Erschienen in:
17.06.2015 | Originalarbeit
Informierte Einwilligung in der Demenzforschung. Eine qualitative Studie zum Informationsverständnis von Probanden
verfasst von:
Dipl. Päd. Holger Schütz, Prof. Dr. Bert Heinrichs, PD Dr. Michael Fuchs, Prof. Dr. Andreas Bauer
Erschienen in:
Ethik in der Medizin
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Ausgabe 2/2016
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Zusammenfassung
Die informierte Einwilligung von Probanden ist eine rechtliche und ethische Voraussetzung für die medizinische Forschung. Für die Demenz-Forschung kann die informierte Einwilligung ein Problem darstellen, sofern an Demenz erkrankte Probanden, bei denen mit einer eingeschränkten Verständnisfähigkeit und damit auch Entscheidungskompetenz gerechnet werden muss, untersucht werden sollen. Dies kann zum Ausschluss von Demenzpatienten führen, da Verständnis und Entscheidungsfähigkeit zumeist mit der Fähigkeit zur rationalen Entscheidungsfindung gleichgesetzt werden. Diese Bewertung ist jedoch auch verschiedentlich kritisiert worden, weil damit zu viel Gewicht auf den kognitiven Aspekt der Entscheidungsfindung gelegt werde. Die vorliegende qualitative Studie untersucht, wie sich im Rahmen einer in Deutschland durchgeführten medizinischen Forschungsstudie die reale Aufklärungssituation von an Demenz erkrankten Probanden in Bezug auf ihr subjektives und objektives Informationsverständnis darstellt. In semi-strukturierten Interviews wurden 10 Demenzpatienten befragt, die an zwei medizinischen Forschungsstudien teilnahmen, sowie deren Begleitpersonen. Es zeigt sich, dass die Probanden die Aufklärungsinformation nur begrenzt verstehen. Sie sind sich dessen jedoch zum Teil durchaus bewusst. Dagegen sind die Begleitpersonen durchweg der Meinung, die Aufklärungsinformation verstanden zu haben, obwohl auch bei ihnen deutliche Verständnisdefizite zu verzeichnen sind. Probandenäußerungen weisen darauf hin, dass zumindest einige von ihnen der Probandenaufklärung keine entscheidende Bedeutung beimessen und ihre Einwilligung nicht primär von der Aufklärungsinformation abhängt. Für sie scheint die Teilnahme an einer Forschungsstudie eher eine problemzentrierte Bewältigungsstrategie für die Demenzerkrankung zu sein. Damit stellt sich in forschungsethischer Hinsicht die Frage, ob die Fokussierung auf den kognitiven Aspekt von autonomer Entscheidung – das Verständnis – nicht zu einseitig ist und inwieweit der „volitionistische“ Aspekt bei der Einwilligung stärker berücksichtigt werden sollte.