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Die Ärztliche Begutachtung
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Publiziert am: 25.12.2022

Nicht-entzündliche Erkrankungen – Begutachtung

Verfasst von: Melanie Hagen
Zwei wichtige Differentialdiagnosen von Arthralgien und anderen Schmerzen des Bewegungsapparates sind die Arthrose und das Fibromyalgie-Syndrom (FMS). Beide Erkrankungen haben eine hohe Prävalenz und haben dennoch völlig verschiedene Pathomechanismen. Beide Erkrankungen bedürfen eines multimodalen Therapiekonzeptes, bei der Fibromyalgie stellt die Psychotherapie neben der Schmerztherapie eine der wichtigen Therapiesäule dar.

Arthrose

Arthrose entsteht durch meist nicht-entzündliche Knorpeldestruktion, wobei man von einer multifaktoriellen Pathogenese ausgeht. Zu Ursachen der Entstehung einer Arthrose gehören u. a. das metabolische Syndrom und biomechanische Einflussfaktoren durch angeborene Fehlstellung, vermehrte körperliche Arbeit und Sport. Sekundäre Arthrosen können jedoch auch als Folge von chronischen Entzündungsprozessen, z. B. bei der Rheumatoiden Arthritis (oder auch selten im Rahmen von bakteriellen Infektionen), auftreten. Betroffen sind etwa 15 % aller Männer und Frauen über 60 Jahre und somit ist die Arthrose die häufigste Gelenkerkrankung beim Erwachsenen. Die Inzidenz steigt mit zunehmendem Alter. Dabei ist die Arthrose allerdings nicht zwangsläufig eine Erkrankung des Alters (Glyn-Jones et al. 2015; Postler et al. 2018; Vina und Kwoh 2018; O’Neill et al. 2018).
Leitsymptom ist der Gelenkschmerz, gefolgt von Funktionsbeeinträchtigung. Am häufigsten sind Hüfte-, Knie- und Fingergelenke betroffen.
Laborchemisch finden sich meist wenig Veränderungen, Entzündungswerte können erhöht sein. Das wichtigste Diagnostikum neben der klinischen Untersuchung, ist das konventionelle Röntgen (Kloppenburg et al. 2019; Sakellariou et al. 2017). Hier finden sich typische Gelenkspaltverschmälerungen, subchondrale Sklerosierungen, Osteophyten und Geröllzysten. Das MRT kann zur Beurteilung der Knorpelstrukturen dienen und vor allem bei frühen Formen der Arthrose hilfreich sein, es hat aber auch einen besonderen Wert im Erkennen der Erkrankungsgenese.
Die konventionelle Therapie der Arthrose umfasst die medikamentöse Therapie (v. a. NSAID und Opiate) zur Analgesie, Physio- und Physikalische Therapie und Optimierung (Beseitigung) der Risikofaktoren (Rausch Osthoff et al. 2018). Seltenere nicht-operative Therapien umfassen den Einsatz von „Slow acting drugs“ (z. B. Glucosamin), Hyaluronsäure, Corticosteroide, und autologe Blutderivate. Bei progredientem Gelenkschaden besteht die Indikation zum operativen Gelenkersatz. (Uson et al. 2021; Siracusa et al. 2021).

Fibromyalgie-Syndrom (FMS)

Unter dem Fibromyalgie-Syndrom versteht man eine nicht-entzündliche Erkrankung mit Schmerzen von Muskeln und Bindegewebe.
Seit 2022 zählt die Fibromyalgie gemäß der Weltgesundheitsversammlung nicht mehr zu den Muskuloskelettalen- und Bindegewebserkankungen, sondern wurde in der Kategorie „Chronischer Schmerz“ aufgenommen.
Etwa 2–8 % der Bevölkerung leiden an einem Fibromyalgie-Syndrom, bei rheumatologischen PatientInnen liegt die Prävalenz bei etwa 20 % (Uson et al. 2021; Siracusa et al. 2021).
Pathophysiologisch wird ein multifaktorieller Prozess aus gestörter Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem und primär somatischen oder psychiatrischen Erkrankungen angenommen.
Neben Arthralgien, Myalgien können weitere somatische und psychische Symptome auftreten, v. a. Erschöpfung (Treede et al. 2019; Wolfe et al. 2010; Mease et al. 2016).
In der körperlichen Untersuchung fallen multiple schmerzhafte Triggerpunkte auch bei leichtem Druck auf (Widespread Pain Index). Die weitere körperliche Untersuchung ist bei einem primären Fibromyalgie-Syndrom meist unauffällig. Diese Symptome werden auch im Zusammenhang mit Post-/Long-COVID häufiger beobachtet (Koczulla et al. 2021).
Auch Laborparameter und apparative Diagnostik erbringen meist keinen Hinweis auf eine somatische Erkrankung.
Zur Diagnosefindung dienen die ACR-Klassifikationskriterien als Leitfaden.
Es gibt kein primär für das FMS zugelassene Medikament, das Therapiekonzept ist multimodal und umfasst Schmerztherapie, körperliches Training und Psychotherapie (Macfarlane et al. 2017; Kia und Choy 2017).
Literatur
Glyn-Jones S, Palmer AJ, Agricola R et al (2015) Osteoarthritis. Lancet 386(9991):376–387CrossRef
Kia S, Choy E (2017) Update on treatment guideline in fibromyalgia syndrome with focus on pharmacology. Biomedicines 5(2):20CrossRef
Kloppenburg M, Kroon FP, Blanco FJ et al (2019) 2018 update of the EULAR recommendations for the management of hand osteoarthritis. Ann Rheum Dis 78(1):16–24CrossRef
Koczulla AR, Glöckl R, Peters EMJ et al (2021) Long-/Post-COVID: Wenn das Virus Spuren hinterlässt. Dtsch Arztebl 118(39):A–1762/B–1459
Macfarlane GJ, Kronisch C, Dean LE (2017) EULAR revised recommendations for the management of fibromyalgia. Ann Rheum Dis 76(2):318–328CrossRef
Mease PJ, Russell AS, Russell IJ, Walitt B (2016) 2016 Revisions to the 2010/2011 fibromyalgia diagnostic criteria. Semin Arthritis Rheum 46(3):319–329CrossRef
O’Neill TW, McCabe PS, McBeth J (2018) Update on the epidemiology, risk factors and disease outcomes of osteoarthritis. Best Pract Res Clin Rheumatol 32(2):312–326CrossRef
Postler A, Ramos AL, Goronzy J et al (2018) Prevalence and treatment of hip and knee osteoarthritis in people aged 60 years or older in Germany: an analysis based on health insurance claims data. Clin Interv Aging 13:2339–2349CrossRef
Rausch Osthoff AK, Niedermann K, Braun J et al (2018) 2018 EULAR recommendations for physical activity in people with inflammatory arthritis and osteoarthritis. Ann Rheum Dis 77(9):1251–1260CrossRef
Sakellariou G, Conaghan PG, Zhang W et al (2017) EULAR recommendations for the use of imaging in the clinical management of peripheral joint osteoarthritis. Ann Rheum Dis 76(9):1484–1494CrossRef
Siracusa R, Paola RD, Cuzzocrea S, Impellizzeri D (2021) Fibromyalgia: Pathogenesis, Mechanisms, Diagnosis and Treatment Options Update. Int J Mol Sci 22(8):3891CrossRef
Treede RD, Rief W, Barke A, Aziz Q et al (2019) Chronic pain as a symptom or a disease: the IASP Classification of Chronic Pain for the International Classification of Diseases (ICD-11). Pain 160(1):19–27CrossRef
Uson J, Rodriguez-García SC, Castellanos-Moreira R et al (2021) EULAR recommendations for intra-articular therapies. Ann Rheum Dis 80(10):1299–1305CrossRef
Vina ER, Kwoh CK (2018) Epidemiology of osteoarthritis: literature update. Curr Opin Rheumatol 30(2):160–167CrossRef
Wolfe F, Clauw DJ, Fitzcharles MA et al (2010) The American College of Rheumatology preliminary diagnostic criteria for fibromyalgia and measurement of symptom severity. Arthritis Care Res (Hoboken) 62(5):600–610CrossRef