Sklerodermie? – Auf den Phänotyp kommt es an!

Die Liste der Erkrankungen mit Hautfibrosen, die den Verdacht auf eine systemische Sklerose lenken können, ist lang. Richtungsweisend ist, wo die Indurationen sind, und wie sie sich anfühlen. Nicht jede Hautverhärtung ist eine systemische Sklerose (SSc). Fibrosierende Hautveränderungen findet man bei vielen Erkrankungen, etwa auch bei eosinophiler Fasziitis (EF) oder unter Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (CPi). Bei der Abgrenzung geben Lokalisation und Tastbefund entscheidende Hinweise. „Ich sage meinen Patienten immer: ‚Was ich mache, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, ist Sie zu kneifen`“, sagte Professor Francesco Boin, Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles, beim Jahreskongress des American College of Rheumatology. Der Phänotyp ist für ihn der wichtigste Zugang zur Differenzialdiagnose. Differentialdiagnose: Eosinophile Fasziitis Der Rheumatologe stellte einen 59-jährigen Patienten vor, der binnen 2-3 Wochen tiefe Hautindurationen an oberen und unteren Extremitäten und am Stamm entwickelte. Die Hände blieben ausgespart. Im Labor fielen eine Eosinophilie von 13,5 Prozent und eine auf 58 mm/h beschleunigte Blutsenkung auf. Antinukleäre Antikörper (ANA) waren negativ. Eine Exzisionsbiopsie ergab ausgeprägte Fibrosen und entzündliche Infiltrate in Dermis, Subkutis, Fettsepten und Muskelfaszie, passend zu einer EF. Während die Gewebeeosinophilie oft gar nicht stark ausgeprägt sei, sei der Befall von Stamm, Hals und Extremitäten, nicht aber der Hände und Füße, typisch, ebenso rasch konfluierende Läsionen. Die tiefen Hautverhärtungen fühlen sich hölzern oder murmelartig an und führen zu kräuseligen Einziehungen der anders als bei SSc nicht mitbetroffenen Epidermis. Über Venen erscheinen Gräben (“Groove Sign“). Ein wichtiger Unterschied zur SSc ist auch, dass ein Raynaud-Syndrom fehlt. „Eine signifikante Untergruppe von Patienten hat Zeichen einer Tenosynovitis oder sogar einer entzündlichen Gelenkerkrankung“, sagte Boin. 60-70% haben eine Blut-Eosinophilie, 30-40% ANA, 50-70% erhöhte Entzündungswerte und 75% eine gewöhnlich polyklonale IgG-Hypergammaglobulinämie. Muskelenzymanstiege und Blutdyskrasien sind möglich. Komorbiditäten seien häufig, 50 % der Patienten hätten eine Morphea. Stanzbiopsien machen bei EF-Verdacht keinen Sinn, sie sind zu oberflächlich. Wichtig ist, die Faszie mit zu erfassen. Die Entzündung lässt sich auch in der Magnetresonanztomografie darstellen. Das hilft, geeignete Biopsiestellen zu identifizieren und im Zweifel im Verlauf Gewebeschäden von persistierender Krankheitsaktivität abzugrenzen. Wichtig ist, die Therapie nicht zu schnell wieder abzusetzen, sondern sie über 12-18 Monate langsam auszuschleichen. Unter Glukokortikoiden (GC) und, falls nötig, GC-sparenden Immunsuppressiva sei Remission die Regel, brauche aber Zeit, betonte Boin. Bevorzugt würden Methotrexat oder Mycophenolat, eine evidenzbasierte Therapie gebe es nicht. Residuen seien die Norm. „Einige Kontrakturen und Schäden können bleiben.“ Bei refraktärer Entzündung ist eine Alternativdiagnose in Betracht zu ziehen. „Es gibt eine Assoziation mit Malignomen, vor allem, wenn sich die Eosinophile Fasziitis im höheren Alter manifestiert.“ Weitere Differentialdiagnosen Eine pansklerotische Morphea findet man gelegentlich als Immunreaktion unter CPi, wie Pembrolizumab und Nivolumab. Bei dieser oft durch Infekte komplizierten, mitunter aggressiv mutilierenden zirkumskripten Sklerodermieform entwickeln sich rasch konfluierende Läsionen mit Neovaskularisationen, Ulzera und manchmal schweren Kontrakturen. Am Stamm, der häufigsten Manifestationsstelle – Extremitäten können auch betroffen sein –, nehmen die Fibrosierungen charakteristischerweise eine Form an, die an die Rückenansicht eines Tank Tops erinnert. Man spricht deshalb vom „Tank-Top-Sign.“ Oft bedarf es einer aggressiven Immunsuppression. Systemische Manifestationen gibt es nicht. Anders ist das beim Skleromyxödem, das in 70% mit einer monoklonalen Gammopathie, ferner mit Krampfanfällen, pulmonaler Hypertonie, Arthritiden und Kontrakturen einhergehen kann. Typisch sind langsam fortschreitende, wächserne Hautverdickungen mit papulösen Eruptionen an den Fingern und im Gesicht, vor allem an Glabella und Ohren. Boin: „Man guckt immer auf und hinter die Ohrläppchen.“ Therapie der Wahl sind intravenöse Immunglobuline. Oberer Rücken, Nacken und Interscapulargegend sind Prädilektionsstellen beim Sklerödem. Es lässt sich nicht eindrücken, fühlt sich teigig oder hölzern an. Abgesehen vom klassischen, postinfektiösen Scleroderma adultorum mit möglicher Herz- und Muskelbeteiligung verläuft es sehr indolent. Ansonsten kommt es bei Blutdyskrasien und Diabetes vor. Die klassische Form kann sich spontan rückbilden. „Es gab einen gewissen Nutzen mit Licht- oder sogar Elektronenstrahltherapien“, so Boin, „Immunsuppression ist extrem undankbar.“ basierend auf: Boin: Scleroderma Mimics. Vortrag, Session “Rheumatic Masqueraders: Mimics of Rheumatic Diseases”, hybrid, 13.11.2022, ACR Convergence 2022, Philadelphia, 11. - 15.11.22 Alle Berichte vom ACR 2022

Springer Medizin

Sklerodermie? – Auf den Phänotyp kommt es an!

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Neu im Fachgebiet Innere Medizin

Therapiestart mit Blutdrucksenkern erhöht Frakturrisiko

Adjuvante Immuntherapie verlängert Leben bei RCC

Alectinib verbessert krankheitsfreies Überleben bei ALK-positivem NSCLC

Metformin rückt in den Hintergrund

Update Innere Medizin