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2024 | Buch

Adipositas

Ätiologie, Folgekrankheiten, Diagnostik, Therapie

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Über dieses Buch

Es ist „normal“, nicht normalgewichtig zu sein. Die Adipositas ist mehr als eine Befindlichkeitsstörung, sie ist eine Krankheit, eine Volkskrankheit.

Was sind die Grundlagen und Ursachen?

Psychologisch und physiologischGenetische Faktoren und UmweltfaktorenDysregulation von Hunger und Sättigung sowie des EnergiestoffwechselsFolgekrankheiten

Vom Diabetes bis zu KarzinomenVom Fersensporn bis zur WirbelsäulendegenerationVon der Stigmatisierung bis zur Essstörung

Welche Therapie ist wann sinnvoll?

Keine Crashdiäten – langfristige ErnährungsumstellungAdipositasgerechte BewegungstherapieVerhaltensmodifikation, ggf. VerhaltenstherapieBariatrische Chirurgie als ultima ratio

NEU u.a.

Digitale Ansätze zur GewichtssenkungNeue MedikamenteStabilisierung des GewichtserfolgsModerne laparoskopische Adipositaschirurgie

Nach den Leitlinien

DAG, Deutsche Adipositas-GesellschaftDGE, Deutsche Gesellschaft für ErnährungDGEM, Deutsche Gesellschaft für ErnährungsmedizinDDG, Deutsche Diabetes-Gesellschaft

DAS Nachschlagewerk, das alle Bereiche der Adipositas umfassend, interdisziplinär darstellt.

Für alle Fachleute, die in Krankenhäusern, Reha-Kliniken und niedergelassenen Praxen mit adipösen Patienten arbeiten: Ärzte (Internisten, Allgemeinmediziner, Pädiater, Gynäkologen, Endokrinologen …), Ernährungsfachkräfte, Klinische Psychologen, Psychotherapeuten, Bewegungstherapeuten, Gesundheitsberater …

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Definition – Klassifikation – Untersuchungsmethoden

Frontmatter
1. Definition und Klassifikation
Zusammenfassung
Übergewicht/Adipositas kann allgemein als eine Vermehrung des Körperfetts definiert werden, die über das Normalmaß hinausgeht und mit einer Gesundheitsgefährdung bzw. mit einem erhöhten Risiko für Folgeerkrankungen einhergeht. Die Klassifikation von Übergewicht ist unverzichtbar für die Risikoabschätzung und Klärung der Behandlungsindikation sowie Behandlungsart.
Hans Hauner
2. Diagnostik und Untersuchungsmethoden
Zusammenfassung
In der ärztlichen Praxis sind der Body Mass Index (BMI) und der Taillenumfang (waist circumference) Teil der Diagnostik von Übergewicht und Adipositas. Ihre Anwendung gründet auf ihrer einfachen Messung, dem Vorhandensein von Referenzwerten sowie den Ergebnissen epidemiologischer Studien, welche einen statistischen Zusammenhang zwischen einem steigendem BMI (bzw. einem hohen Taillenumfang) und einer erhöhten Mortalität belegen. Im Einzelfall sind diese Parameter aber nicht geeignet, den adipösen „Phänotyp“ hinreichend zu beschreiben.
M. J. Müller, A. Bosy-Westphal

