Betablocker bei fortgeschrittener Leberzirrhose offenbar schädlich

Bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose und spontan bakterieller Peritonitis erhöhten nicht-selektive ß-Blocker die Risiken für ein hepatorenales Syndrom, akutes Nierenversagen, und vorzeitige Mortalität. Hintergrund Nicht-selektive ß-Blocker (NSBB) wie Carvedilol oder Propanolol reduzieren den Pfortaderdruck. Aufgrund dieser Eigenschaft werden sie zur primären und sekundären Prophylaxe einer Oesophagus-Varizenblutung bei Patienten mit Leberzirrhose eingesetzt. Mitunter werden sie deshalb gelegentlich als das "Aspirin des Hepatologen" bezeichnet. Zuletzt gab es Berichte über negative Effekte von NSBB bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose und therapierefraktärem Aszites. Patienten/Methodik In einer retrospektiven Analyse wurden Daten von 607 Patienten mit Leberzirrhose, die ihre erste Aszitespunktion an der Medizinischen Universität Wien in dem Zeitraum von 2006 bis 2011 hatten, ausgewertet. Dabei wurde mit statistischen Modellen der Effekt der NSBB auf das transplantationsfreie Überleben kalkuliert und für das Child-Pugh-Stadium sowie den Varizenstatus abgeglichen. Ergebnisse NSBB erhöhen das transplantationsfreie Überleben von Patienten ohne spontan bakterielle Peritonitis (SBP) (Hazard Ratio = 0.75, p = 0.027). Sie haben dabei nur einen moderaten Effekt auf die systemische Hämodynamik bei Patienten zum Zeitpunkt der ersten Aszitespunktion. Jedoch war der Anteil hämodynamisch kompromittierter Patienten (RR systolisch < 100mmHg) zum Zeitpunkt der ersten SBP in der Gruppe mit NSBB signifikant höher als in der Gruppe ohne NSBB (38% vs. 18%, p = 0.002). Bei Patienten mit einer SBP führten NSBB hingegen zu einer signifikanten Reduktion des transplantationsfreien Überlebens (Hazard Ratio = 1.58, p = 0.014). Zudem entwickelten mehr Patienten mit NSBB ein hepatorenales Syndrom (24% vs. 11% bei Patienten ohne NSBB, p = 0.027) und eine akutes Nierenversagen (20% vs. 8% bei Patienten ohne NSBB, p = 0.021). Schlussfolgerung Bei Patienten mit Leberzirrhose und SBP führen NSBB zu einer Verschlechterung der systemischen Hämodynamik und erhöhen das Risiko für die Entwicklung eines hepatorenalen Syndroms und eines akuten Nierenversagens. Das transplantationsfreie Überleben ist dabei reduziert. Kommentar von Dr. H. H. Lutz und Prof. J. J. W. Tischendorf "Nicht-selektive ß-Blocker nur noch in einem bestimmten Fenster bei Patienten mit Leberzirrhose?!" Der Einsatz von NSBB ist bei Patienten mit Leberzirrhose aufgrund ihrer nachgewiesenen portalvenösen Drucksenkung weit verbreitet. In dieser Studie konnte nun jedoch an einer großen Kohorte statistisch gut aufgearbeitet gezeigt werden, dass bei Auftreten einer SBP der Einsatz von NSBB sogar negative Auswirkungen auf das Gesamtüberleben haben kann. Wie ist dieser Effekt pathophysiologisch zu erklären? Im frühen Stadium der Zirrhose haben ß-Blocker keinen Effekt auf das Überleben und verhindern auch nicht das Entstehen von Oesophagusvarizen. Mit Voranschreiten der Zirrhose steigt jedoch der portalvenöse Druck und das sympathische Nervensystem wird zunehmend aktiviert, zunächst ohne dass es zu einer Reduktion des kardialen Outputs kommt. Aszites und Oesophagusvarizen entwickeln sich im Verlauf mit den Risiken einer Blutung oder bakteriellen Translokation. In diesem Stadium der Leberzirrhose öffnet sich das Fenster für den Einsatz von ß-Blockern und führt zu einer primären und sekundären Prävention einer Varizenblutung. Im Rahmen der fortgeschrittenen Leberzirrhose kommt es jedoch zu einer Zunahme der hyperdynamischen Zirkulation. Dadurch reduziert sich die kardiale kompensatorische Reserve hinsichtlich zirkulatorischen Stresses (wie z.B. bei einer SBP). Der zentrale adaptive Mechanismus auf zirkulatorischen Stress ist der Anstieg der Herzfrequenz, welcher über ß1-adrenerge Rezeptoren vermittelt wird. Diese sind jedoch bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose vermindert exprimiert. Eine zusätzliche medikamentöse Blockade mit NSBB führt dann zu einer chronotropen Inkompetenz, reduziert den kardiale Output und den Blutdruck. Über diesen Pathomechanismus lässt sich die erhöhte Rate an hepatorenalen Syndromen nach SBP sowie das schlechtere Überleben von Patienten mit NSBB erklären. Auch wenn die Daten dieser Studie nur retrospektiv an einem einzigen Zentrum erhoben wurden, sind sie sauber ausgewertet und haben eine große klinische Relevanz. Bis prospektive, randomisierte Multizenterstudien zu dieser Thematik folgen, sollten die Ergebnisse dieser Studie Eingang in die derzeitige klinische Praxis finden. Take home message NSBB haben Ihren festen Platz in der primären und sekundären Therapie der Oesophagusvarizenblutung. Bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose, welche sich z.B. durch eine SBP manifestiert, scheinen NSBB das Risiko für ein hepatorenales Syndrom zu erhöhen und das Überleben zu reduzieren. NSBB sollten bei fortgeschrittener Leberzirrhose nicht eingesetzt werden. Weitere Beiträge zum Thema lesen Sie in unserem Dossier Lebererkrankungen und in unserem Themenschwerpunkt "Gastroenterologie".

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