealers Stefan Matschiner, der nach seiner Verurteilung ein Buch herausbrachte und gern gesehener Gast bei vielen Vorträgen und Diskussionen ist.
 
28
Die deutsche JIM-Studie ergab 2011, dass 89 % der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren mehrmals pro Woche im Internet waren, 65 % sogar täglich. Der selbsteingeschätzte Tageskonsum betrug durchschnittlich 134 min. 44 % der Nutzungszeit beanspruchte die Kommunikation, vorwiegend in sozialen Netzwerken (MPFS, 2011).
 
29
Derzeit wird an einer gemeinsamen Online-Datenbank der deutschsprachigen europäischen Länder gearbeitet, die einen Überblick über das Angebot und die Möglichkeiten der jeweiligen Anti-Doping-Organisationen und Initiativen bieten wird. Besonders im Bereich des eLearnings, aber auch bei gemeinsamen Workshops und Seminaren, werden bereits Kooperationen durchgeführt. Weitere Projekte sind in Planung.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Müller, D. (2010). Dopingbekämpfung in Österreich. In: D. Clasing (Hrsg.), Doping und seine Wirkstoffe (2. Überarbeitete und erweiterte Auflage, S. 49–55). Balingen: Spitta. Müller, D. (2010). Dopingbekämpfung in Österreich. In: D. Clasing (Hrsg.), Doping und seine Wirkstoffe (2. Überarbeitete und erweiterte Auflage, S. 49–55). Balingen: Spitta.
Zurück zum Zitat Österreichischer Nationalrat. (2012). Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Polizeikooperationsgesetz und das Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bun-desamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden (SPGNovelle 2011). 1657 der Beilagen XXIV. GP – Ausschussbericht NR – Gesetzestext. http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_01657/fname_242329.pdf. Zugegriffen: 10. Apr. 2012. Österreichischer Nationalrat. (2012). Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz, das Polizeikooperationsgesetz und das Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bun-desamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung geändert werden (SPGNovelle 2011). 1657 der Beilagen XXIV. GP – Ausschussbericht NR – Gesetzestext. http://​www.​parlament.​gv.​at/​PAKT/​VHG/​XXIV/​I/​I_​01657/​fname_​242329.​pdf. Zugegriffen: 10. Apr. 2012.
Zurück zum Zitat Reisinger, T. (2011, Aug.). Betrug durch Doping? Diplomarbeit. Johannes Kepler Universität Linz. Reisinger, T. (2011, Aug.). Betrug durch Doping? Diplomarbeit. Johannes Kepler Universität Linz.
Zurück zum Zitat Singler, A. (2011). Dopingprävention – Anspruch und Wirklichkeit. Achen: Shaker. Singler, A. (2011). Dopingprävention – Anspruch und Wirklichkeit. Achen: Shaker.
Metadaten
Titel
Ausblick auf die Zukunft der Anti-Doping-Bewegung
verfasst von
Mag. David Müller
Publikationsdatum
01.09.2012
Verlag
Springer-Verlag
Erschienen in
German Journal of Exercise and Sport Research / Ausgabe 3/2012
Print ISSN: 2509-3142
Elektronische ISSN: 2509-3150
DOI
https://doi.org/10.1007/s12662-012-0265-5

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