LEADER-Update 2017: Herzschutz durch GLP-1-Analogon untermauert

Der kardiovaskuläre Schutzeffekt durch Liraglutid bei Typ-2-Diabetikern in der Endpunktstudie LEADER ist offenbar unabhängig von der Komedikation oder der verringerten Rate schwerer Hypoglykämien mit dem GLP-1-Analogon. Diese und andere Post-hoc-Resultate wurden beim US-Diabeteskongress 2017 vorgestellt. LEADER-Ergebnisse waren Mitte Juni 2016 erstmals publiziert worden. In der Studie erhielten 9340 Typ-2-Diabetiker im Alter ab 60 Jahren mit kardiovaskulärer Erkrankung oder ab 50 Jahre mit entsprechenden Risikofaktoren randomisiert entweder Liraglutid (Victoza® bis zu 1,8 mg/d) oder Placebo zusätzlich zur Standardtherapie und wurden bis zu 5 Jahre nachbeobachtet. Das Verumpräparat verringerte das Risiko für kardiovaskulären Tod um signifikante 22 %, das Risiko für nicht tödlichen Herzinfarkt um 12 % und nicht tödlichen Schlaganfall um 11 %. Der primäre kombinierte Endpunkt (MACE) für das erste Auftreten eines der drei Ereignisse wurde um signifikante 13 % gesenkt (HR 0,87). Soweit der Rückblick. Positiver Effekt in Primär- und Sekundärprävention Inzwischen wurde unter anderem das kardiovaskuläre Outcome näher beleuchtet. Prof. Richard Pratley vom Florida Hospital und Translational Research Institute in Orlando, Florida, stellte diese neuen Erkenntnisse beim Kongress in San Diego vor. Die Betrachtung der kardiovaskulären Ereigniszahlen insgesamt bekräftigt das positive Ergebnis der Studie: Mit Liraglutid waren es 735, mit Placebo 870 Ereignisse (p= 0,004). Das Medikament entfalte dabei seine Wirksamkeit bei kardiovaskulären Risikopatienten sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention, so der Endokrinologe. Vorteil nicht durch Begleitmedikation erkauft Bei der Suche nach eventuellen Einflüssen der kardiovaskulären oder antidiabetischen Basismedikation auf den primären Endpunkt – für die beide Gruppen im Wesentlichen gut gematcht waren - wurde man nicht fündig. Weder bei Adjustierung auf Betablocker (etwas häufiger verordnet in der Verumgruppe) oder ACE-Hemmer noch bei der auf Statine oder Plättchenhemmer veränderte sich der Vorteil durch den GLP-1-Rezeptoragonisten (HR 0,86 bzw. 0,87). Nach der Publikation der Studie stand die Frage im Raum, ob das positive Ergebnis mit Liraglutid im primären Endpunkt auch durch einen Nachteil in der Placebogruppe hervorgerufen worden sein könnte. In erster Linie dachte man dabei an den vermehrten Einsatz von Insulin oder Insulinsekretagoga, um das HbA1c-Ziel zu erreichen. Die Reduktion der Ereignisrate zeigte sich jedoch unabhängig von einer Insulintherapie, ob bereits zu Beginn oder im Verlauf der Studie, und war auch ohne Addition eines Sulfonylharnstoffs oder Glitazons zu beobachten, wie Pratley berichtete. „Liraglutid hatte vor dem breiten Spektrum verschiedener Begleitmedikationen denselben Effekt.“ Fokus auf Hypoglykämien Einen scharfen Blick warf man auf das Outcome nach schwerer Hypoglykämie. Insgesamt waren in der Liraglutidgruppe signifikant weniger davon aufgetreten (114 vs. 153). Wie zu erwarten gab es bei moderater und schwerer Niereninsuffizienz in beiden Gruppen gehäuft Hypoglykämien. Mit 7,6/100 Beobachtungsjahre waren Patienten mit Placebo und einer eGFR <30 ml/min/1,73 m3 am häufigsten betroffen. Aber selbst wenn es zur schweren Unterzuckerung kam, blieb beim primären Endpunkt der Vorteil in der Liraglutidgruppe erhalten, wenn auch aufgrund der geringen Fallzahlen nicht mehr signifikant. Ob