Medikamentöser vs. chirurgischer Abbruch – zwei Methoden mit ähnlichem Risikoprofil?

Schwangerschaftsabbrüche im ersten Trimenon können medikamentös oder operativ durchgeführt werden. Sicher scheinen beide Methoden zu sein, wenn auch das Komplikationsrisiko bei Medikamenteneinnahme offenbar etwas höher ist. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Seit gut 22 Jahren kann in Deutschland mit dem Norethisteron-Derivat Mifepriston in Kombination mit Misoprostol unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden. Bei Anwendung vor der 10. Schwangerschaftswoche (SSW) hat die Wirkstoffkombination in Studien eine gute Effektivität bewiesen, mit einer Wirksamkeit von rund 97% und einem Anteil weiterhin bestehender Schwangerschaften von 0,8%. Auch das Sicherheitsprofil scheint zu überzeugen (Schummers L et al. N Engl J Med 2022), wenngleich ein direkter Vergleich der Komplikationsraten bislang aussteht. Das haben die Forschenden Ning Liu und Joel Ray, beide von der Universität in Toronto, nachgeholt. In Kanada wurde der Schwangerschaftsabbruch bereits 1988 legalisiert. Mifepriston ist seit 2015 zugelassen und die Wirkstoffkombination Mifepriston-Misoprostol seit 2017 restriktionsfrei verfügbar. Im Rahmen einer bevölkerungsbasierten Kohortenstudie haben Liu und Ray zwei Vergleichskohorten gebildet: Im ersten Vergleich stellten die Forschenden rund 40.000 Frauen, die die Wirkstoffkombination freiverkäuflich erworben hatten, rund 65.000 Frauen gegenüber, die sich in einer ambulanten Tagesklinik einem chirurgischen Schwangerschaftsabbruch vor der 15. SSW unterzogen hatten. Der zweite Vergleich umfasste rund 40.000 Frauen, denen Mifepriston-Misoprostol verschrieben worden war, und rund 9000 Frauen, die sich in der 9. SWW ambulant in einem Krankenhaus dem Eingriff unterzogen hatten. Als Datenquelle nutzten Liu und Ray die Health Database der Provinz Ontario, das Canadian Institute for Health Information National Ambulatory Care Reporting System, die OHIP Database sowie die Ontario Drug Benefit Claims Database. Chirurgischer Abbruch leicht im Vorteil Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SAE), wie gravierende Morbidität der Mutter, Organschäden, die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Betreuung sowie Tod, waren in der ersten Vergleichskohorte bei 133 (3,3 pro 1000) Frauen nach medikamentösem und bei 114 (1,8 pro 1000) Frauen nach chirurgischem Abbruch aufgetreten. Damit lag nach Medikamenteneinnahme das relative Risiko für SAE 87% höher. Die Raten für alle unerwünschten Ereignisse, dazu zählten auch Blutungen, Zurückbleiben von Geweberesten, Infektionen und Transfusionspflichtigkeit, bezifferten Liu und Ray mit 28,9 pro 1000 Frauen nach medikamentöser und 12,4 pro 1000 Frauen nach chirurgischer Intervention. Deutlich geringer mit einem Plus von 4% fiel in der zweiten Kohorte das relative SAE-Risiko nach medikamentösem im Vergleich zum chirurgischen Abbruch aus, mit Raten von 3,4 bzw. 3,3 pro 1000 Frauen. Von unerwünschten Ereignissen jeglichen Schweregrades betroffen waren 31,2 bzw. 24,9 pro 1000 Frauen. Experten beurteilen die Wirkstoffkombination als sicher Aus Sicht von Liu und Ray unterstreichen die Ergebnisse das gute Sicherheitsprofil beider Methoden. Vor allem schwerwiegende Komplikationen traten insgesamt selten auf, auch bei Mifepriston-Misoprostol, wie die beiden Experten betonen. „Angenommen das absolute SAE-Risiko ist bei medikamentösem Abbruch tatsächlich wie in der ersten Vergleichskohorte 1,5 pro 1000 Frauen höher als bei chirurgischem Abbruch, läge die Number Needed to Harm bei 667.“ Bezogen auf die zweite Vergleichskohorte müssten sogar 10.000 Frauen einen Abbruch mit Mifepriston-Misoprostol vornehmen, um eine zusätzliche schwerwiegende Komplikation auszulösen. Ähnlich beurteilt auch die Epidemiologin Carol J. Hogue von der Emory-Universität in Atlanta die Ergebnisse. Wie sie in ihrem Editorial hervorhebt, seien innerhalb des Beobachtungszeitraums von drei Jahren weniger als sechs Todesfälle im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch aufgetreten. Damit belege die Studie die Wirksamkeit und Sicherheit eines eigenverantwortlichen Abbruchs mit Mifepriston-Misoprostol. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie unterscheidet sich das Risikoprofil des medikamentösen im Vergleich zum chirurgischen Schwangerschaftsabbruch? Antwort: Obwohl insgesamt eher selten, wurden etwas mehr Komplikationen innerhalb von 42 Tagen nach Medikamenteneinnahme als nach Op. beobachtet. Von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen waren 3,3 bzw. 1,8 pro 1000 Frauen betroffen, Komplikationen traten bei 28,9 bzw. 12,4 pro 1000 Frauen auf. Bedeutung: Das Risiko schwerwiegender Komplikationen ist auch bei medikamentösem Schwangerschaftsabbruch sehr gering. Einschränkung: Dokumentiert ist lediglich die Abgabe der Wirkstoffkombination, die nicht mit der Einnahme gleichzusetzen ist.

Springer Medizin

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