Die deutsche Gesellschaft sieht sich einer zunehmenden Alterung gegenüber. Dies liegt an einer sinkenden Geburten- wie auch Sterberate [
24]. Diese demografische Verschiebung betrifft auch die Wirtschaft, sodass heutzutage mehr als jeder 4. Arbeitnehmer (27 %) 50 Jahre oder älter, jedoch nur jeder 5. Arbeitnehmer unter 30 Jahre alt ist [
9]. Unternehmen sehen sich daher zunehmend vor der Herausforderung, qualifizierte Nachwuchskräfte zu finden und erfahrene, ältere Mitarbeiter bis zur Rente im Unternehmen zu halten. Die vorliegende Studie untersucht die Faktoren Arbeitsfähigkeit und körperliche Aktivität im Altersvergleich bei Arbeitnehmern eines mittelständischen Unternehmens.
Ergebnisse
Das Probandengut besteht aus 116 Männern (78,38 %) und 32 Frauen (21,62 %). Der kaufmännische Tätigkeitsbereich (KA) umfasst 100 Personen (67,57 %), der gewerbliche Bereich (GA) 48 Personen (32,43 %). Das Probandenalter beträgt im Mittel 40,85 ± 10,07 Jahre. Die Altersgruppen umfassen 26 (AG1), 91 (AG2) und 31 Mitarbeiter (AG3). Auffällig ist, dass gewerbliche Mitarbeiter v. a. in Altersgruppe AG2 zu finden sind (Tab.
1).
Tab. 1
Anthropometrische Daten des Probandenguts
Geschlecht | Männlich | 116 (78,38) |
Weiblich | 32 (21,62) |
Gesamt
|
148 (100)
|
Alter | x ± s | 40,85 ± 10,07 |
18–29 (AG1) | Gesamt | 26 (17,57) |
Kaufmännisch | 23 (15,54) |
Gewerblich | 7 (2,03) |
30–49 (AG2) | Gesamt | 91 (61,49) |
Kaufmännisch | 53 (35,81) |
Gewerblich | 38 (25,68) |
50–65 (AG3) | Gesamt | 31 (20,95) |
Kaufmännisch | 24 (16,22) |
Gewerblich | 9 (4,73) |
Gesamt
|
148 (100)
|
Tätigkeit | Kaufmännisch | Gesamt | 100 (67,57) |
AG1 | 23 (15,54) |
AG2 | 53 (35,81) |
AG3 | 24 (16,22) |
Gewerblich | Gesamt | 48 (32,43) |
AG1 | 7 (4,73) |
AG2 | 38 (21,62) |
AG3 | 9 (6,08) |
|
Gesamt
|
148 (100)
|
Hinsichtlich der Tätigkeit zeigen beide Gruppen eine gute Arbeitsfähigkeit. KA (43 ± 3,93) weisen jedoch eine signifikant bessere Arbeitsfähigkeit (
p = 0,001) als GA (40 ± 4,14) auf. Auch im Altersvergleich erreichen alle Gruppen eine gute Arbeitsfähigkeit. Gruppe AG1 erzielt einen höheren WAI-Score (43 ± 4,51) als die Gruppen AG2 (42 ± 3,93) und AG3 (41 ± 4,38). Das Ergebnis der Varianzanalyse ist jedoch nicht signifikant (
p = 0,225, Tab.
2). Innerhalb der Tätigkeitsbereiche wird deutlich, dass Ältere (AG3) jeweils die niedrigste Arbeitsfähigkeit aufweisen. Signifikante Unterschiede bestehen nicht. Dagegen wird deutlich, dass der signifikante Unterschied zwischen KA und GA in den Differenzen innerhalb der Altersgruppen AG2 und AG3 begründet liegt (Tab.
2).
