Erschienen in:
01.03.2016 | Originalien
Retrospektive Berechnung des ISS bei polytraumatisierten Patienten
Fehlerquellen und Anforderungen an den radiologischen Befund der Ganzkörper-CT
verfasst von:
Dr. V. Bogner, M. Brumann, T. Kusmenkov, K.G. Kanz, M. Wierer, F. Berger, W. Mutschler
Erschienen in:
Die Unfallchirurgie
|
Ausgabe 3/2016
Einloggen, um Zugang zu erhalten
Zusammenfassung
Hintergrund
Das Ausmaß der Verletzungsschwere polytraumatisierter Patienten wird vielfach durch die Berechnung des international etablierten „Injury Severity Score“ (ISS) objektiviert. Diesem Score liegt die AIS („Abbreviated Injury Scale“) zugrunde, die jeder einzelnen Verletzung jeder Körperregion eine Ziffer zur Schweregradermittlung zuordnet. Es stellte sich die Frage, inwieweit die präzise Errechnung des ISS anhand des radiologischen Ganzkörper-CT-Befunds möglich ist, ob es gewisse Schwankungen in der Interpretation der CT-Befunde gibt und welche Anforderungen an den Inhalt des radiologischen Befunds gestellt werden müssen, um daraus eine zuverlässige ISS-Bestimmung abzuleiten.
Material und Methoden
Eingeschlossen wurden 81 volljährige polytraumatisierte Patienten, die in unserer Klinik der Maximalversorgung über den Schockraum aufgenommen wurden. Basierend auf dem schriftlichen radiologischen Befund des Ganzkörper-Spiral-CT wurde anhand der AIS der ISS berechnet. Bei ungenügend beschriebenen Befunden wurde die maximal und die minimal mögliche AIS der jeweiligen Verletzung beziffert und daraus der ISSmin und ISSmax berechnet. Die Unterschiede der ISS-Berechnung wurden mittels Kruskal-Wallis-Test ausgewertet und mit dem von uns tatsächlich errechnetem ISS korreliert. Der tatsächliche ISS wurde durch die Bewertung der jeweiligen CT-Bilder zusätzlich zum schriftlichen CT-Befund erhoben. Dies erfolgte unabhängig durch 4 Unfallchirurgen, Unklarheiten und Differenzen wurden im Diskurs geklärt.
Ergebnisse
Die Berechnung der tatsächlichen ISS-Werte (ISSreal) ergab ISS-Werte von 17–75 bei durchschnittlich 38,6 (± 1,3 SEM) Punkten. Die statistische Auswertung anhand des radiologischen Befunds ergab im Mittel einen maximalen ISS von 48,3 Punkten (± 1,4 SEM) und einen mittleren minimalen ISS von 24,0 Punkten (± 0,7 SEM). Der im Konsens von 4 Unfallchirurgen ermittelten tatsächlichen ISS-Werte lagen zwischen 17 und 75 bei durchschnittlich 38,6 (± 1,3 SEM) Punkten. Alle drei Mittelwerte sind jeweils zueinander hochsignifikant unterschiedlich mit einer Signifikanz von p < 0,001. Die Differenz zwischen Maximal- bzw. Minimalwerten und dem jeweiligen tatsächlichen ISS waren ausgeprägt gestreut: bei den Minimalwerten reichte sie von 0–51 Punkten, bei den Maximalwerten von 0–32 Punkten. Im Mittel betrug die nach oben mögliche Abweichung 9,7 (± 0,9 SEM) und nach unten 14,5 (± 1,1 SEM) Punkte. Auch hier waren Maximal- und Minimaldifferenz hochsignifikant unterschiedlich mit p < 0,001.
Schlussfolgerung
Die Objektivierung der Verletzungsschwere polytraumatisierter Patienten anhand des ISS ist international anerkannt und wird sowohl für klinische als auch wissenschaftliche Fragestellungen häufig angewandt. Werden die radiologischen CT-Ganzkörperbefunde nicht in Kenntnis und Anlehnung an die AIS erstellt, ist eine retrospektive ISS-Auswertung ungenau und signifikant fehlerbehaftet. Dies kann erhebliche Konsequenzen für die Qualität klinischer und experimenteller Datenanalysen mit sich bringen und sollte daher insbesondere in dieser Hinsicht Berücksichtigung finden.