Epidemiologie - Ätiologie

Frontmatter
3. Epidemiologie bei Erwachsenen
Zusammenfassung
Prävalenzangaben zur Häufigkeit der Adipositas basieren auf dem BMI, wobei zwischen Selbstangaben und gemessenen Werten zu unterscheiden ist. Im letzten Gesundheitssurvey (DEGS, 2008 – 2011) wiesen 23,9 % der Frauen und 23,3 % der Männer im Alter von 18 – 79 Jahren eine Adipositas auf. Regelmäßig erhobene Befragungsdaten zeigten in den letzten 20 Jahren einen Anstieg der Adipositasprävalenz. Personen mit niedrigem Sozialstatus sind deutlich häufiger betroffen als Personen mit hohem Sozialstatus.
A. Schienkiewitz
4. Sozialmedizinische Aspekte
Zusammenfassung
Das Körpergewicht wird in allen Kulturen von Einstellungen, Normen und dem sozioökonomischen Status geprägt. Insbesondere beim Übergang von der Agrar- zu einer Industriegesellschaft ergaben sich erhebliche Änderungen beim Körpergewicht, was nicht nur mit der Nahrungsversorgung zusammenhängt. Offensichtlich ist die Abhängigkeit des Gewichtes von sozialen, kulturellen und ökonomischen Faktoren, was darauf hinweist, dass die Adipositas von Umweltfaktoren und nicht nur von genetischen und persönlichen Faktoren bestimmt wird. Die Sozialmedizin liefert somit nicht nur epidemiologische Daten, sondern auch Erkenntnisse zur Ätiologie, Prävention und Therapie.
Alfred Wirth
5. Ökonomische Aspekte
Zusammenfassung
Das quantitative Ausmaß der sog. „Adipositasepidemie“ ist nicht nur aus gesundheitlicher, sondern auch aus ökonomischer Perspektive besorgniserregend. Schon allein aufgrund der hohen Prävalenz muss sowohl in Deutschland als auch weltweit von einer erheblichen Belastung der Gesundheitsbudgets durch Übergewicht und Adipositas ausgegangen werden. Eine Quantifizierung der mit Adipositas assoziierten Kosten kann dazu beitragen, diese Problematik auch politischen Akteuren sichtbar zu machen und ggf. Bereiche mit besonderem Handlungsbedarf zu identifizieren. Des Weiteren stellt sich die Frage, welche präventiven oder therapeutischen Interventionen als kosteneffektiv anzusehen sind, wenn die hierfür aufzubringenden Mittel für die Intervention, die erzielten Gesundheitsgewinne und die zukünftig resultierenden Einsparungen berücksichtigt werden.
M. Laxy, C. Teuner
6. Genetik
Zusammenfassung
Obwohl die Erblichkeit der Ausprägung des Körpergewichts hoch ist, konnten molekulargenetische Faktoren bislang nur einen relativ kleinen Anteil davon erklären. Es wurden wenige monogene Formen der Adipositas identifiziert, bei denen der Ausfall eines einzelnen Genprodukts bereits zu einer extremen Adipositas führt. So haben funktionell relevante Mutationen im Leptin- oder Leptinrezeptorgen einen monogenen Effekt hinsichtlich der Entwicklung einer Adipositas (Hinney et al. 2022). Sie finden sich nur bei wenigen Familien weltweit. Funktionell relevante Mutationen im Melanokortin-4-Rezeptorgen (MC4R) finden sich dagegen bei bis zu 6 % der extrem adipösen Kinder und Jugendlichen sowie Erwachsenen (Hinney et al. 2013). Diese Mutationen stellen daher den verbreitetsten Hauptgeneffekt dar. Syndromale Formen der Adipositas, die durch monogene Veränderungen verursacht werden, sind insgesamt sehr selten; bisher wurden ca. 50 verschiedene solche Syndrome beschrieben (Kiess et al. 2009; Weihrauch-Blüher und Vilser 2018). Sie zeichnen sich durch weitere spezifische klinische Merkmale aus und es bestehen ein charakteristisches Präsentationsalter sowie ein spezifischer Phänotyp.
S. Weihrauch-Blüher, L. S. Rajcsanyi, Y. Zheng, J. Giuranna, A. Hinney
7. Perinatale Determinanten
Zusammenfassung
Als pränatale oder perinatale bzw. frühkindliche Determinanten für die Entwicklung von Übergewicht oder Adipositas bei Kindern und Jugendlichen – definiert anhand von alters- und geschlechtsspezifischen Perzentilen oder Z-Scores für u. a. den Body Mass Index – werden verschiedene Faktoren diskutiert, die entweder einen adversen oder protektiven Einfluss ausüben können. Diese Einflussfaktoren umfassen den erhöhten maternalen präkonzeptionellen BMI bzw. maternales präkonzeptionelles Übergewicht und Adipositas, Rauchen und eine exzessive Gewichtszunahme während der Schwangerschaft, Gestationsdiabetes, Gestationshypertonie sowie Multiparität, Kaiserschnittgeburt und das kindliche Darmmikrobiom, aber auch Stillen und eine rasche kindliche Gewichtszunahme in den ersten 1–2 Lebensjahren. Die Evidenz basiert hierbei auf tierexperimentellen Studien und Beobachtungsstudien beim Menschen. Als hochrelevanter Risikofaktor stellt sich das maternale Übergewicht bzw. die Adipositas bei Konzeption dar. Die Planung von präventiven Interventionsstrategien sollte daher früh im Leben auftretende Determinanten für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas beim Kind einbeziehen.
S. Perschbacher, N. Eckel, D. Gomes, I. Nehring, R. Ensenauer

