Neue Ansätze bei Bewegungsstörungen

Eine RNA-basierte Therapie gegen Huntington, Small Molecules gegen MSA und genetische Parkinsonvarianten – beim US-Neurologenkongress wurden klinische Studien mit neuen Ansätzen für Patienten mit Bewegungsstörungen präsentiert. Hochspezifische Therapien mit hoher Wirksamkeit – in der Neurologie entwickeln Forscher immer mehr Ansätze gegen seltene Krankheiten oder für bestimmte Subgruppen von Patienten, und das gilt auch für Bewegungsstörungen. Einige erstmals in klinischen Studien geprüfte Verfahren wurden nun beim Kongress der American Academy of Neurology (AAN) in Philadelphia vorgestellt. Morbus Huntington Eine Therapie mit einem Antisense-Oligonukleotid (ASO) konnte in einer Phase 1/2a-Studie die Konzentration des Huntingtin-Proteins bei Huntingtonpatienten dosisabhängig reduzieren. Das nährt Hoffnungen, wonach sich mit einer solchen Behandlung die Erkrankung verzögern oder gar ganz stoppen lässt. An der Studie nahmen 46 Patienten im Frühstadium der Erkrankung teil. 12 von ihnen bekamen Placebo, die übrigen 36 erhielten unterschiedliche Dosierungen (10-120 mg) des ASO mit der Bezeichnung HTTRX intrathekal infundiert. Alle Teilnehmer bekamen vier Infusionen im Abstand von vier Wochen. Das ASO bindet an die RNA des bei Huntington veränderten HTT-Gens, worauf diese abgebaut und kein mutiertes HTT-Protein gebildet wird. Die Patienten wurden in Zentren in Deutschland, Kanada und Großbritannien behandelt. Dabei hatte die Konzentration von mutiertem HTT-Protein in der Gruppe mit Placebo einen Monat nach der letzten Infusion im Liquor um 10 Prozent zugenommen. Mit der niedrigsten Dosis von HTTRX sank sie dagegen um 20 Prozent, mit der höchsten Dosis im Schnitt um 38 Prozent, bei einem Patienten sogar um 63 Prozent, berichteten Wissenschaftler um Professor Sarah Tabrizi vom University College in London. Bei zwei von vier Komponenten einer Huntington-Symptomskala beobachtete die Forschen unter der Therapie leichte Verbesserungen, diese seien aber noch mit Vorsicht zu betrachten, da die Patientenzahl sehr klein und die Studiendauer mit rund sieben Monaten sehr kurz gewesen sei. Schwerwiegende unerwünschte Wirkungen wurden nicht beobachtet, mit den höchsten beiden Dosierungen kam es zu einem transienten Anstieg von Neurofilament im Liquor. Das ASO wird von den Unternehmen Ionis Pharmaceuticals und Roche entwickelt, die Resultate wurden zeitgleich mit der Präsentation beim Kongress im „New England Journal of Medicine“ publiziert (online 6. Mai). Morbus Parkinson Etwa 5-10 Prozent der Parkinson-Patienten haben eine Mutation im Gen für Glucocerebrosidase (GBA). Die Aktivität des Proteins wird dadurch vermindert, was zu einer verstärkten Akkumulation von Alpha-Synuclein führt. Solche Patienten entwickeln in jüngeren Jahren Parkinsonsymptome, erkranken häufiger an einer Parkinsondemenz und weisen einen rascheren Krankheitsverlauf auf als Betroffene ohne spezifische Mutationen, wie Dr. Tanya Fischer vom Unternehmen Sanofi-Genzyme aus Cambridge, USA, erläuterte. Mit dem Wirkstoff Venglustat soll das Substrat der Glucocerebrosidase entzogen werden. Die Substanz, die gegen verschiedene Krankheiten mit lysosomalen Störungen wirken soll, darunter auch Morbus Fabry und Morbus Gaucher, blockiert das Enzym Glucosylceramid-Synthase (GL-1). In einer kleinen Studie wurde Venglustat erstmals bei 17 Parkinsonkranken mit GBA-Mutation geprüft. Im Schnitt waren die Betroffenen bereits seit sechs Jahren erkrankt. Vier erhielten Placebo, die übrigen drei verschiedene Dosierungen des oral verabreichten Wirkstoffs über vier Wochen hinweg. Mit Venglustat ließ sich die GL-1-Konzentration im Plasma dosisabhängig senken, und zwar um bis zu 80 Prozent nach sechs Wochen. In einer zweiten Phase soll die Substanz in einer ausreichenden Dosierung über ein Jahr hinweg geprüft werden, berichtete Fischer beim Kongress. Dann könnte sich auch zeigen, ob die Behandlung einen Effekt auf die Krankheitsprogression hat. Wenig aussichtsreich scheint dagegen eine Therapie gegen Parkinsondemenz mit einem Serotoninrezeptor-Antagonisten zu sein. Der vom Unternehmen Roche entwickelte Wirkstoff SYN120 mit Affinität zum 5-HT6- und 5-HT2a-Rezeptor konnte ein einer Proof-of-Concept-Studie mit 82 Betroffenen über 16 Wochen hinweg die Kognition im Vergleich zu Placebo nicht signifikant verbessern, dafür verschlechterten sich die motorischen Symptome. Multiple Systematrophie (MSA) Forscher vom Unternehmen Alterity Therapeutics haben in einer Phase-1-Studie einen Ansatz geprüft, der den intrazellulären Eisenstoffwechsel normalisieren soll. Dieser ist bei diversen Synucleinopathien wie MSA und Parkinson gestört und scheint dadurch die Aggregation von Alpha-Synuclein zu fördern. In einem MSA-Tiermodell konnten sie mit dem Small Molecule PBT434 die Bildung von Alpha-Synuclein-Aggregaten verhindern. In der Phase-1-Studie erhielten 18 gesunde ältere Menschen unterschiedliche Dosierungen des Wirkstoffs. Sicherheitssignale wurden nicht beobachtet. In Liquorproben hätten die Forscher mit den höchsten Dosierungen Konzentrationen erreicht, wie sie sich in den Tierexperimenten als wirksam erwiesen hätten, berichtete Dr. David Stamler vom Unternehmen. Empfehlung der Redaktion AAN 2019 Kongressdossier zum Annual Meeting der American Academy of Neurology Gleich drei Antikörper haben sich in Studien zur Behandlung von Neuromyelitis optica bewährt und Poli-ähnliche Erkrankungen treten in den USA und Europa vermehrt auf. Informieren Sie sich im Kongressdossier des Annual Meeting der American Academy of Neurology über aktuelle Themen der Neurologie. Quelle: Ärzte Zeitung

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