Jedes dritte Hirnaneurysma platzt

Je größer die Aussackung, umso größer das Rupturrisiko – so lautete bisher das Credo. Allerdings sind richtig große Hirnaneurysmen selten. Für die meisten Patienten ist weit relevanter, ob sie jung, weiblich oder Raucher sind – dann ist die Blutungsgefahr besonders hoch. Hat die zerebrale Gefäßaussackung einen Durchmesser von 25 mm und mehr, dann sollten Ärzte in der Tat etwas tun: Das Gefäß platzt mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% innerhalb eines Jahres, hat eine japanische Studie vor zwei Jahren ergeben1. In einer niederländischen Studie wurde der Zusammenhang bestätigt: Bei einem Durchmesser von mehr als 20 mm ist das Risiko, dass ein solches Aneurysma platzt, etwa 20-mal höher als bei einem Durchmesser unter 5 mm. Die Größe zählt also: Das Risiko für eine Hirnblutung scheint mit dem Durchmesser der Aussackung exponenziell anzusteigen. Im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass kleine Aneurysmen sicher sind. In einer finnischen Langzeitstudie ist fast ein Drittel der Aussackungen irgendwann gerissen, und die allerwenigsten waren zu Beginn über 7 mm groß. Zumindest für die Langzeitprognose taugt bei den meisten Patienten die Größe offenbar wenig, andere Faktoren sind viel entscheidender, berichten Neurochirurgen um Dr. Miikka Korja von der Uniklinik in Helsinki. Das Team hat in einer bis dato wohl einzigartigen Untersuchung das Schicksal von 118 Patienten untersucht, bei denen zwischen 1956 und 1978 ein intaktes Hirnaneurysma festgestellt worden war. Das Schicksal dieser 61 Frauen und 57 Männer wurde nun bis zum Tod oder dem Platzen der Gefäße nachverfolgt. 30% aller Aneurysmen geplatzt Im Schnitt waren die Patienten bei der Diagnose 44 Jahre alt. Wie sich herausstellte, hatten sie zu diesem Zeitpunkt eher selten große Aneurysmen: Nur 22 Patienten (19%) zeigten Aussackungen mit einer Größe von 7 mm oder mehr, im Mittel lag der Durchmesser bei etwa 4 mm. Im Laufe des restlichen Lebens rissen 29% der Gefäße und führten zu einer Subarachnoidalblutung. Jährlich platzten 1,6% der Aussackungen – eine ähnliche Rate hatten auch kürzer angelegte Studien ergeben. Eine Größe von mehr als 7 mm bei der Diagnose erwies sich zwar als Risikofaktor für eine Ruptur, allerdings nur bei Frauen: Bei acht von elf Frauen (73%) platzten solche vergrößerten Gefäße im Laufe des Lebens, dagegen waren dies nur bei zwei von elf Männern (18%) der Fall. Wenn sich die Aneurysmen im Laufe des Lebens ausweiteten, war dies jedoch ein Warnsignal: Fast alle geplatzten Aussackungen (93%), von denen Mehrfachmessungen vorlagen, waren seit der Erstmessung um mehr als 2 mm gewachsen, dagegen war dies nur bei 22% der nicht-rupturierten Aneurysmen der Fall. Bei Männern scheinen die Aussackungen also eher stabil zu bleiben. Insgesamt hatten Männer ein nur halb so hohes Lebenszeitrisiko für eine Ruptur (19 versus 38%) wie Frauen. Als weiterer wichtiger Risikofaktor entpuppte sich der Tabakkonsum: Rauchten die Betroffenen zum Zeitpunkt der Diagnose, lag das Lebenszeitrisiko für eine Ruptur bei 39%, für Niemals- und Exraucher hingegen nur bei 17%. Keine signifikante Risikoerhöhung gab es hingegen bei Bluthochdruck und multiplen Aneurysmen. Dagegen war das Alter bei der Diagnose wichtig: Unter 50-Jährige hatten ein etwa dreifach höheres Rupturrisiko als jene über 50 – bei den jungen Betroffenen bleibt dem Aneurysma natürlich noch etwas mehr Zeit zum Platzen. Hohes Risiko für rauchende Frauen Aus diesen Daten erstellten die Forscher um Korja nun eine Art Risikotabelle für Aneurysma-Patienten. Am höchsten ist danach die Rupturgefahr bei rauchenden Frauen mit einer Aneurysma-Größe von über 7mm, sie liegt praktisch bei 100%. Die jährliche Rupturrate lässt sich mit etwa 6,5% beziffern. Am anderen Ende liegen nichtrauchende Männer: Bei keinem einzigen männlichen Niemals- und Exraucher wurde ein geplatztes Hirnaneurysma beobachtet, allerdings gab es in dieser Gruppe nur 16 Männer, sodass jegliche Berechnungen dazu auf sehr dünnen Beinen stehen. Dagegen war das Lebenszeitrisiko für eine Ruptur mit 50% bei rauchenden Männern mit Aussackungen über 7 mm ebenfalls sehr hoch. Für die Therapieentscheidung könnten diese Langzeitdaten von großer Bedeutung sein. So muss offenbar nicht jedes vergrößerte Aneurysma bei männlichen Nichtrauchern operiert werden, wohingegen bei Frauen auch schon kleinere Aussackungen auf Dauer risikoträchtig sind, vor allem wenn sie rauchen. Überhaupt scheint das Rauchen der einzige beeinflussbare Risikofaktor zu sein: Wer darauf verzichtet, kann die Gefahr einer Hirnblutung drastisch senken.

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