Tab. 2
Arbeitsfähigkeit im Tätigkeits- und Altersvergleich (n = 148)
WAI
| KA | 100 | 43 ± 3,93 | 0,001 |
GA | 48 | 40 ± 4,14 |
AG1 | 26 | 43 ± 4,51 | 0,225 |
AG2 | 91 | 42 ± 3,93 |
AG3 | 31 | 41 ± 4,38 |
KA | AG1 | 23 | 43 ± 4,64 | 0,563 |
AG2 | 51 | 43 ± 3,40 |
AG3 | 24 | 42 ± 4,34 |
GA | AG1 | 7 | 41 ± 3,40 | 0,492 |
AG2 | 28 | 41 ± 4,30 |
AG3 | 9 | 39 ± 3,50 |
AG1 | KA | 23 | 43 ± 4,64 | 0,169 |
GA | 10 | 41 ± 3,40 |
AG2 | KA | 51 | 43 ± 3,40 | 0,008 |
GA | 26 | 41 ± 4,30 |
AG3 | KA | 24 | 42 ± 4,34 | 0,037 |
GA | 11 | 39 ± 3,50 |
Während ein Großteil der Probanden (42,86 %) nicht die Mindestanforderungen der WHO erfüllt (niedriges Aktivitätsniveau), erreichen über die Hälfte (57,14 %) die Mindestanforderungen (moderates Aktivitätsniveau) oder übertreffen diese (hohes Aktivitätsniveau). Zudem wird deutlich, dass KA in geringerem Maße (48,48 %) die Mindestanforderungen erreichen als GA (75,0 %). In Bezug auf das Alter erreichen Personen aus AG2 häufiger die Mindestanforderungen (61,11 %) als AG1 (50,0 %) und AG3 (51,62 %, Tab.
3).
Tab. 3
Aktivitätsniveau der Gesamtstichprobe sowie getrennt nach Tätigkeit und Altersgruppe (n = 148)
Gesamt
| 63 | 42,86 | 36 | 24,49 | 48 | 32,65 |
KA
| 51 | 51,52 | 27 | 27,27 | 21 | 21,21 |
GA
| 12 | 25,00 | 9 | 18,75 | 27 | 56,25 |
AG1
| 13 | 50,00 | 3 | 11,54 | 10 | 38,46 |
AG2
| 35 | 38,89 | 25 | 27,78 | 30 | 33,33 |
AG3
| 15 | 48,38 | 8 | 25,81 | 8 | 25,81 |
In Bezug auf die Tätigkeit erreichen GA höhere Werte als KA. In der Gesamtaktivität übersteigt der Score der GA den der KA um mehr als das Dreifache. Dieser Unterschied ist signifikant (
p = 0,000). Gleichzeitig weisen beide Gruppen eine sehr große Streuung auf (Tab.
4). Hinsichtlich des Alters erreicht AG2 die höchste Aktivität. Zudem ist ersichtlich, dass sich Personen aus AG3 in der Gesamtaktivität von Personen aus AG1 nur geringfügig unterscheiden. Signifikante Unterschiede zwischen den Altersgruppen bestehen nicht. Analog zum Tätigkeitsvergleich sind auch bei allen drei Altersgruppen hohe Streuungen zu erkennen.
Tab. 4
Körperliche Gesamtaktivität (in MET-Minuten) im Vergleich von Tätigkeit und Alter (n = 148)
Gesamtaktivität
| KA | 98 | 2231,63 ± 3654,49 | 0,000 |
GA | 47 | 7024,89 ± 7545,97 |
AG1 | 26 | 3058,46 ± 4673,93 | 0,447 |
AG2 | 88 | 4269,20 ± 6246,27 |
AG3 | 31 | 3021,29 ± 4660,62 |
KA | AG1 | 26 | 2034,78 ± 1954,21 | 0,875 |
AG2 | 51 | 2411,76 ± 4756,63 |
AG3 | 24 | 2037,50 ± 1826,37 |
GA | AG1 | 7 | 10906,67 ± 11,252,54 | 0,658 |
AG2 | 28 | 6829,46 ± 7158,18 |
AG3 | 9 | 6394,29 ± 8869,92 |
AG1 | KA | 23 | 2034,78 1954,21 | 0,018 |
GA | 10 | 10906,67 11252,54 |
AG2 | KA | 51 | 2411,76 4756,63 | 0,002 |
GA | 26 | 6829,46 7158,18 |
AG3 | KA | 24 | 2037,50 1826,37 | 0,170 |
GA | 11 | 6394,29 8869,92 |
Ein Blick in die Altersgruppen innerhalb der Tätigkeitsbereiche zeigt, dass KA in allen drei Altersgruppen eine geringere Gesamtaktivität aufweisen, als GA, innerhalb der Tätigkeitsbereiche bestehen jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Es zeigt sich ferner, dass die signifikanten Unterschiede zwischen KA und GA in den Diskrepanzen der Teilnehmer im jüngeren (AG1) und mittleren Berufsalter (AG2) liegen (Tab.
