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Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1/2016

01.01.2016 | Leitthema

Häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen

Implikationen der WHO-Leitlinien für Deutschland

verfasst von: Karin Wieners, Marion Winterholler

Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz | Ausgabe 1/2016

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Zusammenfassung

Häusliche und sexuelle Gewalt sind weit verbreitet und haben schwerwiegende gesundheitliche Folgen für die Betroffenen. Wird die Problematik erkannt und besteht Sicherheit im Reagieren, können Einrichtungen der Gesundheitsversorgung einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung und Intervention leisten. Die WHO formulierte 2013 evidenzbasierte Leitlinien für den Umgang mit der Problematik in Versorgung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und Gesundheitspolitik. Grundsätzlich bestätigen die Leitlinien die in Deutschland vorliegenden Empfehlungen aus Praxisleitfäden, Leitlinien und Handbüchern. Sie regen aber auch zu einer Überprüfung und Weiterentwicklung an – zum Beispiel im Hinblick auf das Thema „sexuelle Gewalt“. Ob und in welcher Weise vorliegende Empfehlungen in der Versorgung und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Gesundheitsberufen umgesetzt werden, kann in Anbetracht mangelnder Daten für Deutschland derzeit nur exemplarisch betrachtet werden. Beispiele aus Berlin zeigen, dass eine Umsetzung durchaus möglich ist, es jedoch an einem klaren Auftrag, an Nachhaltigkeit und Verbindlichkeit mangelt. Bestehende Modelle guter Praxis sind stark vom Engagement der Träger und Mitarbeiter/-innen abhängig. Aus den Leitlinien der WHO ergibt sich für Deutschland der Bedarf, bundesweite fachliche Standards für die gesundheitliche Versorgung bei häuslicher und sexueller Gewalt zu entwickeln, einen (gesetzlichen) Versorgungsauftrag für die Gesundheitsversorgung zu formulieren und eine systematische curriculare Verankerung in der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe voranzubringen. Ebenso sollten Maßnahmen der Qualitätssicherung und eine systematische Überprüfung der praktischen Umsetzung verankert werden.
Fußnoten
1
Die Leitlinie wurde mit finanzieller Unterstützung des BMFSFJ und des Paritätischen Wohlfahrtverbands von S.I.G.N.A.L. e. V. in die deutsche Sprache übersetzt und gedruckt.
 
2
Formen der Gewalt wurden in der Studie differenziert erfragt, Items für sexuelle, körperliche und psychische Gewalt sowie für Stalking sind in der benannten Veröffentlichung aufgeführt. Die in Abbildung 1 genannten Prozentangaben wurden zur Anpassung an die Merkmale der Stichprobe gewichtet. Details zur Gewichtung siehe im technischen Report [14].
 
3
Das methodische Vorgehen wird in den Leitlinien ausführlich dargestellt.
 
4
Die Frage, ob eine Empfehlung für ein generelles Screening oder für einen selektiven Befragungsansatz auf der Basis klinischer und diagnostischer Erwägungen formuliert wird, wurde kontrovers diskutiert. Pro- und Contra-Positionen werden neben dem Stand der Forschung dargestellt [30]. Zur internationalen Diskussion und zum Stand in Deutschland siehe Brzank [5]; Brzank/Blättner [6].
 
5
Praxisorientierte Leitfäden wurden in den meisten Bundesländern von interdisziplinären Interventionsprojekten oder Runden Tischen gegen häusliche und sexuelle Gewalt mit Unterstützung von Ärztekammern, Krankenkassen und Landesbehörden erstellt. Informationen über Leitfäden in den Bundesländern bieten das Frauengesundheitsportal der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung [7] sowie die Koordinierungsstelle des S.I.G.N.A.L. e. V. [27].
 
6
Zu nennen sind hier u. a. das MIGG-Curriculum für die niedergelassene ärztliche Versorgung [15], das S.I.G.N.A.L.-Curriculum [19], das HEVI-Curriculum für Lehrkräfte im Sozial- und Gesundheitswesen [1] und das Curriculum Taboo für Altenpflege [28].
 
7
Es handelt sich um das Oberstufenzentrum für Gesundheit I, Berlin. Ein Filmbeitrag zum Unterricht wurde von zm-online erstellt [36].
 
8
Siehe Homepage der Arbeitsgruppe „Gesundheitsschutz bei interpersoneller Gewalt“ der Hochschule Fulda: www.​fh-fulda.​de/​index.​php?​id =​ stopp_​violence.
 
