smart medication: Telemedizin für Hämophilie-Patienten

Hämophilie-Patienten können ihre Medikation zu Hause selbst anpassen – wenn ihnen der Arzt dabei aus der Ferne zuschaut. Ein Telemedizin-Projekt, das Ärzte entwickelt haben, etabliert sich zusehends als Standard. Die Telemedizin lernt laufen. Nicht bei jedem guten Projekt, aber doch bei vielen Vorhaben, die Patienten im Alltag Erleichterung oder eine bessere Behandlung ermöglichen, sind Fortschritte zu erkennen. Es geht zwar oft langsam voran, aber immerhin. Ein Beispiel für ein solches zunehmend erfolgreiches Projekt ist „smart medication“, eine Telemedizinplattform für Patienten mit angeborener Hämophilie. Angestoßen wurde die Plattform von den beiden Hämostaseologen Dr. Hartmut Pollmann aus Münster und Dr. Wolfgang Mondorf aus Frankfurt, die Software wurde von Dr. ing. Andreas Rösch von der Philipps Universität Marburg programmiert. Anfang des Jahres wurde das Projekt mit dem dritten Preis des Wettbewerbs „Die innovative Arztpraxis 2013“ ausgezeichnet, der von der Fachverlagsgruppe Springer Medizin und vom Biopharmaunternehmen UCB jährlich ausgerichtet wird. Die Behandlung von Hämophilie-Patienten ist besonders gut geeignet für den Einsatz von Telemedizin: Sie brauchen intensive Betreuung – es gibt aber nur wenige Spezialisten. Die Folge: Die Wege zum nächsten Hämophilie-Zentrum sind oft weit. Für Pollmann und Mondorf war das der Ansporn, eine telemedizinische Anwendung für die ärztlich kontrollierte Heimselbstbehandlung zu entwickeln. Patienten führen digitales Tagebuch Das Hauptproblem von Hämophilie-Patienten sind bekanntlich auftretende Blutungen und Einblutungen, zum Beispiel in Gelenke oder in Muskeln. Über eine App können die Patienten in „smart medication“ nun Blutungen und Selbstbehandlung eingeben und mit dem Arzt Kontakt aufnehmen und auch Bilder senden. Die Patienten führen zudem ein Tagebuch im Portal. Der Arzt, der beim Telemonitoring von einer geschulten Hämophilie-Assistentin unterstützt wird, weiß dadurch sehr gut über den Zustand des Patienten Bescheid und hat auch im Blick, wann der Vorrat an Medikamenten zur Neige geht. Das Projekt wurde von den Krankenkassen lange als Spielerei belächelt, wie Pollmann noch beim Round Table anlässlich der Verleihung des Innovationspreises zu berichten wusste. Doch die Idee setzt sich zunehmend durch: Ende 2012 nutzten noch sieben Hämophiliezentren und 104 Patienten die Plattform für die Heimselbstbehandlung, Anfang 2014 waren es dann 25 Zentren und 260 Patienten. Aktuell sei die Zahl der Zentren auf 30 und die der Patienten auf 340 gestiegen, wie Mondorf auf Anfrage berichtet. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es etwa 3000 Hämophilie-Patienten in Deutschland. Derzeit liefen zudem Schulungen für Hämophilie-Assistentinnen aus weiteren Zentren – das Wachstum gehe also weiter. Erste Kontakte zu den Kassen Nach der Auszeichnung für das Projekt sind auch die Krankenkassen auf die Initiative aufmerksam geworden, erste Kontakte mit dem GKV-Spitzenverband habe es gegeben, seitdem aber keine Rückmeldung, berichtet Mondorf. Der Weg der Telemedizin für Hämophilie-Patienten in die Regelversorgung sei noch weit. Dabei könnten die Krankenkassen jedenfalls bei manchen Patienten durchaus von der engmaschigen Kontrolle der Selbstbehandlung profitieren: „Der Faktorverbrauch wird individualisiert, je nach Bedarf“, beschreibt Mondorf das Vorgehen. Bei Patienten, die über Monate gar keine Blutungen haben, „versuchen wir, vorsichtig die Faktordosis zu reduzieren“. Bei manchen Patienten lasse der Verbrauch dadurch drastisch reduzieren. Selektivvertrag als Ziel Ziel bleibt weiter ein Selektivvertrag, über den die telemedizinische Versorgung finanziert würde. Pollmann und Mondorf haben in den vergangenen Jahren immer wieder eigenes Geld in die Entwicklung des Projekts gesteckt und nichts davon zurückerhalten. Teilweise habe es auch Spenden aus der Industrie für die Weiterentwicklung gegeben – was seit