mit oder ohne Hypoglykämie „die Hazard Ratio war praktisch identisch“, so Pratley (0,88 vs. 0,85). Eine spezielle Betrachtung der Assoziation zwischen dem Auftreten einer schweren Hypoglykämie und dem primären Endpunkt (MACE) sowie der kardiovaskulären und Gesamtmortalität in LEADER stellte Prof. Bernard Zinman vom Mount Sinai Hospital in Toronto/Kanada gesondert in San Diego von [2]. Insgesamt war das Risiko für das Eintreten eines dieser Endpunkte nach einer schweren Hypoglykämie etwa verdoppelt. Den Spitzenwert erreichte die Hazard Ratio mit 12,6 (p<0,0001) für kardiovaskulären Tod 30 Tage nach einer schweren Hypoglykämie. Und auch nach 60 Tagen war das kardiovaskuläre und Gesamtsterberisiko noch massiv erhöht. Es sei zwar noch immer unklar, ob die Hypoglykämie ein Marker für besonders gefährdete Patienten ist oder die Ereignisse direkt auslöst. Aber wie wichtig es ist, sie zu verhindern, werde damit einmal mehr unterstrichen, so Prof. Steven Marso vom Research Medical Center in Kansas City/USA und Leiter der LEADER-Studie. Was bedingt den Schutzeffekt? Nicht wesentlich weiter gekommen ist man im vergangenen Jahr bei der Suche nach einer befriedigenden Erklärung, wie Liraglutid seinen kardiovaskulären Nutzen entfaltet. Denn obwohl es im Mittel Verbesserungen gegenüber Placebo bei HbA1c (-0,4 %-P.), Gewicht (-2,3 kg, signifikant), systolischem Blutdruck (-1,2 mmHg, signifikant) und Blutfetten gab, sei es sehr unwahrscheinlich, dass diese als alleinige Ursache herhalten könnten, wie Pratley betonte. So veränderte sich etwa der Anteil der Patienten, die den primären Endpunkt nach dem 6. Studienmonat erreichten (12-15 %), nur unwesentlich, betrachtete man die Tertiale mit der stärksten, mittleren und geringsten HbA1c-Senkung (Reduktion unter 0,4 %-Punkten, um mehr als 1,4 %-P. oder dazwischen). Allerdings war die Ereignisrate in den beiden Tertialen mit der stärksten HbA1c-Senkung durch Liraglutid mit 12 % am geringsten. Kardiovaskulären Hochrisikopatienten unmittelbar helfen Welche Schlüsse für die tägliche Praxis lassen sich nun aus den LEADER-Ergebnissen ziehen? Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko profitieren besonders von Liraglutid, vor allem jene nach Herzinfarkt und mit eingeschränkter Nierenfunktion, fasste PD Dr. Michael Lehrke, Kardiologe vom Uniklinikum RWTH Aachen den Erkenntnisstand zusammen. Für diese Patienten sei es keine Option, den HbA1c-Wert zu senken und zehn Jahre auf einen Vorteil zu warten. Ihnen könne man nun unmittelbar helfen. Seiner Meinung nach verliert der HbA1c-Wert außerhalb der Diagnosestellung immer mehr an Bedeutung. Und: Nach Metformin sind Antidiabetika nicht mehr gleichberechtigt, wie noch in vielen Leitlinien aufgeführt, und die vorteilhaften prognostischen Effekte substanzspezifisch. „Antidiabetika sollten in der Lage sein, die Prognose der Patienten zu verbessern, wenn wir das geschafft haben, können wir uns den HbA1c-Wert noch einmal angucken.“. basierend auf: Symposium “New Learnings from the Results of the Liraglutide Effect and Action in Diabetes — Evaluation of Cardiovascular Outcome Results (LEADER) Trial”, 11.6.2017, und Pressekonferenzen (deutsch und international) vom Pharmaunternehmen Novo Nordisk, 12.6.2017, anlässlich der 77. Scientific Sessions der American Diabetes Association, 9.-13.6.2017, San Diego/USA

Springer Medizin

LEADER-Update 2017: Herzschutz durch GLP-1-Analogon untermauert

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft