Leber und Darm gesund – seltener Demenz?

Die Bedeutung von Leber und Mikrobiom für die Hirnalterung wurde bislang offenbar unterschätzt. Neue Studien legen den Schluss nahe, dass Veränderungen der Leberfunktion und der Darmflora eine Demenz beschleunigen. Eigentlich liegt der Verdacht schon lange in der Luft: Das wichtigste Risikogen für Alzheimer – ApoE – hat seine Hauptfunktion im Fettstoffwechsel. Apolipoprotein E wird vor allem in der Leber exprimiert und transportiert Cholesterin und Triglyzeride. Wenn der Fettstoffwechsel so bedeutend für das Alzheimerrisiko ist, dann sollten auch die Leber und der Darm einen Einfluss auf die Alzheimerpathogenese haben, denn beide Organe sind schließlich entscheidend für die Aufnahme und Verarbeitung von Lipiden. Bislang ist das Zusammenwirken von Gehirn, Darm und Leber aber noch wenig verstanden. Einige Studien, die auf der Alzheimer’s Association Internation Conference (AAIC) in Chicago vorgestellt wurden, könnten nun etwas Licht ins Dunkel bringen. Mangel an Schlüssellipiden Dr. Mitchel Kling von der Universität in Philadelphia vertrat auf der Tagung die Hypothese, dass die Leber dem Gehirn von Alzheimerpatienten nicht mehr genug Schlüssellipide zur Verfügung stellt. Dazu gehören so genannte Plasmalogene, wichtige Membran-Etherlipide, zu denen auch Omega-3-Fettsäuren zählen. Plasmalogene stellen etwa 20% der Phospholipide im Gehirn. Sie werden in den Peroxisomen der Leber synthetisiert und anschließend ins Gehirn verfrachtet. Wie Kling erläuterte, nimmt die Produktion solcher Lipide in der Leber mit dem Alter stetig ab, was sich mit einem Abklingen der Peroxisomenfunktion erklären lässt. Forscher um den Psychiater haben die Plasmalogenspiegel im Blut von rund 1500 Teilnehmern der ADNI*-Bildgebungsstudie sowie bei einer kleineren Gruppe von älteren Patienten an der Universität von Philadelphia analysiert. Die meisten der Patienten litten an einer Alzheimerdemenz oder ersten kognitiven Beschwerden, ein Teil war aber auch kognitiv unauffällig. Wie sich zeigte, hatten Alzheimerpatienten und solche mit ersten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) deutlich niedrigere Plasmalogenspiegel als kognitiv gesunde Teilnehmer im gleichen Alter. Auch gab es einen Zusammenhang mit Alzheimerbiomarkern: So gingen niedrige Werte der Blutlipide mit erhöhten Tau-Werten im Liquor einher. Ebenso war das Verhältnis der Konzentrationen von Gesamt-Tau zum Beta-Amyloid-42-Fragment erhöht. Eine verminderte Leberfunktion könnte auf diese Weise eine Alzheimerdemenz oder auch andere Demenzformen beschleunigen, erläuterte der Experte. Empfehlung der Redaktion Demenz – Themenseite Wie therapiert man Alzheimerpatienten leitliniengerecht? Warum sind "keiner" und "nein" bei Dementen tabu? Und was tut sich in der Alzheimertherapie-Forschung? Antworten gibt die Themenseite Demenz. Hier finden Sie Übersichten, News, kommentierte Studienreferate und Kasuistiken. Eine weitere Untersuchung der ADNI-Teilnehmer deutet in dieselbe Richtung. So ergab eine umfassende Lipidanalyse vor allem einen Mangel der Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA im Blut von Alzheimerkranken und solchen mit MCI. Dieser Mangel ließ sich mit Fischölkapseln alleine nicht beheben – er bestand weitgehend unabhängig davon, ob die Patienten entsprechende Kapseln einnahmen oder nicht. Manche Experten vermuten, dass die Resorption solcher Fettsäuren bei Alzheimer gestört ist. Epidemiologische Daten können eine verminderte Leberfunktion als Demenzrisikofaktor jedoch nicht klar bestätigen, was vermutlich daran liege, dass Personen mit schweren Leberfunktionsstörungen oft nicht das Alter für eine Demenz erreichen, erläuterte Kling. Patienten mit Fettleber oder alkoholbedingten Leberschäden hätten zudem aufgrund ihrer Primärerkrankung ein erhöhtes Demenzrisiko. Der Anteil des Leberschadens am Demenzrisiko lasse sich dabei nur schwer feststellen. Mehr sekundäre Gallensäuren Einen weiteren Bezug zum Lipidstoffwechsel liefert eine Untersuchung von Gallensäuren bei den Teilnehmern der ADNI-Studie. Ein Team um Dr. Kwangsik Nho von der Universität in Indianapolis hat 15 primäre und sekundäre Gallensäuren im Serum der Teilnehmer analysiert. Primäre Gallensäuren werden in der Leber synthetisiert, sekundäre stammen vom Darmmikrobiom. Die Forscher um Nho fanden bei Alzheimerkranken und Patienten mit MCI überdurchschnittlich niedrige Werte primärer und hohe Werte sekundärer Gallensäuren. Auch hier zeigte sich ein Zusammenhang mit Liquormarkern für eine Alzheimerdemenz und Resultaten der strukturellen Bildgebung: Patienten mit einem hohen Verhältnis der Konzentration von sekundären zu primären Gallensäuren hatten viel Tauprotein und wenig Beta-Amyloid-42 im Liquor, wiesen einen verminderten Hirnglukosestoffwechsel auf und zeigten eine besonders ausgeprägte Hirnatrophie. Nach Auffassung von Professor Rima Kaddurah-Daouk von der Duke University in Durham scheint eine Veränderung des Mikrobioms die Zunahme der sekundären, ungünstigen Gallensäuren im Blut zu fördern. Diese Gallensäuren würden wiederum den Cholesterin- und Lipidstoffwechsel beeinträchtigen. Möglicherweise lasse sich dieser Prozess über eine gesunde Ernährung, die ein neuroprotektives Mikrobiom begünstigt, etwas abschwächen. Die Frage nach der Kausalität wird jedoch mit solchen Querschnittsstudien nicht beantwortet. Es könnte auch sein, dass andere Prozesse bei Alzheimer sowohl die Leberfunktion als auch die Hirnfunktion beeinträchtigen. Eine Analyse von 25 Alzheimer-Risikogenen bei rund 6000 Teilnehmern der Rotterdam-Studie und der Erasmus-Rucphen-Family-Studie (ERF) liefert zumindest gewisse Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang, berichtete Dr. Shahzad Ahmad von der Erasmus-Universität in Rotterdam. Einige der Risiko-Gen-Varianten gingen mit einer geringeren Konzentration wichtiger Hirnlipide einher – dazu zählt auch ApoE4. Andere scheinen das Verhältnis von primären und sekundären Gallensäuren zu beeinflussen – darunter auch das zweite wichtige Alzheimer-Risikogen mit der Bezeichnung TREM2. Diese Resultate stützten zumindest die Hypothese, wonach Änderungen im Lipid- und Gallensäurestoffwechsel eine Demenz beschleunigen können. *ADNI: Alzheimer's Disease Neuroimaging Initiative basierend auf: Alzheimer’s Association Internation Conference (AAIC), Chicago, July 22.-26. Press Briefing: Advances along the gut-liver-brain axis in Alzheimer’s disease: Why diet may be so impactful.

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