Erschienen in:
02.05.2016 | Posttraumatische Belastungsstörung | Journal Club
Kriminologischer Beitrag
Wohnungseinbruch: das unterschätzte Delikt
verfasst von:
Angelika Treibel
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
|
Ausgabe 2/2016
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Auszug
Mehr als 150.000 Wohnungseinbruchsdelikte weist die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik für das Berichtsjahr 2014 aus (BKA
2015). Die Fallzahlen steigen seit Jahren kontinuierlich an. Es handelt sich beim Wohnungseinbruch also um ein Phänomen, von dem in Deutschland jährlich eine sehr hohe Zahl von Menschen betroffen ist. Die Zahl der Betroffenen übersteigt dabei die Fallzahlen bei Weitem, geht man davon aus, dass bei jedem Wohnungseinbruch mehr als eine Person unter den Folgen zu leiden hat. In der Mehrzahl der Fälle geschieht der Wohnungseinbruch in Abwesenheit der Bewohner, sodass sie nicht unmittelbar Tatzeugen werden und in der Regel keine unmittelbare Gefahr für sie besteht. Die Betroffenen werden gleichwohl Zeugen der Einbruchsfolgen, wenn sie nach Hause kommen und die Einspruchsspuren entdecken, eine mehr oder weniger verwüstete Wohnung vorfinden und feststellen, dass ihnen Dinge gestohlen wurden. Aus dieser nur indirekt vorhandenen Zeugenschaft ergibt sich, dass die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei Wohnungseinbruchsopfern nach dem Diagnosemanual DSM-5 (American Psychiatric Association
2013) nicht gestellt werden kann, selbst wenn die psychischen Belastungen auf eine PTBS hinweisen. Der Grund ist, dass das für die Diagnose notwendige Ereigniskriterium (A-Kriterium) nicht erfüllt ist, da nur eine mittelbare Zeugenschaft vorliegt und die unmittelbare (Lebens-)Bedrohung fehlt. Diese Problematik wird auch im Kontext einer aktuellen Studie aufgegriffen, in der die Folgen von Wohnungseinbruch untersucht wurden (Wollinger
2015), insbesondere im Hinblick auf das Vorliegen einer PTBS. Wegen des eng gefassten A‑Kriteriums im DSM-5 bezieht die Autorin sich auf die Diagnose der PTBS nach ICD 10 (WHO et al.
2014), wonach das Ereignis-Kriterium dann erfüllt ist, wenn ein Ereignis „katastrophalen Ausmaßes“ gegeben ist, das bei „fast jedem eine tiefe Verzweiflung“ hervorrufen würde. Dieses Ereignis entspricht beim Wohnungseinbruch der Situation, in der das Opfer vom Einbruch erfährt bzw. den Einbruch entdeckt. …