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Erschienen in: Forum der Psychoanalyse 1/2016

01.03.2016 | Originalarbeit

Gesellschaftliche Aspekte narzisstischer Störungen

verfasst von: PD Dr. med. Werner Köpp

Erschienen in: Forum der Psychoanalyse | Ausgabe 1/2016

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Zusammenfassung

Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts beschrieben Psychoanalytiker immer wieder, wie sich das Spektrum seelischer Störungen von der neurotischen Konfliktpathologie hin zu strukturellen Störungen der Persönlichkeit verschoben hat. Niemand wird aber mit einer narzisstischen oder antisozialen Haltung geboren. Ausgehend von den Arbeiten Laschs und Ottomeyers wird in der vorliegenden Arbeit versucht, solche gesellschaftlichen Aspekte in den hoch entwickelten kapitalistischen Ländern zu markieren, die mithelfen, die Menschen loyal gegenüber den sie prägenden oder konfigurierenden Verhältnissen bleiben zu lassen. In diesen Verhältnissen wird das narzisstische Größenselbst des Individuums mit einem idealen Entwurf der Selbst-Verwirklichung zum destruktiven Ideal. Im Fall des Scheiterns bleibt dann scheinbar nur noch folgende Wahl: Entweder das Scheitern wird als persönliche, selbst verursachte Katastrophe und als selbst verursachter schuldhafter Makel – das heißt als verdient – erlebt, oder das Subjekt greift zum „Opium des Kollektivstolzes“, zum Beispiel durch die Identifikation mit der Fußballnationalmannschaft, um die gekränkte Selbstachtung nicht „wahr haben“ zu müssen.
Fußnoten
1
Wie identitätsstiftende Eigenschaften und Qualifikationen z. B. von Flüchtlingen und Migranten einen Warencharakter gewinnen können, wird unter anderem durch die Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2009/50/EG) deutlich, nach der hochqualifizierte Personen durch den Erhalt der so genannten Blauen EU-Karte erleichterte Aufenthaltsbedingungen bekommen können. Insbesondere handelt es sich um Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, Humanmediziner (ausgenommen Zahnärzte) und akademische Fachkräfte in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Für eine ausführliche Darstellung: Homepage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF 2015)
 
2
Er hielt am 28.04.2014 einen Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Umkämpfte Psyche – Zur Rekontextualisierung psychischen Leids im Kapitalismus“ an der Goethe-Universität, Frankfurt, (in Zusammenarbeit mit dem Sigmund-Freud-Institut, Frankfurt, und medico international).
 
3
Der Mangel an Selbstbestimmung ist hier als Zunahme von Entfremdung zu verstehen, die zum Beispiel bei selbstständigen Handwerkern in eigenen Betrieben früher geringer ausgeprägt war als unter heutigen, zunehmend industrialisierten und digitalisierten Produktionsbedingungen.
 
Literatur
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Zurück zum Zitat Winnicott DW (1950) The deprived child and how he can be compensated for loss of family life. In: Winnicott C, Shephard R, Davies M, Winnicott DW (Hrsg) Deprivation and Delequency. Routledge, London (1984) Winnicott DW (1950) The deprived child and how he can be compensated for loss of family life. In: Winnicott C, Shephard R, Davies M, Winnicott DW (Hrsg) Deprivation and Delequency. Routledge, London (1984)
Metadaten
Titel
Gesellschaftliche Aspekte narzisstischer Störungen
verfasst von
PD Dr. med. Werner Köpp
Publikationsdatum
01.03.2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Forum der Psychoanalyse / Ausgabe 1/2016
Print ISSN: 0178-7667
Elektronische ISSN: 1437-0751
DOI
https://doi.org/10.1007/s00451-015-0220-9

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