Erschienen in:
01.11.2015 | Leitthema
Hormonelle Störungen bei Patienten mit Epilepsie: Antikonvulsiva als Ursache
verfasst von:
Ao. Univ. Prof. Dr. G. Luef
Erschienen in:
Clinical Epileptology
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Ausgabe 4/2015
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Zusammenfassung
Epilepsien, Antikonvulsiva (AEDs) und das reproduktive System haben komplexe Interaktionen. Nicht nur die Fertilität ist bei Frauen und Männern mit Epilepsie niedriger als in der Allgemeinbevölkerung, vielmehr sind reproduktive endokrine Störungen bei Menschen mit einer Epilepsie viel höher als in der Normalpopulation. Diese Störungen können sowohl der Erkrankung selbst als auch der Einnahme von Antikonvulsiva zugeordnet werden.
Bei Männern handelt es sich meist um Potenzstörungen und Libidoverlust. Bei Frauen mit Epilepsie sind es häufige Störungen der Fortpflanzungsfähigkeit, Amenorrhöen, bei etwa 15–20 % der Epilepsiepatientinnen, und sonstige Zyklusstörungen einschließlich Zwischenblutungen, bei fast 50 %. An endokrinen Syndromen findet man das Polyzystische Ovarsyndrom (PCOS), hypothalamische Amenorrhöen (HA) und Hyperprolaktinämien [4, 5].
Die genauen Pathomechanismen sind nur unvollständig geklärt. Infrage kommen sowohl Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse (HPA) durch die Epilepsie als auch Einflüsse der Antiepileptika auf den Steroidhormonstoffwechsel.
Antiepileptika haben vielfältigen Einfluss auf den Metabolismus von Sexualhormonen. So konnte unter einer Therapie mit enzyminduzierenden Antiepileptika (EIA) wie Phenytoin, Phenobarbital und Carbamazepin ein Anstieg von SHBG-(sex-hormone-binding-globuline) Konzentrationen bei Frauen und Männern mit Epilepsie beobachtet werden. Über die Zeit führt dieser SHBG-Anstieg im Serum über vermehrte Proteinbindung zu einer Verminderung des bioaktiven Testosterons und Estradiol, indem die Serumkonzentrationen der freien, wirksamen Sexualsteroide gesenkt werden, was zu einer verminderten Potenz bei Männern und Menstruationsstörungen bei Frauen führen kann und damit die Fertilität reduziert. Ein signifikanter Abfall von LH (Luteinesierendes Hormon) und Estradiol sowie Prolaktin konnte ebenso beobachtet werden
Eine Valproattherapie wird mit der Entwicklung eines PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom) in Verbindung gebracht. VPA (Valproat) kann die Serum-Androgen-Konzentrationen beeinflussen und damit die Serum-FSH(Follikelstimulierendes Hormon)-Konzentrationen reduzieren. Die klinische Bedeutung bei Männern mit Epilepsie ist nach wie vor unbekannt. Bei Frauen mit Epilepsie und VPA-Therapie scheinen endokrine Auswirkungen häufiger als PCOS aufzutreten. Hohe Testosteronkonzentrationen (Hyperandrogenismus) und Menstruationsstörungen sind das klinische Bild. Junge Frauen, die vor dem 20. Lebensjahr mit einer Valproattherapie begonnen haben scheinen besonders sensibel dafür zu sein. In einer Studie führte es bei bis zu 57 % der postpubertalen Mädchen zu einer Erhöhung des Testosteronspiegels.
Die Gewichtszunahme, eine häufige Nebenwirkung einer Valproattherapie, beruht vermutlich auf einer valproatinduzierten Hyperinsulinämie bzw. Insulinresistenz sowie auf einer Hyperleptinämie mit Leptinresistenz Die Gewichtszunahme und Hyperinsulinämie stimulieren vermutlich zusätzlich die Testosteronsekretion aus dem Ovar und führen zu reduzierten SHBG-Leveln. Nicht zuletzt kann die für Valproat typische Gewichtszunahme das kardiovaskuläre Risikoprofil verschlechtern. Deshalb empfiehlt sich bei Frauen mit Epilepsie Zyklusunregelmäßigkeiten zu erfragen, nach Virilisierungszeichen zu suchen und den Gewichtsverlauf zu dokumentieren, um ggf. weitere Untersuchungen einzuleiten