kurzem erleichtert wird, weil der Verein, der hinter „smart medication“ steht, nun gemeinnützig ist. Nach vielem Hin und Her habe das Finanzamt die Gemeinnützigkeit schließlich anerkannt, weil der Verein im Sinne der „Weiterentwicklung der telemedizinischen Anwendung und der wissenschaftlichen Auswertung der Daten“ arbeite, erläutert der Hämostaseologe. Weiterentwicklung, das heißt für Mondorf und Pollmann auch, dass die Idee im Ausland ausgerollt wird – in der Schweiz gründet sich derzeit das Schweizer Hämophilie Netzwerk, das „smart medication“ als System nutzt. Außerdem sollen weitere Indikationen in die Plattform einbezogen werden. Er habe vor Kurzem mit Selbsthilfegruppen von Patienten mit Immunthrombozytopenie (M. Werlhof) gesprochen, die ebenfalls von einer telemedizinisch überwachten Heimselbstbehandlung profitieren könnten, zum Beispiel indem eine Kortisonüberdosierung reduziert werde, berichtet Mondorf. „Die Resonanz war ausgesprochen groß.“ Daraus habe sich nun bereits ein Projekt ergeben, das vermutlich noch in diesem Jahr in die Pilotphase eintreten werde. In einem kürzlich veranstalteten Symposium habe sich gezeigt, dass „smart medication“ den „ersten Schritt in die Normalität der Versorgung von Hämophilie-Patienten getan“ habe. Die Teilnehmer des Symposiums wollen nun weiter bundesweit für einen nutzenbringenden, effektiven und finanzierten Einsatz werben, um die Behandlung von Hämophilie-Patienten in der Zukunft weiter zu verbessern – mit dem Ziel der Blutungsfreiheit in den großen Gelenken. Innovationspreis 2014 - Bewerben Sie sich jetzt mit innovativen Ideen für die Praxis! Haben Sie eine innovative Idee, die Sie in Ihrer Praxis umsetzen wollen oder umgesetzt haben? Haben Sie Ihre Praxis perfekt organisiert, so dass Sie dem Versorgungsdruck durch immer mehr Patienten standhalten können, ohne selbst eine immer höhere Arbeitsleistung erbringen zu müssen? Haben Sie pfiffige Ideen, wie Sie Ihr Team motivieren können? Arbeiten Sie effizient mit moderner Medizintechnik, mit Hard- oder Software? Wenn Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten können oder anderweitig in Ihrer Praxisführung innovatives Potenzial sehen, dann machen Sie mit beim Wettbewerb „Die innovative Arztpraxis 2014“. Dabei geht es gerade auch um „kleine“ Ideen, die den Praxisalltag vereinfachen oder Patienten helfen, die den Umgang im Praxisteam verbessern oder die Kommunikation mit Patienten effizienter gestalten. Der Preis ist eine Initiative des Biopharmaunternehmens UCB und der Verlagsgruppe Springer Medizin. Der Wettbewerb wird 2014 übrigens bereits zum vierten Mal ausgeschrieben. Teilnehmer am Wettbewerb können mit Ihrer Idee eine von drei Praxisberatungen vom Unternehmen HCC BetterCare (Köln) gewinnen. Die Bewerbung kann online mittels eines Formulars, über das Sie Ihre Idee und die Umsetzung kurz beschreiben können. Ihre Daten werden nur zur Ermittlung der Gewinner verwendet und nicht an Dritte weitergeleitet. Es geht darum, zu zeigen, worin der innovative Charakter Ihrer Idee besteht: ob sie die Patienten-Versorgung verbessern oder die Wirtschaftlichkeit Ihrer Praxis stärken kann oder ob Sie mit Ihrer Idee technisches Neuland betreten. Sie können auch weitere Dokumente zur näheren Beschreibung Ihrer Idee und der Umsetzung hochladen. Eine unabhängige Jury entscheidet über die drei Preisträger. Im Nachgang zum Wettbewerb werden die spannendsten Projekte und Praxen den Lesern der Springer Medizin Verlagsgruppe vorgestellt. Bewerbung bis 30. November

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

smart medication: Telemedizin für Hämophilie-Patienten

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Neu im Fachgebiet Innere Medizin

Parodontalbehandlung verbessert Prognose bei Katheterablation

Antihypertensiva schützen auch alte Menschen noch vor Demenz

Stereotaktische Radiatio schlägt konventionelle Bestrahlung

Denken Sie bei starker Blutung auch an die Hemmkörper-Hämophilie

Update Innere Medizin