4).
Ergebnisse
Die drei Altersgruppen unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander und erreichen jeweils eine gute Arbeitsfähigkeit (
p = 0,225, Tab.
2). Bisherige Studienergebnisse bekunden jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit einer schlechteren Arbeitsfähigkeit mit steigendem Alter größer wird [
27]. Auch andere Forschungen führen an, dass die Streuung der Arbeitsfähigkeit interindividuell, d. h. bei Personen gleichen Alters, altersprogressiv zunimmt, jedoch auch bei jüngeren Personen beobachtbar ist [
15]. Die Standardabweichung verdeutlicht, dass die Streuung mit zunehmendem Alter vergleichsweise ab- und nicht zunimmt (Tab.
2). Dies steht in Kontrast zu den Aussagen der Forscher, wonach die Streuung mit zunehmendem Alter wächst. Einige andere Studien werfen inzwischen ebenfalls auf, dass es keinen eindeutigen Altersunterschied hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit gibt [
8]. Wilke et al. [
29] untersuchten die Auswirkungen der betrieblichen Gesundheitsförderung auf die Arbeitsfähigkeit bei jüngeren (< 45 Jahre) und älteren Arbeitnehmern (≥ 45 Jahre). Sie postulieren ebenfalls, dass scheinbar keine Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Mitarbeitern in ihrer Querschnittsstudie herrschen. Im Tätigkeitsvergleich besteht ein signifikanter Unterschied bezüglich der Arbeitsfähigkeit (Tab.
2), was bisherigen Forschungen entspricht [
22,
27]. Dabei ist auffällig, dass KA v. a. im mittleren (AG2) und späten Berufsalter (AG3) eine signifikant bessere Arbeitsfähigkeit aufweisen, als GA. Dennoch weisen GA eine gute Arbeitsfähigkeit auf, und nur wenige Studien belegen bisher, dass Mitarbeiter aus körperlichen Berufsgruppen gute oder sehr gute Werte hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit erreichen [
9]. Dies muss unter Veränderungen im Anforderungsprofil von GA diskutiert werden, da aufgrund einer weitgehenden Automatisierung von Produktionsketten die körperliche Belastung deutlich reduziert ist.
Ein Großteil der Probanden (57,14 %) erfüllt die Mindestvorgaben des ACSM [
14] von 2,5 h körperlicher Aktivität pro Woche. 32,65 % sind sogar körperlich hoch aktiv und übertreffen die Mindestanforderungen (Tab.
3). Diese Erkenntnis steht bisherigen Untersuchungen zur Prävalenz körperlicher Aktivität entgegen, nach denen nur 40 % der Deutschen Erwachsene im Alter von 18–65 Jahren 2,5 h oder mehr pro Woche körperlich aktiv sind [
25]. Im internationalen Vergleich zeigt sich ein anderes Bild. Studienergebnisse legen dar, dass der Anteil an geringer körperlicher Aktivität unterhalb von 50 % für Personen aus den USA (15,9 %), Australien (17,2 %), Norwegen (26,1 %), Belgien (43,0 %) und Schweden (23,9 %) beträgt [
6,
13].
Die vorliegende Studie entspricht in höherem Maße internationalen als nationalen Ergebnissen. Diese Ambivalenz muss in Bezug zur Nutzung subjektiver Daten und der bereits angesprochenen Biaswahrscheinlichkeit gesetzt werden, sodass eine Überschätzung der körperlichen Aktivität möglich ist, auch wenn andere Untersuchungen eine nur geringe Biaswahrscheinlichkeit aussprechen [
11].
