Erschienen in:
01.03.2012 | Originalarbeit
Brauchen wir eine „Neuropsychotherapie“?
Eine pragmatisch-wissenschaftstheoretische Kritik
verfasst von:
Dipl.-Psych. Matthias Richter
Erschienen in:
Forum der Psychoanalyse
|
Ausgabe 1/2012
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Zusammenfassung
Die etwas saloppe Frage, ob wir eine Neuropsychotherapie brauchen, meint genauer, ob deren neurowissenschaftliche Sichtweise für die psychotherapeutische Praxis von Nutzen sein kann. Zur Beantwortung dieser Frage eignen sich die herkömmlichen wissenschaftlichen Ansätze allerdings nur bedingt. Der „empirisch-technische Ansatz“ der quantitativen Psychotherapieforschung vermag hierbei nicht weiterzuhelfen, da die Neuropsychotherapie selbst nur deren Fortführung darstellt. Innerhalb dieser Methodologie ist es nicht möglich, die Bedeutung der neurowissenschaftlichen Forschungsergebnisse kritisch zu reflektieren. Dies ist aber die Voraussetzung zur Beurteilung des Nutzens der Neuropsychotherapie. So verweist die Frage nach der Bedeutung der neurobiologischen Prozesse auf das Gebiet der Erkenntnistheorie. Aber auch dieser „theoretische Ansatz“ hilft nur bedingt weiter. Er bietet zwar einen wichtigen Reflexionshintergrund, muss aber gleichzeitig gegenüber der psychotherapeutischen Tätigkeit abstrakt bleiben, weil er deren Zweck nicht berücksichtigt. Stattdessen wird hier der Ansatz einer „pragmatischen Reflexion“ vorgestellt. Diese geht von einem allgemeinen Zweck der Psychotherapie aus, auf dessen Hinblick der Nutzen der Neuropsychotherapie überhaupt nur beurteilt werden kann. Nach dieser Klärung kann die pragmatische Reflexion anhand konkreter Vorstellungen zur Anwendung der Neurowissenschaften in der Psychotherapie ansatzweise demonstriert werden. Dabei zeigt sich, dass die Neuropsychotherapie für eine ganz bestimmte Argumentations- und Handlungspraxis steht, die der Psychotherapie eine sach- und zweckfremde Logik überstülpt.