Gratisarbeit der Praxischefs für die Krankenkassen?

In Bayern beginnt im Juli ein Testlauf für die neuen ambulanten Kodierrichtlinien. Doch schon jetzt sind sich die bayerischen Haus- und Facharztverbände einig: Die neuen Richtlinien müssen verhindert werden. Den Anfang machte der Deutsche Facharztverband (DFV) mit seinem Bundesvorsitzenden, dem Münchner Augenarzt Dr. Thomas Scharmann. Die Umsetzung der Kodierrichtlinien sei derzeit für die Praxen „wirtschaftlich nicht darstellbar“, erklärte Scharmann bereits Anfang März. Eine Verschlüsselung könne bis zu drei Minuten und mehr dauern. „Bei Dutzenden von Patienten kommen da schnell zwei Stunden zusammen. Das kann kein Arzt leisten, und eine Arzthelferin dafür abzustellen ist auch zu teuer“, sagte Scharmann. Hausärzte werfen den Kassen monetäre Eigeninteressen vor Auch der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV), Dr. Wolfgang Hoppenthaller, warnte daraufhin vor einem „enormen bürokratischen Aufwand“, mit dem die Hausarztpraxen überfrachtet würden. Die neuen Kodierrichtlinien dienten weder der Patientenversorgung noch der Verbesserung des Gesundheitswesens, formulierte Hoppenthaller Anfang Mai. Dieser Kritik hat sich auch der Bayerische Facharztverband angeschlossen. Bei den Kodierrichtlinien gehe es nur darum, „dass die Krankenkassen mit diesen Diagnosen ihre Geldflüsse aus dem Gesundheitsfonds kanalisieren können“, erklärte die Vorsitzende des Verbandes Dr. Ilka Enger aus Neutraubling. Die Geldverteilung an die Ärzte werde so neu geordnet. „Statt tatsächlich erbrachter Leistung am Patienten sollen letztlich kodierte Diagnosen bezahlt werden“, kritisierte Enger und forderte den sofortigen Stopp dieses „Bürokratie-Wahnsinns“. Teilnehmende Praxen erhalten für den Test 500 Euro Anlass für die massiven Proteste ist der bevorstehende Start einer Pilotphase, bei der in Bayern landesweit 80 bis 100 Praxen die Alltagstauglichkeit der neuen Kodierrichtlinien testen sollen. Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten bekommen für die Teilnahme am Testlauf vom 1. Juli bis 31. August pauschal 500 Euro. Die dabei gewonnenen Daten werden an die KBV weitergeleitet und dort ausgewertet. Die Richtlinien müssten ohne großen Aufwand in den Praxisalltag integrierbar sein, forderte unterdessen der Vorsitzende der KV Bayerns, Dr. Axel Munte. Die Testphase in Bayern biete die Chance, Unzulänglichkeiten zu erkennen und zu beseitigen. Andererseits biete eine valide Kodierung den Ärzten die Möglichkeit, die Qualität ihrer Behandlung auch den Kassen nachzuweisen. Und das sei für „Verträge mit Mehrvergütung“ außerordentlich wichtig, betonte er. Auch der Ärztetag forderte den Stopp der Richtlinien Ungeachtet dessen haben sich auch die Delegierten des Ärztetages in Dresden ablehnend geäußert und die KBV aufgefordert, die Einführung der Diagnose-Kodierrichtlinien „umgehend zu stoppen“. Die Daten würden missbraucht, um die Honorarverteilung zu organisieren. In einem mit Mehrheit verabschiedeten Antrag des bayerischen Delegierten Dr. Dieter Geis werden die Kodierrichtlinien als „weiteres bürokratisches Monstrum“ bezeichnet, vergleichbar mit den Kodierungen für die Diagnosis Related Groups (DRG) in den Krankenhäusern. Dort seien ganze Arztstellen nur für die Kodierung geschaffen worden. Unterschiede zwischen ambulant und stationär Seit kurzem ist die Version 2010 der Ambulanten Kodierrichtlinien unter www.kbv.de/kodieren.html abrufbar. In den Richtlinien wird auf 161 Seiten mit elf allgemeinen und 59 speziellen Kodierrichtlinien die Kodierung der Diagnosen ausschließlich zur Abrechnung geregelt. Anders als im stationären Bereich, wo zwischen Haupt- und Nebendiagnosen unterschieden wird, arbeiten die Ambulanten Kodierrichtlinien mit Behandlungsdiagnosen. Pro Behandlungsfall muss mindestens eine Behandlungsdiagnose verschlüsselt werden. Zusätzliche Angaben zur Diagnosesicherheit Vorgesehen ist zudem die verpflichtende Angabe der Zusatzkennzeichen für die Diagnosesicherheit, wie etwa G für gesicherte Diagnose oder V für Verdachtsdiagnose. Dauerdiagnosen dürfen nur dann in ein neues Quartal übernommen werden, wenn jede dieser Diagnosen die Definition einer Behandlungsdiagnose erfüllt. Die Kodierrichtlinien gelten grundsätzlich für alle ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen, die ambulant und belegärztlich für Versicherte der GKV erbracht werden. Ausgenommen sind ambulante Operationen und stationsersetzende Eingriffe. Hausärzteverband warnt vor "Verschiebebahnhof" Damit würden die Kodierrichtlinien zu einem „Instrument, um hausärztliche Kompetenz zu beschneiden“, kritisierte Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes. Es drohe ein neuer Honorarverschiebebahnhof. Für eine „richtige“ Kodierung würden in der Regel fachärztliche Untersuchungen vorgeschrieben. Die Abbildung hausärztlicher Tätigkeit sei dadurch sicher nicht zu erreichen. Die Kodierrichtlinien könnten deshalb auch nie Grundlage für die Zumessung hausärztlichen Honorars sein.

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