Erschienen in:
01.03.2015 | Leitthema
Von der Zulassung von Impfstoffen zur Empfehlung durch die Ständige Impfkommission in Deutschland
Kriterien zur objektiven Bewertung von Nutzen und Risiken
verfasst von:
Michael Pfleiderer, Ole Wichmann
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 3/2015
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Zusammenfassung
Impfungen gehören zu den effektivsten Präventionsmaßnahmen der modernen Medizin und haben seit ihrer Einführung im letzten Jahrhundert zu einem drastischen Rückgang, in Einzelfällen sogar zur Eliminierung schwerer Infektionskrankheiten geführt. Die Nutzenbewertung von Impfstoffen weist einige Besonderheiten auf. Dazu gehört, dass Impfstoffe zur Verhinderung von Infektionskrankheiten an Gesunden, Therapeutika hingegen zur Behandlung von bereits Erkrankten eingesetzt werden. Die mit der Anwendung von Impfstoffen verbundenen Risiken dürfen daher – um für den Impfling noch akzeptabel zu sein – nur sehr gering sein. Zum anderen können hohe Impfquoten zu Bevölkerungseffekten (z. B. indirekter Schutz von Ungeimpften) und damit zu einem zusätzlichen Bevölkerungsnutzen führen. Die Zulassung von Impfstoffen geht vornehmlich der Frage nach, ob ein bestimmter Impfstoff sicher, wirksam und qualitativ hochwertig und sein Nutzen-Risiko-Verhältnis akzeptabel ist. Bei der Entscheidung, ob eine Impfung in ein nationales Impfprogramm aufgenommen bzw. einer bestimmten Risikogruppe empfohlen wird, steht dagegen die Frage im Vordergrund, wie zugelassene Impfstoffe am sinnvollsten in der Bevölkerung angewendet werden (z. B. mit welcher Impfstrategie die meisten Todesfälle, Hospitalisierungen oder Behandlungskosten im Gesundheitssystem reduziert werden können). Bewertungsmethoden für die Nutzen-Risiko- Abwägung vor der Erstanwendung von Impfstoffen am Menschen im Rahmen von Zulassungsstudien sind etabliert. Entsprechende Kriterien kommen sowohl bei der Nutzen-Risiko-Abwägung zum Zeitpunkt der Zulassung zur Anwendung als auch während der gesamten Vermarktungsphase. Bei der Entscheidung, ob und wie ein zugelassener Impfstoff in ein Impfprogramm integriert wird, kommen Kriterien zum Tragen, die sich von den Zulassungskriterien unterscheiden bzw. über die Kriterien der Sicherheits- und Wirksamkeitsprüfung hinausgehen. Diese Entscheidung sollte zusätzlich auch Bevölkerungseffekte und den lokalen Kontext berücksichtigen (z. B. lokale Epidemiologie, Kosten-Effektivität oder Akzeptanz in der Bevölkerung). Dementsprechend sind nationale Institutionen wie die in Deutschland dafür eingesetzte Ständige Impfkommission (STIKO) etabliert, um global entwickelte Impfstoffe in den nationalen Kontext als Impfstrategien zu integrieren.