Erschienen in:
06.04.2016 | Gesundheitspolitik | Originalien
Wirren um Paul Schröder, Werner Villinger und Hans Heinze
Die drei Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Kinderpsychiatrie und Heilpädagogik zwischen 1940 und 1945
verfasst von:
K. Schepker, S. Topp, H. Fangerau
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Ausgabe 3/2017
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Zusammenfassung
Nachdem am 5. September 1940 mitten im Krieg und vor dem Hintergrund der gerade stattfindenden sogenannten „Kindereuthanasie“ eine Deutsche Gesellschaft für Kinderpsychiatrie und Heilpädagogik (DGKH) gegründet worden war, bemühte diese sich schnell um eine Konsolidierung. Sollte die Fachgesellschaft Bestand haben und nachhaltig professionspolitisch wirksam werden, musste sie 1. sich wissenschaftlich durch Kongresse und Publikationen profilieren, 2. sich auf Vorstands- und Mitgliederebene stabilisieren und 3. verbands- und gesundheitspolitisch die Etablierung im nationalsozialistischen Staats- und Gesellschaftsgefüge erreichen. Als die DGKH nur neun Monate nach Gründung ihren ersten Vorsitzenden Paul Schröder durch unerwarteten Tod verloren hatte, war die Umsetzung dieser elementaren Ziele ernsthaft infrage gestellt. Durch das Machtvakuum ausgelöst entstand über die Nachfolgefrage ein Spannungsfeld divergierender Interessen von benachbarten Wissenschaftsdisziplinen sowie staatlichen Instanzen. Zur Rekonstruktion und Interpretation dieses komplexen Entscheidungsprozesses der beteiligten Akteure, der nicht zu Werner Villinger, sondern dem noch radikaleren Hans Heinze als Vorsitzenden führte, wird hier eine qualitative historische Netzwerkanalyse eingesetzt. Es kann anhand neuer Quellenfunde dokumentiert werden, dass die DGKH tatsächlich verbandspolitisch aktiv in Erscheinung trat. Erkenntnistheoretisch orientiert sich die Analyse der gesundheitspolitischen Eingliederung der Kinderpsychiatrie im Nationalsozialismus an der These des „radikalen Ordnungsdenkens“ von Lutz Raphael.