Internetbasiertes Lernen lässt Typ-1-Diabetiker sicherer Autofahren

Mit dem Internet besser Autofahren? Das klingt zunächst absurd. Doch bei Diabetikern konnte mithilfe einer webbasierten Lernplattform die Zahl der verkehrsbedingten Malheure reduziert werden, das ergaben die Ergebnisse einer randomisierten Studie. Mehr zum Thema Weitere Beiträge finden Sie im Themenschwerpunkt Diabetologie. Weitere Berichte vom Kongress finden Sie in unserem EASD-Kongress-Dossier. Berichte von der EASD- Jahrestagung 2013 finden Sie hier. Der Straßenverkehr erfordert höchste Konzentration. Diese lässt allerdings beträchtlich nach, wenn der Blutzucker zu hoch oder zu niedrig ist – ein Problem, das vor allem Diabetiker betrifft. Greifen sie trotz extremer Blutzuckerwerte zum Lenkrad, bleiben Unfälle oder andere verkehrsbedingte Missgeschicke oft nicht aus. Mit einem Score ließe sich das Risiko für verkehrsbedingte Missgeschicke vielleicht vorher einschätzen, dachten sich Dr. Daniel Cox von der University of Virginia/USA und sein Team und entwickelten einen speziellen Fragebogen und eine internetbasierte Lernplattform (DiabetesDriving.com). Diese Plattform soll Typ-1-Diabetikern helfen, das Wissen über ihre Erkrankung in ihren Alltag zu integrieren, um im Straßenverkehr richtig agieren zu können. Beides und die Ergebnisse einer zugehörigen Studie stellte Cox auf dem diesjährigen EASD-Kongress in Wien vor und er zeigte sich aufgrund der Ergebnisse einer randomisierten Studie optimistisch, dass sich damit die Fahrsicherheit von Diabetiker verbessern ließe. Fahrtüchtigkeit richtig einschätzen „Wir konnten diejenigen Typ-1-Diabetiker identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für heikle Situationen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr hatten“, berichtete er. Insgesamt hatte sein Team das Risiko von 1.768 Typ-1-Diabetikern mit einem eigens dafür entwickelten IRT-basierten Fragenbogen (Risk Assessment for Diabetic Drivers, RADD) eingeschätzt. RADD enthält elf Einheiten, mit denen sich die Fahrtüchtigkeit einschätzen lassen soll, z.B. wie viele Kilometer werden gefahren, wie geht man mit drohenden Hypoglykämien um etc. 122 Studienteilnehmer hatten demnach ein niedriges Risiko, 379 ein hohes, der Rest ein mittleres Risiko. 14 Monate nach dieser ersten Erfassung wurden sie gefragt, was verkehrstechnisch vorgefallen war. Und: Den Diabetikern, die in die Hochrisikogruppe eingestuft wurden, passierten 2,58 Mal mehr Malheure im Straßenverkehr als den Diabetikern mit geringem Risiko (p<0.01). Die Sensitivität des Scores betrug 61%, die Spezifität 75%. Weniger heikle Verkehrssituationen Das Risiko einschätzen zu können, ist eine Sache. Damit dann auch richtig umzugehen, um Schlimmeres verhindern zu können, ist eine andere Herausforderung, was Cox und Kollegen mit der Lernplattform in Angriff nahmen. DiabetesDrive.com besteht aus fünf Teilen: einem Toolkit und dessen korrekter Anwendung, generellen Themen zum Diabetes und Autofahren sowie Tipps zum Erkennen und Managing extremer Blutglukosewerte während des Fahrens sowie der langfristigen Aufrechterhaltung dieser Fähigkeiten. Die 379 Teilnehmer, die zunächst als Hochrisikogruppe eingestuft wurden, wurden randomisiert, entweder zu einer Routinebetreuung oder zur Nutzung von DiabetesDrive.com mit oder ohne persönliche Interviews, um die Motivation der Teilnehmer zu verstärken. Die Teilnehmer sollten das Internetprogramm innerhalb von zwei Monaten ausführen, danach wurden sie kontaktiert und dazu aufgefordert, ihre Verkehrssituationen monatlich zu dokumentieren. Ein spezieller Toolkit war besonders beliebt Zwölf Monate nach der Intervention ließen sich die Verkehrsmalheure mithilfe der Lernplattform um 53% im Vergleich zur Routineversorgung reduzieren (p <0,01), die Interviews verbesserten das Ergebnis jedoch nicht. Als besonders hilfreich stuften die Teilnehmer den Toolkit ein, eine Art Notfalltäschchen, das Dinge enthält, die man als Diabetiker beim Autofahren gebrauchen kann; unter anderem einen Schlüsselanhänger mit einem Ampelsystem, welches die Diabetiker daran erinnern soll, dass sie bei bestimmten Werten nicht fahren sollten: „Rot“ bei einem Blutzucker ≤70 mg/dl = nicht Autofahren, Glukose nehmen; „Gelb“ bei 70–90 mg/dl = Autofahren ist möglich, aber Glukose zuführen; „Grün“ >90 mg/dl = Autofahren ist möglich. Ebenfalls enthalten sind ein Blutzuckermessgerät, Dextrose, um den Blutzucker rasch steigern zu können, langwirksame Kohlenhydrate in Form von Käsecrackern, einem „Diabetes-Sticker“ zum Aufkleben an die Autoscheibe, und eine Checkliste, in der relevante Themen abgefragt werden. Hat die internetbasierte Intervention nun funktioniert? Cox sagt „Ja“. Wir konnten diejenigen Typ-1-Diabetiker identifizieren, die ein hohes Risiko hatten, dass ihnen in Zukunft im Verkehr ein Malheur passieren wird und wir konnten dieses Risiko mithilfe des internetbasierten Lernens senken, lautete sein Fazit. Aber ob die Diabetiker diese Fahrsicherheit auch längerfristig bewahren können, müsse man erst noch sehen, räumte er ein. In Zukunft möchten die Wissenschaftler die Sensitivität und Spezifität des Risikoscores verbessern, die Lernplattform optimieren und beide Tools in der Diabetes-Community bekannt machen.

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