Stimulanzientherapie schützt nicht vor späterem Substanzkonsum

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in der Kindheit birgt ein erhöhtes Risiko für den späteren Konsum von schädlichen Substanzen, wie Alkohol, Tabak oder Cannabis. Kann eine frühe Therapie mit Stimulanzien dies verhindern? Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Vorherige Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was den Substanz- bzw. Drogenkonsum von Jugendlichen und jungen Erwachsenen angeht, die an ADHS leiden und Stimulanzien wie Methylphenidat einnehmen. Die Autorinnen und Autoren einer aktuellen Studie kritisieren jedoch, dass bisher in Untersuchungen das breite Spektrum an demografischen, klinischen und psychosozialen Faktoren, die sowohl zum Substanzmissbrauch als auch zur Behandlung beitragen, nicht umfassend und prospektiv untersucht worden sei. Besonders das Alter erschwere es, eine Assoziation zwischen Stimulanzien- und Substanzeinnahme zu generieren. Denn in der Adoleszenz eskaliert häufig der Konsum diverser psychoaktiver Stoffe, gleichzeitig wird es zunehmend unwahrscheinlich, dass Jugendliche mit ADHS weiterhin ihre verschriebenen Medikamente einnehmen. Forschende um Brooke S. G. Molina vom Department of Psychiatry der University of Pittsburgh überprüften nun die Annahme, dass ein jüngeres Alter bei Behandlungsbeginn und eine längere Behandlungsdauer zu weniger Drogenkonsum führen würden. Sie wendeten dafür eine kausale Analysemethode in Form von marginalen Strukturmodellen an, um das Problem der dynamischen Störfaktoren, wie dem Alter, zu lösen. Molina et al. griffen für ihre Analyse auf Probandinnen und Probanden der „Multimodal Treatment Study of ADHD“(MTA) zurück. Bei der MTA handelt es sich um eine Multicenterstudie, die an sechs Standorten in den USA und Kanada als 14-monatige randomisierte, klinische Studie zu Medikamenten- und Verhaltenstherapie bei ADHS initiiert wurde, dann aber in eine Längsschnittbeobachtungsstudie überging. Die Teilnehmenden wurden zwischen 1994 und 1996 rekrutiert. Demografische, klinische (einschließlich Konsum von Substanzen) und Behandlungsvariablen wie Stimulanzientherapie wurden erfasst. Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren mit ADHS vom kombinierten Typ wurden bis zu einem Durchschnittsalter von 25 Jahren wiederholt untersucht. Empfehlung der Redaktion Psychopharmakotherapie – Themenseite Welche Psychopharmaka sind für welche Erkrankung besonders geeignet und auf was ist zu achten? Auf der Themenseite finden Sie vielfältige Informationen zur Psychopharmakotherapie – Übersichtsarbeiten, Leitlinien, Nachrichten und Kasuistiken. Insgesamt wurden 579 Kinder (Durchschnittsalter bei Studienbeginn: 8,5 Jahre; 80% männlich) von Molina und ihre Studiengruppe begutachtet. Sie konnten keine Hinweise darauf entdecken, dass die Behandlung mit Stimulanzien in der Kindheit mit einem verringerten oder gar erhöhten Risiko für den späteren regelmäßigen Konsum von Alkohol, Marihuana, Zigaretten oder anderen Substanzen im Teenager- oder jungen Erwachsenenalter verbunden ist. „Die Ergebnisse blieben auch nach Berücksichtigung entgegengesetzter altersbezogener Trends bei der Behandlung mit Stimulanzien und dem Substanzkonsum bestehen“, so das Team um Molina. Sie schließen außerdem aus ihren Ergebnissen, dass Methylphenidat und Co. einige wichtige Risikofaktoren des Konsums von psychoaktiven Stoffen, einschließlich Impulsivität und Verzögerungsaversion bei Belohnung, nicht dauerhaft verändern können. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass für Personen mit ADHS möglicherweise mehr und andere Behandlungen erforderlich seien, um dem eskalierenden Substanzkonsum entgegenzutreten, der bekanntermaßen einer Suchterkrankung vorausgeht. Zum Schluss bestärken die Studienautorinnen und -autoren die gängige Praxis: Eine Kombination aus Pharmakotherapie (einschließlich Stimulanzien), Psychoedukation und Psychotherapie könne für Personen mit ADHS, bei denen es zu Substanzmissbrauch komme, nach wie vor von Nutzen sein. Das Wichtigste in Kürze Frage: Vermindert die Verabreichung von Stimulanzien zur Behandlung der ADHS bei Kindern einen späteren Substanzkonsum? Antwort: Es ergab sich kein Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Stimulanzien und dem Substanzkonsum im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter. Bedeutung: Eine Prävention des Substanzkonsums muss früh beginnen, wenn das Belohnungsstreben der ADHS-Patienten und das soziale Umfeld die anfängliche Einnahme verschiedener psychoaktiver Stoffe bestimmen. Einschränkung: Den Forschenden fehlten medizinische Aufzeichnungen zur Verifizierung der Medikamentenanamnese.

Springer Medizin

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