Wie Ärzte und Ärztinnen mit ADHS erfolgreich im Beruf sein können

An der Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung leiden überdurchschnittlich viele Ärzte, betont Dr. Heiner Lachenmeier. Der Psychiater hat selbst die Diagnose erhalten und gibt Betroffenen Tipps, wie sie ihren beruflichen Alltag meistern. Erfolgreich im Beruf trotz Diagnose ADHS? Für den Schweizer Dr. Heiner Lachenmeier, Facharzt für Psychiatrie und Psychologie, ist das kein Widerspruch. Er spricht aus Erfahrung: Bei ihm wurde die Aufmerksamkeitsdefizits/Hyperaktivitätsstörung festgestellt, als er bereits erwachsen war. In seiner psychiatrischen Praxis gibt er Betroffenen Tipps, wie sie mit ADHS ihren beruflichen Alltag meistern – und sogar vermeintliche Schwächen in Stärken umwandeln können. Aus seinen Erfahrungen hat er einen Leitfaden zusammengestellt, der nun im Springer Verlag erschienen ist. Der Ratgeber soll jedoch nicht nur Betroffenen, sondern auch Ärzten und Psychiatern Hilfestellung bieten. Die Quote an Ärzte mit ADHS liege mit etwa 5-7 Prozent höher als in der Gesamtgesellschaft (rund vier Prozent). „ADHS-Patienten haben eine besondere Wahrnehmung für die Befindlichkeiten ihres Gegenüber“, erläutert Lachenmeier, eine Eigenschaft, die auch bei Psychiatern und Psychologen von Berufs wegen stark ausgeprägt ist. Organisation macht häufig Schwierigkeiten Auf welche Probleme treffen Erwachsene mit ADHS denn an ihrem Arbeitsplatz? Sie haben vor allem dann besondere Schwierigkeiten, wenn es um organisatorische Belange geht, so sind sie oftmals nicht in der Lage Termine einzuhalten, scheitern an Routineaufgaben oder verzetteln sich in Details. Generell kommt es in der Zusammenarbeit mit ADHSlern häufig zu Missverständnissen. Werden sie von Vorgesetzten oder Kollegen kritisiert oder machen Fehler, stürzen sie in tiefe Selbstzweifel. Lachenmeier spricht von dem „negativen Röhrenblick“. Jeder Hinweis auf noch so kleine Fehler wird als totale Ablehnung wahrgenommen. Aggressionen und Versagensängste sind die Folge. Vor allem zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses könne es für Betroffene heikel werden, sagt der Schweizer. Weil sie Schwierigkeiten haben, die auf sie einstürzenden Informationen in wichtig und unwichtig zu filtern, brauchen sie oftmals länger, sich in der neuen Aufgabe zurechtzufinden. Daher überstehen nicht alle die Probezeit. Dr. Heiner Lachenmeier: Vor 20 Jahren bekam er die Diagnose ADHS, nun berät der Psychiater andere Betroffene. Kein Outing beim Arbeitgeber Sich beim Arbeitgeber als ADHSler zu outen, davon rät Lachenmeier häufig ab. Denn: „Über ADHS kursiert zu viel Halbwissen. Sprechen Patienten offen über ihre Diagnose, gelten sie schnell als Problemmitarbeiter.“ Helfen könne dagegen, konkret zu erklären, warum sie sich so in bestimmten Situationen verhalten. Ein probates Mittel kann eine kurze Rücksprache mit einem guten Kollegen sein: Schätze ich die Situation richtig ein? Wie habe ich reagiert? Um mit ihrer Störung umzugehen, ist es wichtig, dass die Betroffenen wissen, wie sie funktionieren. In seinem Buch empfiehlt Lachenmeier, den Umgang mit negativen Erfahrungen immer wieder zu trainieren. Denn eine bessere Selbstregulation bedeutet mehr Lebensqualität, größere Zufriedenheit mit sich selbst und mehr Gelassenheit. Adrenalinschübe verleiten zu Höchstleistungen Akuter Stress führt aber auch zu positiven Erlebnissen, Adrenalinschübe verleiten oftmals zu Höchstleistungen. „Es ist bekannt, dass Erwachsene mit ADHS in der Regel überdurchschnittlich hilfsbereit sind. Ihre Performance bei Unfällen, Katastrophen und in Notfallsituationen ist daher meist außergewöhnlich gut.“ Unter Nothelfern und Notfallärzten finde man auffallend viele ADHSler. Ebenso wie den negativen gebe es auch den positiven Röhrenblick. Dabei spricht der Psychiater von Hyperfokussierung: „Hat ein ADHSler ein genuines Interesse an etwas, kann er sich besser und länger darauf konzentrieren als jemand ohne die Störung.“ Dr. Heiner Lachenmeier: Mit ADHS erfolgreich im Beruf. Springer Verlag, 2021. Quelle: Ärzte Zeitung

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