Erschienen in:
01.10.2015 | Geschichte der Urologie
Michel de Montaigne (1533–1592)
“Écrivain philosophe“, Nierensteinpatient und Medizinkritiker
verfasst von:
F.J. Marx
Erschienen in:
Die Urologie
|
Ausgabe 10/2015
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Zusammenfassung
Michel de Montaigne (1533–1592) war der bedeutendste Vertreter des französischen Humanismus des 16. Jahrhunderts. Fragmentarisch verstreut in seinen „Essais“ und in chronologischer Folge im Tagebuch seiner Bäderreise nach Italien schildert er ausführlich sein ihn vom 46. Lebensjahr bis zum Tode begleitendes Nierensteinleiden. Ein zusätzliches Gewicht erhält dieses urologische Selbstzeugnis durch die außergewöhnliche Persönlichkeit des Patienten, der seine Urolithiasis und deren Auswirkungen auf sein eigenes Leben nicht nur aus subjektiver Sicht reflektiert, sondern seine Krankheitserfahrung zum Ausgangspunkt kritischer Überlegungen zu Stellenwert und Grenzen der medizinischen Möglichkeiten seiner Epoche macht. In klarer Erkenntnis der Schwierigkeit ärztlicher Praxis postuliert er eine erfahrungsgestützte rationale Herangehensweise. Besonders interessant ist Montaignes Haltung zu den Ärzten seiner Zeit. Er sieht den Nutzen einer Arztkonsultation für sich und generell für den Patienten nur selten als gegeben an, lastet dies – trotz z. T. heftiger antiärztlicher Invektiven – aber weniger den Ärzten selbst an als dem zwar rational strukturierten, aber noch weitgehend spekulativen, hippokratisch-galenisch geprägten medizinischem Lehrgebäude.