Erschienen in:
01.10.2015 | Editorial
Individualisierte Gerinnungstherapie
Wunsch oder bereits Realität?
verfasst von:
PD Dr. Dr. O. Grottke, MPH
Erschienen in:
Die Anaesthesiologie
|
Ausgabe 10/2015
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Auszug
Gerinnungsstörungen bei polytraumatisierten Patienten zählen zu den häufigsten Ursachen posttraumatischer Exsanguination. Diverse Studien haben gezeigt, dass eine Koagulopathie bereits bei 25 % der polytraumatisierten Patienten zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme diagnostiziert werden konnte [
1]. Das Vorliegen einer Gerinnungsstörung ist mit einem deutlich erhöhten Letalitätsrisiko assoziiert [
2]. Im Rahmen fulminanter Blutungen mit entsprechender Blutungsdynamik kann das verzögerte Vorliegen laborchemischer Gerinnungsanalysen ein limitierender Faktor sein und aufgrund zeitlicher Diskrepanzen eine inadäquate Therapie begünstigen. Für die Initiierung einer zielgerichteten und individualisierten Therapie hat daher die differenzierte Gerinnungsdiagnostik oberste Priorität. In der Behandlung von Patienten mit lebensbedrohlichen Blutungen und Gerinnungsstörungen hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten insbesondere in Europa ein eindrucksvoller Paradigmenwechsel von einer empirischen Gerinnungstherapie mit Frischplasma („fresh frozen plasma“, FFP) zu einer differenzierteren Gerinnungstherapie mit prokoagulatorischen Faktoren bzw. Faktorenkonzentraten vollzogen. Die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass fixe Ratios von FFP und Erythrozytenkonzentraten nicht für alle Patienten gleichermaßen geeignet sind und somit die Idee eines „One-size-fits-all“-Regimes verworfen werden muss. Nicht zuletzt scheint dies in der Komplexität der Pathophysiologie einer Koagulopathie und den zugrunde liegenden Faktoren sowie auch durch die unterschiedlichen Entitäten einer Blutung begründet zu sein [
3]. …