Fiebersenkung mit Paracetamol offenbar nutzlos

Unter der Vorstellung, dass hohes Fieber den Zustand von Patienten mit schweren krankenhauspflichtigen Infektionen weiter verschlechtert, ist eine medikamentöse Fieberabsenkung üblich. Die Evidenz zu deren Nutzen ist aber schwach. In einer aktuellen Studie war nun mit Paracetamol kein Vorteil erkennbar. Fragestellung Bringt eine konsequente Fiebersenkung mit Paracetamol bei Intensivpatienten Vorteile in klinisch wichtigen Endpunkten? Hintergrund Zumindest für den septischen Schock gibt es randomisierte kontrollierte Untersuchungen, die belegen, dass die externe Kühlung mit einem geringen Katecholaminbedarf und einer niedrigeren Intensivsterblichkeit einhergeht [1]. Demgegenüber sind aus physiologisch orientierten Studien positive Effekte einer erhöhten Temperatur bei der Infektabwehr bekannt. Patienten und Methoden Eingeschlossen wurden Patienten mit vermuteter oder gesicherter Infektion und einer Körpertemperatur von ≥38°C innerhalb von 12 Stunden vor Studieneinschluss. Ausgeschlossen wurden u.a. Patienten mit zerebralen Erkrankungen oder Leberfunktionsstörungen. In einem randomisiert-kontrollierten Design erhielten die Patienten verblindet entweder 1g Paracetamol oder 5%-Dextrose (Placebo) alle 6 Stunden jeweils in 100 ml Infusionslösungen intravenös bis zum Tag 28 oder dem Erreichen eines Abbruchkriteriums (Entlassung aus der Intensivtherapie, Fieberende, Beendigung der antimikrobiellen Therapie, Entwicklung einer Kontraindikation gegen Paracetamol oder Tod). Bei Temperaturen ≥39,5°C war eine zusätzliche physikalische Kühlung erlaubt. Der primäre Endpunkt war definiert über „intensivfreie Tage“ bis Tag 28 (kombinierter Endpunkt: tatsächliches Überleben oder keine Intensivpflichtigkeit mehr). Sekundäre Endpunkte umfassten u.a. die 28- und 90-Tage Sterblichkeit, die Intensiv- und Krankenhausaufenthaltsdauer, sowie Krankenhaus-, Beatmungs-, Katecholamin- und dialysefreie Tage. Darüber hinaus wurden auch physiologische Parameter und Laborwerte erfasst (z. B. mittlere und maximale axilläre Temperatur, C-reaktives Protein, Kreatinkinase und Kreatinin). Ergebnisse Im Zeitraum von Februar 2013 bis Juli 2014 wurden aus 23 Intensivstationen 690 Patienten in die Analyse eingeschlossen („intention to treat“), wobei davon 346 Patienten Paracetamol und 344 Patienten Placebo erhielten. Häufigste Infektionsorte waren die Lunge und das Abdomen. Die meisten Patienten hatten eine Sepsis oder sogar schwere Sepsis. Erwartungsgemäß hatten die Patienten der Paracetamolgruppe eine signifikant niedrigere mittlere als auch maximale Körpertemperatur. Demgegenüber war die Zahl der intensivfreien Tage (primärer Endpunkt) in der Paracetamolgruppe (23 Tage, IQR 13-25) gegenüber der Placebogruppe (22 Tage, IQR 12-25) nicht signifikant unterschiedlich. Ebenso ergaben sich keine Unterschiede hinsichtlich 28- und 90-Tage also auch den übrigen sekundären Endpunkten und Nebenwirkungen (z.B. Leberenzymerhöhungen). Immerhin war in der Subgruppe der Patienten, die gestorben waren, bei jenen mit Verum ein längerer Intensivaufenthalt zu verzeichnen. Umgekehrt war bei Überlebenden der Intensivaufenthalt in der Paracetamolgruppe kürzer. Schlussfolgerung Die Fiebersenkung mit Paracetamol hat bei Intensivpatienten mit gesicherter oder vermuteter Infektion