Erschienen in:
01.10.2015 | Posttraumatische Belastungsstörung | editorial
Prävention und Therapie von psychiatrischen Traumafolgeerkrankungen bei Flüchtlingen
verfasst von:
Prof. Dr. med. Mathias Berger
Erschienen in:
InFo Neurologie + Psychiatrie
|
Ausgabe 9/2015
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Auszug
Bereits in diesem Jahr werden in Deutschland annähernd eine Million Flüchtlinge und Asylbewerber — hauptsächlich aus Kriegsgebieten — erwartet. Ein Großteil der Erwachsenen und Kinder hat kriegsbedingten Extremstress, Todesangst, Gewalt, Vergewaltigungen, Hass und Demütigungen erlebt. Allgemein geht man davon aus, dass solche Traumatisierungen bei bis zu 50 % der Betroffenen eine psychiatrischen Folgeerkrankung wie posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Depression, Angst- oder Suchterkrankung nach sich ziehen können. Unbehandelt besteht eine hohe Gefahr zur Chronifizierung. Demnach muss man — vorsichtig geschätzt — mit 100.000 bis 200.000 Menschen mit einem entsprechenden Behandlungs- beziehungsweise Präventionsbedarf rechnen. Zwar gibt es sowohl für die Prävention als auch Behandlung von posttraumatischen Störungsbildern gut etablierte und evidenzbasierte psychotherapeutische Verfahren. Diese kommen jedoch wegen der Sprach- und Kulturbarrieren und des in der Regel ungewöhnlich hohen zeitlichen Aufwands für Flüchtlinge nicht eins zu eins infrage. Bei den jetzt von der Bundesregierung für 2016 eingeplanten Sondermitteln von drei Milliarden Euro sind Kosten für die Behandlung psychischer Folgen nach Extrembelastungen nicht erwähnt. Die Aufnahmerichtlinien für Asylbewerber schließen inzwischen zwar das Recht auf psychotherapeutische Behandlung ein, jedoch sind notwendige Anstrengungen, die erforderlichen Schritte einzuleiten, bisher nicht erkennbar. Wir brauchen auf jeden Fall eine große Zahl sogenannter geschulter Sprach- und Kulturmittler, die nicht durchweg diplomierte Dolmetscher sein müssen, sowie Therapeuten, die geeignete Präventions- und Therapieverfahren für traumatisierte Flüchtlinge und Asylbewerber durchführen können. Dabei dürften Stepped-Care-Modelle und vor allen Dingen Kurzzeitverfahren unabdingbar sein. …