Time is brain – nur das zählt beim Ertrinken

Kaltes Wasser und Jugend nützen Ertrinkenden offenbar nichts – letztlich entscheidet nur die Zeit bis zur Rettung über die Chancen, dem Tod ohne bleibende Schäden zu entrinnen. Bei der Rettung von Ertrinkenden müssen die Retter oft schnell die Risiken für das eigene Leben gegen die Chancen abwägen, dem Opfer noch helfen zu können. Die Erfolgsaussichten hängen neben den vorhandenen Ressourcen vor allem von der Dauer bis zur Rettung, der Zeit unter Wasser und möglicherweise auch von dessen Temperatur, Salzgehalt sowie dem Alter des Opfers ab. Gerade für professionelle Helfer, etwa Sanitäter, Ärzte, Polizisten und Feuerwehrkräfte wäre es wichtig zu wissen, wie relevant solche Faktoren für die Überlebenschancen sind. Dann könnten sie in Zweifelsfällen besser entscheiden, ob sie alles für die Lebensrettung nötige in Bewegung zu setzen oder sich eher auf eine Leichenbergung konzentrieren, schreiben Pädiater um Dr. Linda Quan von der Universität in Seattle. Das könnte Sie auch interessieren Algorithmus, Video, Kurzfassung Neue Leitlinie: Tauchunfälle richtig versorgen Nach 25 Minuten keine Chancen mehr Die Ärzte um Quan erhofften sich, von einer Metaanalyse der bisherigen Literatur etwas mehr Klarheit zu bekommen. Sie fanden 24 Kohortenstudien, in denen das Ergebnis der Lebensrettung und mehrere der genannten Faktoren am Umfallort registriert worden waren. In den Studien wurden über 4000 Unfälle mit Ertrinkenden analysiert. Wenig überraschend erwies sich die geschätzte Zeit unter Wasser als wichtigster Faktor für das Überleben ohne bleibende Schäden. In 15 der Studien wählten die jeweiligen Autoren eine Grenze von fünf bis sechs Minuten. Waren die Opfer weniger lang unter Wasser, war die Rate für ein günstiges Ergebnis dreifach höher als bei längeren Zeiten. Allerdings erwiesen sich die Resultate der einzelnen Studien als sehr heterogen. Noch deutlicher waren die Unterschiede erwartungsgemäß bei längeren Cut-off-Werten: Blieben die Ertrinkenden mehr als zehn Minuten unter Wasser, führte dies fünffach häufiger zu einem ungünstigen Ergebnis mit Tod oder neurologischen Schäden als bei kürzeren Zeiten. Jenseits der 25 Minuten gab es praktisch keine realistische Chance mehr auf eine Rettung – die Rate für ein ungünstiges Ergebnis war dann 27-fach höher als bei kürzeren Zeiten. Ähnliches galt auch für den Einsatz von Notfallteams: Waren diese innerhalb von neun Minuten am Ort des Geschehens, gelang eine Rettung ohne größere bleibende Schäden 2,8-fach häufiger als bei einem späteren Eintreffen – dieses Resultat ließ sich aus zwei der Studien ableiten. Einen signifikanten – wenngleich geringen – Einfluss hat offenbar auch der Salzgehalt. Immerhin sieben Studien mit über 2100 Opfern gingen dieser Frage nach und fanden für Unfallopfer im Meer eine 16% bessere Chance als im Süßwasser, das Ereignis weitgehend schadensfrei zu überleben. Das Alter der Ertrinkenden, die Wassertemperatur sowie die Anwesenheit von Zeugen haben zumindest nach diesen Daten keinen Einfluss auf das Überleben und das funktionelle Ergebnis bei Wasserunfällen. Kein Bonus für Kinder Für die Autoren der Metaanalyse ist vor allem der geringe Einfluss des Alters überraschend. So werde allgemein angenommen, dass Kinder bessere Überlebenschancen hätten als Erwachsene, schreiben die US-Pädiater. Möglicherweise werden Kinder von ihren Eltern aber lediglich besser überwacht. Notsituationen würden dann schneller erkannt und Kinder dadurch auch rascher gerettet als Erwachsene – mit einer besseren Prognose als Konsequenz. Auch ein positiver Einfluss von kaltem Wasser lässt sich aus diesen Daten nicht herauslesen. Einzelfallberichten, nach denen Ertrinkende in sehr kaltem Wasser besonders lange durchhielten, fehlten oft genaue Zeitangaben, auch sei bei den Opfern anschließend oft keine gründliche neurologische Untersuchung vorgenommen worden. Solche Berichte seien daher wenig repräsentativ. Was lässt sich nun aus den Daten schließen? Eine möglichst rasche Rettung der Ertrinkenden ist und bleibt das A und O, alle anderen Faktoren können Helfende und professionelle Rettungskräfte getrost vergessen.

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