Erschienen in:
01.07.2015 | Leitthema
Uneindeutiger Verlust
Psychopathologische und psychosoziale Konsequenzen im Kontext gewaltsamer Konflikte
verfasst von:
C. Heeke, Prof. Dr. C. Knaevelsrud
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 7/2015
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Zusammenfassung
Hintergrund
Das Verschwinden von Personen ist ein häufiges Phänomen im Kontext gewaltsamer Konflikte. Obwohl davon ausgegangen wird, dass Angehörige Verschwundener aufgrund des ungewissen Schicksals der Verschwundenen besonders komplexen Adaptionsprozessen ausgesetzt sind, ist bisher nur wenig über die psychopathologischen und psychosozialen Konsequenzen für die betroffenen Angehörigen bekannt.
Zielsetzung
Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, eine empirische Übersicht über Studien zu geben, die sich den Konsequenzen uneindeutiger Verluste im Kontext gewaltsamer Konflikte für die Hinterbliebenen widmen. Zudem soll aufgezeigt werden, welche Risikofaktoren für die psychische Belastung bedeutsam sind.
Ergebnisse
Aufgrund der geringen Anzahl an Studien können bisher nur vorläufige Schlussfolgerungen gezogen werden. Studien zeigen, dass das Verschwinden einer nahestehenden Person bei einem wesentlichen Teil der Betroffenen mit negativen Konsequenzen für die psychische Gesundheit assoziiert ist. Studien weisen darauf hin, dass Angehörige Verschwundener stärker von psychischen Belastungen betroffen sind als Angehörige Verstorbener, insbesondere in Bezug auf Symptome der Depression und prolongierten Trauer. Als Faktoren, die zu einer stärkeren Belastung beitragen, werden ein erhöhtes Risiko für traumatische Erfahrungen und das Fehlen von sozialer Unterstützung bei Angehörigen von Verschwundenen diskutiert. Das Ausmaß an Hoffnung auf das Überleben der Verschwundenen scheint die Verarbeitung des Verlusts zu verhindern und prolongierte Trauer zu begünstigen. Das Fehlen von Trauerritualen und komplexe Familiendynamiken können die Bewältigung des Verlusts darüber hinaus erschweren.
Schlussfolgerungen
Zukünftige Forschungsarbeiten sollten die bisher dargestellten Ergebnisse verifizieren und mögliche Resilienzfaktoren untersuchen, die Betroffene vor psychischer Belastung schützen. Erkenntnisse in diesem Bereich können die Identifikation besonders vulnerabler Personen erleichtern und die Entwicklung wirksamer Interventionen ermöglichen.