Literatur
4.
Zurück zum Zitat Blättner B, Krüger K, Grewe A (2009) A.U.S.W.E.G. Ärztliche Dokumentation der Folgen häuslicher Gewalt, Sichtweisen der Gesundheitsversorgung – eine Evaluationsstudie in Hessen. Forschungsberichte des Gender und Frauenforschungszentrums der Hessischen Hochschulen, Frankfurt a. M. Blättner B, Krüger K, Grewe A (2009) A.U.S.W.E.G. Ärztliche Dokumentation der Folgen häuslicher Gewalt, Sichtweisen der Gesundheitsversorgung – eine Evaluationsstudie in Hessen. Forschungsberichte des Gender und Frauenforschungszentrums der Hessischen Hochschulen, Frankfurt a. M.
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Zurück zum Zitat Brzank P (2010) Häusliche Gewalt und Gesundheit: Stand der internationalen Forschung und Diskussion. Bericht über die fünfte US-amerikanische „National Conference on Health and Domestic Violence“. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 53:520–524CrossRef Brzank P (2010) Häusliche Gewalt und Gesundheit: Stand der internationalen Forschung und Diskussion. Bericht über die fünfte US-amerikanische „National Conference on Health and Domestic Violence“. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 53:520–524CrossRef
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Zurück zum Zitat Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Hessisches Sozialministerium (Hrsg) (2014) Ärztliches Praxishandbuch Gewalt. Verlag S. Kramarz, Berlin Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Hessisches Sozialministerium (Hrsg) (2014) Ärztliches Praxishandbuch Gewalt. Verlag S. Kramarz, Berlin
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Zurück zum Zitat Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin (Hrsg) (2014) Forensisch-medizinische Untersuchung von Gewaltopfern. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin 2014. Springer Med Z Rechtsmed 5:405–411 Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin (Hrsg) (2014) Forensisch-medizinische Untersuchung von Gewaltopfern. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin 2014. Springer Med Z Rechtsmed 5:405–411
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Zurück zum Zitat GiGnet (2008) Gewalt im Geschlechterverhältnis. Erkenntnisse und Konsequenzen für Politik, Wissenschaft und soziale Praxis. Verlag Barbara Budrich, Opladen GiGnet (2008) Gewalt im Geschlechterverhältnis. Erkenntnisse und Konsequenzen für Politik, Wissenschaft und soziale Praxis. Verlag Barbara Budrich, Opladen
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Zurück zum Zitat Gloor D, Meier H (2014) Der Polizist ist mein Engel gewesen. Sicht gewaltbetroffener Frauen auf institutionelle Interventionen bei Gewalt in Ehe und Partnerschaft. Schlussbericht der NFP 60-Studie. Social Insight, Schinznach-Dorf Gloor D, Meier H (2014) Der Polizist ist mein Engel gewesen. Sicht gewaltbetroffener Frauen auf institutionelle Interventionen bei Gewalt in Ehe und Partnerschaft. Schlussbericht der NFP 60-Studie. Social Insight, Schinznach-Dorf
19.
Zurück zum Zitat Hellbernd H (2006) Curriculum. Häusliche Gewalt und Gesundheit: gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L. – Interventionsprojekt. Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hellbernd H (2006) Curriculum. Häusliche Gewalt und Gesundheit: gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L. – Interventionsprojekt. Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
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Zurück zum Zitat Hintz E, Blättner B, Renner J, Hahn D (2011) Evaluation der Implementierung des hessischen Dokumentationsbogens bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Forschungsberichte des Gender und Frauenforschungszentrum der Hessischen Hochschulen, Frankfurt am Main Hintz E, Blättner B, Renner J, Hahn D (2011) Evaluation der Implementierung des hessischen Dokumentationsbogens bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Forschungsberichte des Gender und Frauenforschungszentrum der Hessischen Hochschulen, Frankfurt am Main
22.
Zurück zum Zitat Robert Koch-Institut (Hrsg) (2008) Heft 42, Gesundheitliche Folgen von Gewalt unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Robert Koch-Institut (Hrsg) (2008) Heft 42, Gesundheitliche Folgen von Gewalt unter besonderer Berücksichtigung von häuslicher Gewalt gegen Frauen.
23.
Zurück zum Zitat Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Schröttle M, Müller U (2004) Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
24.
Zurück zum Zitat Sellach B, Küher H, Landgrebe G, Landgrebe P (2011) Implementierungsleitfaden zur Einführung der Interventionsstandards in die medizinische Versorgung von Frauen. Herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sellach B, Küher H, Landgrebe G, Landgrebe P (2011) Implementierungsleitfaden zur Einführung der Interventionsstandards in die medizinische Versorgung von Frauen. Herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
25.
Zurück zum Zitat Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (2007) Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII. Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (2007) Empfehlungen zur Umsetzung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII.
30.
Zurück zum Zitat WHO (2013) Responding to intimate partner violence and sexual violence against women. WHO clinical and policy guidelines, deutsche Übersetzung des S.I.G.N.A.L. e. V. Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen und mit sexueller Gewalt gegen Frauen. Leitlinien der WHO für Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik WHO (2013) Responding to intimate partner violence and sexual violence against women. WHO clinical and policy guidelines, deutsche Übersetzung des S.I.G.N.A.L. e. V. Umgang mit Gewalt in Paarbeziehungen und mit sexueller Gewalt gegen Frauen. Leitlinien der WHO für Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik
Metadaten
Titel
Häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen
Implikationen der WHO-Leitlinien für Deutschland
verfasst von
Karin Wieners
Marion Winterholler
Publikationsdatum
01.01.2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz / Ausgabe 1/2016
Print ISSN: 1436-9990
Elektronische ISSN: 1437-1588
DOI
https://doi.org/10.1007/s00103-015-2260-0

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