Erschienen in:
01.10.2014 | Originalien
Prozesssteuerung in der Akutschmerztherapie
Eine Analyse des Organisationsgrades angewandter Behandlungsstandards
verfasst von:
Dr. J. Erlenwein, M.I. Emons, A. Hecke, N. Nestler, M. Przemeck, M. Bauer, W. Meißner, F. Petzke
Erschienen in:
Der Schmerz
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Ausgabe 5/2014
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Zusammenfassung
Hintergrund
Ziel der Arbeit ist die Analyse des Organisationsgrades verschiedener schriftlicher Behandlungsstandards zur Akutschmerztherapie und die Ableitung und Definition typischer, aber strukturell unterschiedlicher Modelle.
Methode
Insgesamt 85 Krankenhäuser stellten ihre schriftlichen Behandlungsstandards zur Analyse zur Verfügung. Eingeschlossen in die Analyse wurden Standards aus 76 Häusern sowie ein Standard ohne Klinikbezug (da in mehreren Häusern verwendet), die definierte Zielprozesse behandelten. Die vorgegebenen Handlungsfolgen wurden theoretisch durchgespielt und in einem mehrstufigen Bewertungsprozess Prozesstypen identifiziert und charakterisiert.
Ergebnisse
Eingeschlossen in die Auswertung wurden 148 Standards. Vier Prozesstypen mit jeweils zunehmendem Organisationsgrad wurden beschrieben („Standardisierte Anordnung“, „Stufenschema“, „Algorithmus“, „Therapiepfad“). Die Zuordnung der Standards zu den vier Typen ergab folgende Verteilung: 27 % (n = 40) „Standardisierte Anordnung“, 47 % (n = 70) „Stufenschema“, 22 % (n = 33) „Algorithmus“, 4 % (n = 5) „Therapiepfad“. Modelle mit höherem Organisationsgrad enthalten mehr Steuerungselemente wie z. B. Handlungs- und Interventionstrigger bzw. Sicherheits- und Kontrollinstanzen. Sie gingen auch meist mit einer formal besseren Verfügbarkeit der Medikation einher. Bei Modellen mit niedrigerem Organisationsgrad unterlagen die unmittelbaren Handlungsfolgen stärker individuellen Entscheidungen, was sich, ohne dies quantifizieren zu können, besonders beim Durchspielen der aus den Angaben hervorgehenden Handlungsfolgen zeigte. Schnittstellen zwischen Arbeitsbereichen und eine die Abteilungsgrenzen übergreifende Gültigkeit wurden nur in einem Teil der Behandlungsstandards berücksichtigt. Die Konzepte aus Kliniken mit zertifizierter (Akut-)Schmerztherapie waren prozessorientierter ausgerichtet. Für Kinder fanden sich anteilig häufiger Konzepte mit niedrigerem Organisationsgrad und weniger Steuerungselementen.
Schlussfolgerung
Erstmals wurde eine große Stichprobe angewandter Behandlungsstandards zur Akutschmerztherapie, fokussiert auf den Organisationsgrad und die mögliche Einflussnahme auf Handlungsabläufe, analysiert. Die Analyse zeigt, wie unterschiedlich die Systematik und vermutlich auch Zielsetzung der verschiedenen Konzepte sind. Der Teil der analysierten Behandlungsstandards mit niedrigerem Organisationsgrad vermag letztendlich nur die Zuordnung einer bestimmten Medikation zu einer entsprechenden Patientengruppe zu regeln, bei vermutlich erheblicher Notwendigkeit an implizitem Wissen der Mitarbeiter. Als Forderung lässt sich ableiten, dass in derartigen Behandlungsstandards nicht nur die bevorzugte Therapie, sondern auch das Zusammenspiel der Akteure definiert sein sollte. Zu prüfen bleibt, ob ein Standard mit niedrigem Organisationsgrad, der vergleichsweise mehr implizites Wissen und einen höheren Grad eigenverantwortlichen Handelns z. B. auch beim nichtärztlichen Personal voraussetzt, im Spannungsfeld wechselnden Personals und dynamischer Anforderungen durch die wechselnde Schmerzsituation ausreicht, um dem Patienten eine effiziente Therapie zukommen zu lassen.