Streit um Entlassmanagement

Das Entlassmanagement soll ein Teil der Behandlung im Krankenhaus werden. Fachleute fürchten den Aufbau von Bürokratie und Zuständigkeits-Wirrwarr. Bei der Entlassung von Patienten aus der Klinik entstehen häufig blinde Flecken der Versorgung. „Es gibt große Defizite. Die Kommunikationsbrüche sind unübersehbar“, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbands Ulrich Weigeldt bei einer Diskussionsveranstaltung des IKK-Bundesverbands in Berlin. Die Kommunikation im Gesundheitswesen müsse endlich einen Stand erreichen, der 1989 überhole, sagte Weigeldt. Fachleute weisen bei der Ursachenforschung auch auf den wachsenden Personalmangel in beiden Sektoren hin. Die Defizite an den Schnittstellen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung scheinen schwer quantifizierbar zu sein. Professor Günther Ollenschläger, der bis vergangenes Jahr das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) leitete, wich auf Indizien aus. Wenn Zahlen internationaler Untersuchungen nahe legten, dass es in Deutschland mit die höchsten Amputationsraten bei Diabetikern gebe, weise dies auf Schnittstellenprobleme hin. Weitere Hinweise zog er aus einer Untersuchung der Universität Witten-Herdecke. Demnach äußerten sich rund 90 Prozent der Patienten bei der Entlassung positiv über die Akutschmerztherapie, zwei Wochen danach nur noch etwa 60 Prozent. Das Problem ist erkannt. „Das Thema ist bei den Krankenhäusern angekommen“, sagte Ollenschläger. Mit der wissenschaftlichen Begleitung scheint es aber zu hapern. Er verwies auf eine Analyse des Deutschen Krankenhaus-Instituts, laut der weniger als die Hälfte der Kliniken überhaupt nachhalte, was mit ihren Investitionen ins Entlassmanagement geschehe. Die Regierungspläne zum Entlassmanagement werden bislang nur verhalten aufgenommen. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass nur Patienten in das Entlassmanagement einbezogen werden können, von denen eine schriftliche Einwilligung dazu vorliege. Gerade dem Kreis schwer beeinträchtigter Menschen würden somit Steine in den Weg gelegt, heißt es dazu aus verschiedenen Richtungen. Offen ist auch, wie sich dies auf Patienten auswirkt, die aus dem Krankenhaus übergangslos in die Kurzzeitpflege wechseln sollen. Technische Probleme führt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, gegen den Regierungsentwurf ins Feld. Es könne zu Falsch- und Fehleinschätzungen über Beginn und Ende der Zuständigkeit der Krankenhäuser kommen, sagte Baum bei der Expertenanhörung zum Versorgungsstärkungsgesetz im Gesundheitsausschuss. Er fürchte, dass niedergelassenen Ärzten Vergütungsansprüche gegen Krankenhäuser entständen. Die DKG plädiere deshalb dafür, den Passus zu streichen und auf das individuelle Zusammenspiel von Kliniken und niedergelassenen Ärzten zu setzen. Die Allzuständigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses und seiner Trägerorganisationen nahm der Vorsitzende der AOK-Baden-Württemberg ins Visier. Der Gesetzgeber solle die Regelungskompetenz für das Entlassmanagement an die regionale Ebene delegieren, forderte Dr. Christopher Hermann. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen setzt auf die Zukunft. Schon bei der Ausbildung müsse die sektorenübergreifende Zusammenarbeit eingeübt werden, sagte er vor dem Ausschuss. Kommentar von Anno Fricke: Entlassmanagement? Der Passus zum Entlassmanagement im Versorgungsstärkungsgesetz enthält noch nicht aufgelöste Widersprüche. Das Entlassmanagement wird an die schriftliche Einwilligung des Patienten geknüpft. Zu Recht weisen Gesundheitsökonomen darauf hin, dass dies ein Pferdefuß für die wirklich Benachteiligten sein könne, Menschen, die nicht in der Lage sind, die Unterlagen zum Entlassmanagement zu verstehen und zu unterschreiben. Es ist zwar richtig, dass sich Menschen an der Schwelle zur Unmündigkeit vertreten lassen können. Der Grundgedanke eines reibungslosen Übergangs von der Station in die Betreuung durch den Hausarzt oder in ein Pflegeheim wird durch die Vorgaben konterkariert. Ausgerechnet die, die mit der Compliance ihre liebe Not haben, werden schlechter gestellt als die, die damit umgehen können. Es fehlt an einer systematischen Evaluation des Entlassmanagements, auf deren Ergebnissen der Gesetzgeber das Machbare identifizieren und eine annehmbare Lösung hätte finden können. Was nun ins Gesetzblatt soll, wirkt aber eher wie eine Kapitulation vor dem schier unauflösbaren Knäuel gegenseitigen Misstrauens, in dem die Vertreter des stationären Sektors und ein Teil der Vertragsärzte verharren. Patientenorientierung sieht anders aus. Schreiben Sie dem Autor: Anno.Fricke@springer.com

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