Der Vergleich der Altersgruppen verdeutlicht, dass beinahe jeder zweite junge und ältere Mitarbeiter zu wenig körperlich aktiv ist (Tab.
3). Hier liegt der Schluss nahe, dass die Tätigkeit hierauf einen Einfluss hat, da wesentlich mehr KA als GA in den Gruppen AG1 und AG3 zu finden sind. Hierzu ist es jedoch in zukünftigen Studien unabdingbar, eine weitere Differenzierung in die arbeitsbezogene und freizeitliche Aktivität vorzunehmen. Gleichzeitig übertrifft nur jeder 4. ältere Mitarbeiter die Anforderungen der WHO, respektive jeder 3. für AG1 und AG2. Dies entspricht bisherigen Ergebnissen [
1,
20].
Der Vergleich dieser Ergebnisse mit bisherigen Forschungen zeigt insgesamt, dass Ältere nicht notwendigerweise weniger körperlich aktiv sind, jedoch weniger häufig hoch aktiv sind. Insgesamt erreichen 48,48 % der KA die Mindestanforderungen, für GA sind es 75,0 %. GA scheinen demnach seltener niedrig aktiv bzw. öfter hoch aktiv zu sein und häufiger die Mindestanforderungen des ACSM zu erreichen als KA. Bislang zeigt sich eine Ambivalenz in der aktuellen Forschungslage zu dieser Thematik [
17].
Die wöchentliche Gesamtaktivität insgesamt zeigt, dass die Probanden ein moderates körperliches Aktivitätsniveau aufweisen (Abb.
2, Tab.
4). Die hohe Standardabweichung stellt gleichwohl eine hohe Disparität dar. Die Mitarbeiter des vorliegenden Unternehmens unterscheiden sich insgesamt stark in ihrer Gesamtaktivität. Dieses Ergebnis entspricht anderen Untersuchungen [
10]. Im Hinblick auf das Alter lassen sich keine signifikanten Unterschiede erkennen, auch nicht innerhalb der Tätigkeitsbereiche (Tab.
4). Dies mag an der hohen Standardabweichung in den Altersgruppen liegen, die eine hohe interindividuelle Disparität darstellt, sondern auch an den. Darüber hinaus entspricht die wöchentliche Gesamtaktivität von älteren Mitarbeitern (AG3) jener junger Mitarbeiter (AG1). Dieses Ergebnis steht in Kontrast zu bisherigen Studien, wonach ältere Erwachsene eine höhere Prävalenz für eine niedrige Aktivitätsrate aufweisen als Jüngere [
6]. Hinsichtlich der Gesamtaktivität weisen GA eine dreifach höhere körperliche Aktivität als KA auf (
p = 0,000, Tab.
4). Mitarbeiter in diesem beruflichen Tätigkeitsfeld weisen ein allgemein großes Defizit an körperlicher Aktivität auf, was den hohen Anteil an niedrig aktiven KA erklärt (Tab.
3). Die Mitarbeiter beider Bereiche unterscheiden sich zudem nicht nur im Hinblick auf das jeweilige Tätigkeitsfeld allgemein, sondern auch in Bezug auf das junge und mittlere Berufsalter (Tab.
4).
Ayala et al. [
3] postulieren, dass die körperliche Aktivität bei Mitarbeitern mit geistigen und körperlichen Tätigkeiten großen Schwankungen unterliegt. Eine Einordnung dieser Ergebnisse in die aktuelle Forschungslage erweist sich als schwierig, da bestehende Studien überwiegend die Subdomänen berufsbezogene, transportbezogene und/oder freizeitbezogene körperliche Aktivität im Hinblick auf die Berufsgruppen untersuchen, nicht aber die Gesamtaktivität [
17,
20,
25]. Offen bleibt, ob die allgemein geforderte Aktivitätserhöhung auch im betrieblichen Setting gesundheitsfördernd wirkt oder ob nicht eine erhöhte Aktivität zu einer Mehrbelastung, und damit zu einem höheren gesundheitlichen Risiko insbesondere für körperlich Tätige, führt.