Lumbale Radikulopathie: Die Bandscheibe war’s nicht

Über eine nicht alltägliche Ursache für die Symptome einer lumbalen Radikulopathie haben US-Orthopäden berichtet. Nicht im Lendenwirbelbereich, sondern im Oberschenkel wurzelte das Übel. Die Autoren des Fallberichts, angeführt von Jesse Evens, arbeiten als Spezialisten für Wirbelsäulenchirurgie am University of Pittsburgh Medical Center. Ihnen wird ein 46-jähriger Patient zur Abklärung von Radikulopathie-Beschwerden zugewiesen, der schon eine Reihe vergeblicher Behandlungsversuche hinter sich hat. Vom Chiropraktiker zum Hausarzt, von dort zum Spezialisten Seit er vor einem Jahr ein schweres Arbeitsgerät gehoben hat, leidet der Mann an Kreuzweh und an Schmerzen, die vom rechten hinteren Oberschenkelbereich aus in den Unterschenkel und den Fuß ausstrahlen. Seine Symptome führen den Patienten zuerst zum Chiropraktiker, ohne Erfolg. Anschließend konsultiert er seinen Hausarzt, der ihm physikalische Therapie verordnet. Als auch das nichts fruchtet, veranlasst der Hausarzt ein MRT und schickt den Mann zum Spezialisten für epidurale Steroidinjektionen. Das Ergebnis ist gleich null. Parallel beginnt der Patient eine Therapie mit Gabapentin, 600 mg dreimal täglich. Der Mann erzählt den Orthopäden an der Pittsburgher Universitätsklinik auch noch von einer ipsilateralen Oberschenkelzerrung, die sein Hausarzt behandelt habe. Seine Beschwerden, so sagt er, nähmen beim Sitzen im Auto oder auf dem Rasenmäher zu. Die Untersuchung des rechten Beins ergibt eine normale Kraftentfaltung im Unterschenkel, eine Sensibilitätsminderung an der Unterseite der Ferse und seitlich am Fuß sowie einen abgeschwächten Achillessehnenreflex. Das alles passt durchaus ins Bild etwa eines Diskusprolaps. Ein weiterer Befund ist dafür allerdings untypisch: Bei der Palpation des Oberschenkels ist in der Tiefe des Weichteilgewebes eine Raumforderung tastbar. Das Hoffmann-Tinel-Zeichen ist positiv, die Parästhesien strahlen beim Palpieren in den Fuß aus. Raumforderung im Oberschenkel Nachdem das aushäusig angefertigte MRT der Lendenwirbelsäule die Symptome des Mannes nicht erklären kann, ordnen die Ärzte nun eine konventionelle Röntgenaufnahme und ein Kontrast-MRT des rechten Oberschenkels an. Dabei zeigt sich schon im Röntgenbild eine Weichteilverdichtung im hinteren rechten Oberschenkel. Das MRT schließlich zeigt eine 6 x 7 cm große Weichteilmasse, die den Ischiasnerv umschließt. Nun folgt eine Biopsie unter Ultraschallkontrolle. Der Pathologe sieht in der HE-Färbung des Aspirats kleine, runde, blaue Zellen mit Nekrosen. Weitere Tests sichern die Diagnose: extraossäres Ewing-Sarkom. Das Staging verläuft negativ. Der Patient unterzieht sich präoperativ drei Chemotherapie-Zyklen mit Vincristin, Ifosfamid, Doxorubicin und Etoposid. Dies lässt den Tumor auf 4 x 4 cm schrumpfen, vier Wochen nach dem letzten Zyklus wird er chirurgisch en bloc entfernt. Distal müssen dafür der Nervus peronaeus und der Nervus tibialis, proximal der Ichiasnerv ligiert und durchtrennt werden. Die Resektionsränder sind frei. Postoperativ erhält der Patient zwei adjuvante Chemotherapie-Zyklen wie gehabt, dazu noch vier Zyklen mit Vincristin, Actinomycin und Ifosfamid. 19 Monate später ist der Mann frei von Lokalrezidiven und Metastasen. Die Funktion der rückwärtigen Oberschenkelmuskulatur hat er zurückgewonnen, Plantar- und Dorsalflexion im Unterschenkel aber wie zu erwarten verloren. Zum Ausgleich trägt er eine Orthese, die Sprunggelenk und Fuß stabilisiert.

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