Krebs-Fehlalarm verhindert Arztbesuche

Ein falscher Krebsalarm kann Patienten davon abhalten, bei erneuten Symptomen zum Arzt zu gehen. Britische Forscher warnen davor, Patienten zu sehr in Sicherheit zu wiegen, und raten auch bei Negativ-Befunden zu einer ausgewogenen Beratung. Krebsverdächtige Symptome wie ein Knoten in der Brust oder Blut im Stuhl stellen sich glücklicherweise in den meisten Fällen als harmlos heraus. 80% der Patienten, die mit solchen Beschwerden den Arzt aufsuchen, enthalten von diesem eine Entwarnung. Ein solcher Fehlalarm kann jedoch das Verhalten des Patienten bei zukünftigen Verdachtsfällen prägen und so unter Umständen eine echte Krebsdiagnose verzögern. Cristina Renzi und ihr Team vom University College in London haben im Auftrag des britischen Krebsforschungszentrums „Cancer Research UK“ 19 Studien analysiert, die sich mit der Problematik des falschen Krebsalarms bei symptomatischen Patienten beschäftigten (Patienten, bei denen der Krebsverdacht im Zuge eines Screenings gestellt worden war, waren in der Analyse nicht berücksichtigt). Im Ernstfall verzögerte Diagnose In den Studien berichteten viele Patienten, sie hätten sich durch den negativen Erstbefund so sehr in Sicherheit gewiegt, dass sie neu aufgetretenen ähnlichen Symptomen keine besondere Beachtung geschenkt hätten. Von 3005 Frauen, die trotz Knoten in der Brust nicht zum Arzt gegangen waren, berichteten 15,7%, so etwas sei ja vorher schon einmal abgeklärt worden. Bei Patienten mit Darmkrebs verzögerte sich die Diagnose um gut acht Monate, wenn sie bereits einen entsprechenden Krebs-Fehlalarm hinter sich hatten. Und um bis zu zwölf Monate verspätet wurde die Krebsdiagnose bei Patienten mit Prostatakarzinom gestellt, wenn zuvor eine Harnwegsinfektion oder Zyste als Erklärung für die Beschwerden gefunden worden war. "Ich dachte, das ist wieder das Gleiche" „Zu starkes Beruhigen kann dazu führen, dass die Patienten ihre Beschwerden als normal empfinden und deshalb erst spät zum Arzt gehen“, schreiben Renzi und Kollegen. Die Symptome würden einer früheren gutartigen Erkrankung zugeschrieben oder auf andere Ursachen als Krebs zurückgeführt. Eine typische Äußerung eines Krebspatienten war: „Ich dachte, ach, das ist ja wieder das Gleiche – und hab’s ignoriert.“ Oder: „Er (der Arzt) hatte ja bei der Koloskopie nichts gefunden – also hab ich dann zwei Jahre nichts gemacht“ (der Patient hatte die ganze Zeit über Blut im Stuhl). In einigen Studien mit Brustkrebspatientinnen war die Häufigkeit der Selbstuntersuchungen nach einem gutartigen Befund sogar zurückgegangen. Das trügerische Gefühl der Sicherheit hielt oft noch über Jahre an. Umgekehrt, so die Forscher, kann jedoch auch mangelnde Unterstützung oder Bagatellisierung der Symptome Patienten von einem erneuten Arztbesuch abhalten. „Meine Beschwerden wurden schon einmal als lächerlich abgetan“, berichtet beispielsweise eine 63-jährige Brustkrebspatientin. Nach so einem Erlebnis ziehen es viele vor, sich nicht noch einmal untersuchen zu lassen, um nicht als Hypochonder zu erscheinen. Und schließlich spielt nach Renzi et al. auch Frust mit hinein, wenn ein Patient lieber leidet, als zum Arzt zu gehen. So hatten einige Patienten das Gefühl, dieser hätte ihnen beim ersten Mal schon nicht helfen können. „Nachdem ich beim Arzt war, ging es mir nicht besser“, ist eine typische Aussage. Als problematisch wurde es auch empfunden, wenn der Arzt sich mit einem „Alles in Ordnung“ begnügt und keine anderen Erklärungen für die Beschwerden oder weitere Beratung angeboten hatte. Mittelweg zwischen Beruhigen und Aufregen Die Quintessenz: Der Arzt muss einen Mittelweg finden zwischen übermäßigem Beruhigen und dem unnötigen Schüren von Ängsten. Geplante Nachsorgeuntersuchungen könnten die damit verbundenen Risiken minimieren, so der Rat der Forscher. Dem Patienten könne man beispielsweise kommunizieren, dass es eine gewisse Restunsicherheit gebe und mehrere Konsultationen nötig seien, um zu einem definitiven Ergebnis zu kommen. In jedem Fall, so Renzi und ihr Team, solle man erklären, warum bestimmte Symptome besondere Aufmerksamkeit verdienten und den Patienten auch konkrete Anlaufstellen nennen. Letztlich könne eine ausgewogene Information und Beratung helfen, Verzögerungen bei zukünftigen Diagnosen zu vermeiden.

Springer Medizin

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