Der Klinikarzt 2003; 32(9): 306-312
DOI: 10.1055/s-2003-42383
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Qualifizierter Entzug - Die stationäre Entzugsbehandlung von Alkoholabhängigen und ihre ambulante Fortführung

Qualified Withdrawal Treatment - Inpatient Detoxification for Alcohol Addicted Patients and its Ambulant ContinuationB. Croissant1 , K. Mann1
  • 1Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin, Mannheim (Direktor: Prof. Dr. K. Mann)
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Publication Date:
19 September 2003 (online)

Zusammenfassung

Primäres Ziel der traditionellen Entgiftungsbehandlung ist es, mithilfe einer adäquaten medikamentösen Behandlung die Entzugserscheinungen zu beherrschen und das Überleben des Patienten sicherzustellen. Spezifische Maßnahmen gegen die Grunderkrankung der Abhängigkeit werden bisher nur in wenigen Fällen durchgeführt. Die Nachuntersuchungszahlen dieser traditionellen Entgiftung sind außerordentlich schlecht. Suchtmedizinisch geschulte Liaison-Dienste könnten aber bei der stationären Entgiftung in Allgemeinkrankenhäusern wesentliche Verbesserungen des bestehenden Versorgungssystems erreichen. Ziel dieser Maßnahmen ist die konsequente Erarbeitung einer hinreichenden Krankheitseinsicht, sodass die Patienten mit mehr Erfolg in weiterführende Behandlungen vermittelt werden könnten. Mit der Einführung des DRG-Systems („diagnosis related groups”) wird die Fallkostenkonstellation der „qualifizierten Entzugsbehandlung” jedoch nicht abgebildet werden können. Soll diese jedoch - mit einem entsprechenden multiprofessionellen Team - in der Inneren Abteilung durchgeführt werden, deckt die Situation nach DRG bislang keinesfalls die Kosten. Somatische Abteilungen sollten durch eine geeignete Finanzierung in die Lage versetzt werden, dieses anspruchsvolle, von Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern gemeinsam durchgeführte und im Gesamtverlauf kostensparende Angebot der „qualifizierten Entgiftung” hinsichtlich Behandlungsdauer und Personalausstattung angemessen zu realisieren.

Summary

The primary aim of the traditional detoxification treatment is to guarantee the survival of the patient with the help of adequate medication. Up to now specific procedures against the underlying dependence are adopted in a few cases only. The reevaluations of this traditional detoxification show exceptionally poor results. For inpatient detoxification in general hospitals essential improvements of the existing care system can be achieved with the help of liaison-services trained in addiction medicine. Motivational techniques are added to standard acute treatment while the aim of these interventions is the consistent development of a sufficient self insight in the disease which finally leads to the willingness of the patient to enter further abstinence-maintaining treatments. According to the health reform-law 2000 an all inclusive remuneration system is being introduced in Germany. For this purpose the Australian DRG (Diagnosis Related Groups)-system is adapted. The expenses for the treatment constellation „Qualified withdrawal treatment” are not represented in this system. If the qualified withdrawal treatment in alcohol dependence (ICD 10 F10.2) is to be carried out in general hospitals - with a multiprofessional team - the expenses are in no way covered by the DRG. Somatic departments should be enabled to realize this demanding and in the whole course cost-saving offer of the „qualified withdrawal treatment” which is provided by physicians, psychologists and social workers in common with regard to treatment duration and personnel equipment by a suitable financing.

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Anschrift für die Verfasser

Dr. Bernhard Croissant

Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin Leitender Oberarzt der Klinik (komm.)J5

68159 Mannheim

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