keinen signifikanten Effekt auf die intensivfreien Tage. Kommentar von Prof. Dr. med. Stephan Budweiser "Ergebnisse beziehen sich nur auf die frühe Paracetamol-Gabe" Prof. Dr. med. Stephan Budweiser, Rosenheim Springer Medizin × Diese Studie adressiert eine klinisch äußerst relevante Fragestellung. Tatsächlich wird Fieber in der klinischen Praxis als ein unheilvolles Zeichen wahrgenommen und meistens zumindest in der Klinik konsequent therapiert. Dabei dürfte in den meisten Kliniken in erster Linie die oft einfachere Variante der medikamentösen Fiebersenkung favorisiert werden. Tatsächliche Evidenz für dieses Vorgehen, gerade bei schwer kranken, intensivpflichtigen Patienten gab es bisher allerdings kaum. In der vorgelegten Arbeit konnte durch die intravenöse Gabe kein Effekt auf den kombinierten Endpunkt „intensivfreie Tage“ gefunden werden. Lediglich in den jeweiligen Subgruppen von Patienten die überlebt hatten bzw. gestorben waren, waren Vorteile in der Paracetamolgruppe im Sinne eines kürzeren bzw. längeren Intensivaufenthaltes fassbar. Das Ergebnis, dass eine konsequente Fiebersenkung mit Paracetamol das Ableben zumindest verzögert haben könnte, deckt sich immerhin mit den Beobachtungen einer kürzlich publizierten Arbeit, die retrospektive Daten ausgewertet hatte [2]. Dennoch kann dies nicht mehr sein als eine Hypothese, die in weiteren Studien prospektiv zu prüfen ist. Denkbar ist ja beispielsweise auch, dass fieberfreie Patienten einfach nur schneller auf eine Normalstation verlegt wurden. Da die Studienmedikation im Schnitt nur achtmal (Paracetamol-Gruppe) bzw. neunmal (Placebogruppe) gegeben wurde und nach Beendigung der Studienmedikation die Gabe von generell Paracetamol erlaubt und jeweils in etwa einem Drittel der Fälle auch gegeben wurde, sind die Ergebnisse ausschließlich auf die frühe Gabe von Paracetamol bezogen. Unklar ist auch, ob sich der fehlende klinische Nutzen von Paracetamol auch auf andere antipyretische Substanzen wie z. B. Novaminsulfon oder nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) übertragen lässt. Ein gewisser Widerspruch ergibt sich auch zu der erwähnten Studie, in der die Kühlung der ausschließlich beatmeten Patienten physikalisch erfolgte und damit sowohl eine Reduktion der Vasopressoren-Dosis als auch der Mortalität erreicht werden konnte [1]. Die vorliegende Studie zeigt jedenfalls, dass die Fiebersenkung mit Paracetamol nicht nachteilig ist und meist auch keine vermehrten Nebenwirkungen (z. B. Hepatotoxizität) zu befürchten sind. Der Aspekt der Lebensqualität bzw. subjektiven Symptomatik wurde leider komplett ausgeklammert. Tatsächlich war etwa nur die Hälfte der Patienten zumindest vorübergehend invasiv beatmet. Die andere Hälfte der Patienten hat sich mit der niedrigeren Körpertemperatur durch die Gabe von Paracetamol vermutlich besser gefühlt – das wissen wir ja alle aus eigener Erfahrung. Literatur [1] Schortgen F, Clabault K, Katsahian S, et al. Fever control using external cooling in septic shock: a randomized controlled trial. Am J Respir Crit Care Med 2012; 185: 1088-95. [2] Suzuki S, Eastwood GM, Bailey M, et al. Paracetamol therapy and outcome of critically ill patients: a multicenter retrospective observational study. Crit Care 2015; 19: 162.

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