Neue S3-Leitlinie zum Zervixkarzinom

Zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Zervixkarzinoms gibt es seit Mitte Oktober erstmals eine S3-Leitlinie. Mit der neuen stadienorientierten Strategie sollen die Patientinnen nicht nur bestmöglich behandelt, sondern auch vor unnötigen Therapien geschützt werden. Beim Zervixkarzinom steht die Definition des Tumorstadiums jetzt ganz im Vordergrund. Diese sei, so betonte Prof. Mathias Beckmann, Erlangen, die Grundlage für die Therapieentscheidung. Die alte Denkweise, die auf der Einteilung nach Risikokonstellationen beruht, sei überholt, sagte Beckmann, der als einer der beiden Leitlinienkoordinatoren maßgeblich an der Erarbeitung der neuen Empfehlungen beteiligt war. Auf Begriffe wie „lokal fortgeschrittenes Karzinom“, „lokal weit fortgeschrittenes Karzinom“ oder „Mikrokarzinom“ solle man nach Möglichkeit verzichten. Man habe versucht, diese jeweils einem konkreten Stadium zuzuordnen. „Tiefe Stromainfiltration“ bildlich dargestellt Das Tumorstadium wird gemäß der neuen Leitlinie in einem diagnostischen Eingriff annähernd charakterisiert und anschließend entweder intraaoperativ oder ggf. nach Abbruch der Op. weiter definiert. Zur Abklärung dient initial die gynäkologische Untersuchung, ergänzt durch Zytologie und Kolposkopie. Die Konisation ist nur bis maximal Stadium IB1 indiziert. „Darüber“, so Beckmann, „reicht uns die Probe-Exzision“. Die Empfehlungen zur Histologie werden in der Leitlinie durch eine von Pathologen erarbeitete Zeichnung illustriert; damit würde jetzt auch der Begriff „tiefe Stromainfiltration“ erstmals anschaulich vermittelt. CT-Thorax ab Stadium IB2 Um die lokoregionäre Tumorausbreitung zu ermitteln, werden der vaginale Ultraschall und der Nierenultraschall mit einbezogen. Ein MRT-Becken ist indiziert bei Patientinnen mit histologisch gesichertem Zervixkarzinom ab Stadium IB2 und bis einschließlich III. Ebenfalls ab dem Stadium IB2 raten die Experten zusätzlich zum CT-Thorax, um ein simultanes Bronchialkarzinom abzuklären. Davon seien immerhin 5–8% der Patientinnen betroffen. Keinen Stellenwert in der Therapieplanung hat dagegen die PET. „Die Datenlage“, so Beckmann, „gibt es derzeit nicht her.“ Bei 15% der Frauen hätte die PET falsch-positive Befunde mit der Konsequenz einer unnötigen Bestrahlung erbracht. Das Verfahren solle daher speziellen Fragestellungen in der Rezidivsituation vorbehalten bleiben. Behandlung mit einem Therapieansatz möglich? Bis zum Stadium IIA erfolgt die Therapie primär operativ, sofern keine adjuvante Therapie zu erwarten ist und präoperative Risikofaktoren fehlen. Dagegen gelten Zervixkarzinome, die sich nicht mehr mit einem Therapieansatz alleine behandeln lassen, nunmehr grundsätzlich als fortgeschrittene Karzinome, erläuterte Prof. Peter Mallmann, Köln, ebenfalls in koordinierender Funktion an der Leitlinie beteiligt. Die Indikation zur adjuvanten Radiochemotherapie besteht bei Vorliegen von mindestens drei der folgenden Faktoren: L1 V1 G3 Tiefe Stromainvasion Tumorgröße > 4 cm (bulky disease) Adenokarzinom oder adenosquamöses Karzinom Operabilität allein nicht ausschlaggebend So erfüllt beispielsweise eine Patientin mit den Risikofaktoren G3, L1 sowie einer Tumorgröße von > 4 cm auch bei guter Operabilität die Kriterien für ein „fortgeschrittenes Zervixkarzinom“. Auf die Operation wird in diesem Fall verzichtet; die Therapie der Wahl ist die primäre Radiochemotherapie mit der Gabe von Cisplatin als Standard. Von einer ergänzenden Hysterektomie scheinen die Patientinnen in diesem Zusammenhang jedoch nur wenig zu profitieren. Das Leitliniengremium hat sich daher entschlossen, diesen Eingriff nicht zu empfehlen, weder vor noch nach der Bestrahlung. Stoße man beispielsweise während der Op. auf befallene Lymphknoten, raten die Experten zum Abbruch. „Das war dann ein diagnostischer Eingriff, kein therapeutischer“, sagte Mathias Beckmann. Im Zuge des Eingriffs sollten lediglich die befallenen Lymphknoten entfernt werden. Die Lymphknotenmetastasierung ist dem Experten zufolge der Hauptrisikofaktor. Dabei gilt die paraaortale Metastasierung als Fernmetastase und wird damit als M (!) klassifiziert. Stadium III: operatives Staging obligat Im Stadium III ist das operative Staging mit Entfernung der makroskopisch tumorbefallenen Lymphknoten obligat. Das gelte auch dann, wenn der Tumor nicht operabel ist, betonte Mallmann. Somit könne die Ausbreitung histologisch verifiziert werden. Als Alternative zur Radiochemotherapie besteht die Option einer neoadjuvanten Chemotherapie. Dies gelte, so Mallmann, „für Risikosituationen, die wir potenziell als operabel einschätzen“. Dadurch lasse sich der Tumor verkleinern und damit die Operabilität zumindest theoretisch verbessern. Auch die Inzidenz positiver Lymphknoten oder einer parametrialen Infiltration werde dadurch verringert. Patientinnen vor zu viel Therapie schützen Insgesamt geht es den Autoren der neuen Leitlinie auch darum, die Patientin vor zu viel Therapie zu schützen. Im Stadium IVA ist denn auch die Radiochemotherapie die erste Wahl. Operiert werden sollte hier nur in ausgesuchten Fällen. Beckmann: „Wir sind sehr zurückhaltend mit der Exenteration.“ Diese komme nur infrage, wenn keine Lymphknoten betroffen sind. Nur dann habe die Patientin die Chance auf ein Langzeitüberleben, wenn auch um den Preis einer hohen Morbidität. Im Stadium IVB ist die palliative Systemtherapie die Therapie der Wahl. Dabei ist erstmals in einer Leitlinie zum Zervixkarzinom nun auch die „Best Supportive Care“ enthalten. Hier verwies Beckmann auf die neue S3-Leitlinie Palliativmedizin, die ebenfalls vor Kurzem abgeschlossen wurde.

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