Erschienen in:
01.09.2014 | Leitthema
Geschlechterunterschiede in der Pharmakotherapie
verfasst von:
Prof. Dr. V. Regitz-Zagrosek
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 9/2014
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Zusammenfassung
Arzneimittel wirken bei Männern und Frauen unterschiedlich. Biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen führen zu Unterschieden in der Pharmakokinetik, in der Arzneimittelresorption, in der Arzneimittelverteilung im Gewebe, in der Verstoffwechselung durch Leberenzyme, in der Ausscheidung durch die Niere und über den Darm. Darüber hinaus bestehen Geschlechterunterschiede in der Pharmakodynamik. Die biologischen Ursachen für diese Unterschiede liegen zum einen in der unterschiedlichen genetischen Ausstattung von Männern und Frauen, dann in unterschiedlichen epigenetischen Modifikationen und schließlich in der Wirkung von Sexualhormonen. Darüber hinaus spielt Gender als soziokulturelle Dimension von Geschlechterunterschieden in der Arzneimittelwirkung eine Rolle. Arzneimittel werden häufig nur an Tieren eines Geschlechts entwickelt und getestet entsprechend dem Vorurteil, dass Geschlechterunterschiede bei der klinischen Wirkung keine Rolle spielen. Auch in klinischen Studien wurden bislang die Geschlechterunterschiede häufig unterschätzt und Phase-III-Studien häufig nicht prospektiv darauf ausgelegt, Wirkungen bei Männern und Frauen zu erfassen. Hinzu kommt, dass Frauen und Männer Arzneimittel anders einnehmen. Ihre Compliance ist unterschiedlich, sie nehmen zusätzlich zu den verschriebenen Arzneimitteln unterschiedlich viele, möglicherweise interagierende, freiverkäufliche Substanzen ein. Weiter ist bekannt, dass Ärzte Frauen und Männer unterschiedlich intensiv behandeln. Fazit: Noch ist die Arzneimitteltherapie nicht für beide Geschlechter optimiert. Aber es besteht ein immer größeres Bewusstsein darüber, dass und welche Unterschiede zwischen Frauen und Männern beachtet werden müssen, um für beide Geschlechter optimale Arzneimittel in optimalen Dosierungen bereitzustellen.