Energiestoffwechsel - Fettgewebe

Frontmatter
8. Energieaufnahme – Zentrale Steuerung von Hunger und Sättigung
Zusammenfassung
In den letzten 30 Jahren generierte die Forschung eine schier unüberschaubare Fülle von Daten bezüglich der Rolle einzelner Neurotransmitter und Hirnareale bei der zentralen Steuerung der Nahrungsaufnahme. Die Anwendung hochauflösender bildgebender Verfahren am Menschen und insbesondere der Einsatz moderner molekularer und genetischer Techniken an Labortieren führte zu Erkenntnissen mit beeindruckender molekularer Spezifität bezüglich Signalverarbeitung und -weiterleitung auf zellulärer Ebene, was für die rasante Entwicklung des gesamten Forschungsgebiets entscheidend war. Dieses Kapitel versucht, die zum Teil verwirrenden Befunde bezüglich der Rolle von Neurotransmittern und Hirnarealen in ein übergreifendes Schema einzuordnen und darzustellen, wie die vielfältigen physiologischen Signale auf verschiedenen Ebenen der zentralnervösen Netzwerke interagieren, um den Beginn und das Ende spontaner Mahlzeiten zu steuern.
Wolfgang Langhans
9. Gastrointestinale Regulation des Energiestoffwechsels
Zusammenfassung
Im Jahr 1841 formulierte der deutsche Arzt Julius Robert von Mayer den Urgedanken des „ersten Hauptsatz der Thermodynamik“, welcher besagt, dass Energie weder geschaffen noch zerstört werden kann, sondern lediglich von einer Energieform in eine andere umgewandelt wird. Das von Mayer postulierte „Energieerhaltungsgesetz“ bildet bis heute die Grundlage des Energiestoffwechsels. Angewendet auf den Organismus bedeutet es, dass das Körpergewicht nur konstant gehalten werden kann, wenn die mit der Nahrung aufgenommene Energie exakt dem Energiebedarf des Körpers entspricht. Jede längerfristige Abweichung von diesem Gleichgewicht führt unausweichlich zu einer Gewichtszunahme oder zu einem Gewichtsverlust. Da der Energieumsatz des Organismus natürlichen Schwankungen unterliegt, muss die Energieaufnahme durch ständige Regulation von Hunger und Sättigung an die sich verändernden Energiebedürfnisse des Körpers angepasst werden. Um diese Aufgabe zu erfüllen, muss das Gehirn fortlaufend Informationen über den Füllzustand der Energiereserven erhalten. Diese Funktion wird v. a. durch die Organe des Verdauungstrakts sowie durch das endokrin hochaktive Fettgewebe erfüllt. Der Verdauungstrakt umfasst die Organe für Aufnahme, Zersetzung und Resorption der Nahrung und besteht aus Mundhöhle, Pharynx, Speiseröhre, Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt), Leber und Pankreas. Dem GI-Trakt kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, da dieser in Anhängigkeit der Nahrungsaufnahme eine Vielzahl an Signalen zur Regulation des Energiestoffwechsels produziert. Dieses Kapitel wird die Rolle des Verdauungstrakts in der Steuerung der Energiebilanz näher beleuchten.
Sonja C. Schriever, Chun-Xia Yi, Paul T. Pfluger, Matthias H. Tschöp, Timo D. Müller
10. Intestinale Mikrobiota
Zusammenfassung
Der menschliche Darm wird durch eine Vielzahl an Mikroorganismen kolonisiert. Die Gesamtheit dieser Mikroorganismen wird als intestinale Mikrobiota bezeichnet und ist sehr individuell zusammengesetzt. Eine steigende Anzahl systemischer und gastrointestinaler Erkrankungen werden mit einer Veränderung der komplexen Bakteriengemeinschaften in Verbindung gebracht, wobei der kausale Zusammenhang und die zugrundeliegenden Mechanismen noch vielfach unbekannt sind. Neue kultivierungsunabhängige Sequenzierungstechnologien machen es möglich, die komplexe Diversität und Funktionalität der intestinalen Mikrobiota in großen Populationsstudien zu untersuchen. Nach über 10 Jahren intensiver klinischer Forschung und Tierversuchen wird die Wirksamkeit erster mikrobieller Therapien wie die Stuhltransplantation bei Immun- und Stoffwechselerkrankungen untersucht.
Janine Kövilein, Dirk Haller
11. Energieaufnahme – diätetisch
Zusammenfassung
Die Zunahme der Adipositasprävalenz ist in erster Linie den adipogenen Lebensbedingungen geschuldet. Eine längerfristige Energieaufnahme über den Energieverbrauch hinaus (positive Energiebilanz) führt in der Regel zu einem Körpergewichtsanstieg. Verschiedene Faktoren wie Portionsgrößen oder Energiedichte von Lebensmitteln tragen zu einer positiven Energiebilanz bei. Die Möglichkeiten zur Ernährungserhebung (z. B. Ernährungsprotokoll, Verzehrshäufigkeitsfragebogen) sind vielfältig, aber auch mit Fehlern (z. B. „underreporting“) behaftet. Digitale Methoden haben großes Potenzial, die Ernährungserhebung zu erleichtern und zu verbessern.
C. Holzapfel, Alfred Wirth
12. Psychosomatische Aspekte
Zusammenfassung
Übergewicht und Adipositas sind weit verbreitet und gehen mit einer deutlichen Steigerung des Gesundheitsrisikos einher. Auf dem Hintergrund einer Gen-Umwelt-Interaktion ist die Ätiologie der Adipositas multifaktoriell, wobei die Hyperalimentation und körperliche Inaktivität als Ausdruck des rasanten technischen Fortschritts der letzten Jahrzehnte maßgeblich an der pandemischen Ausbreitung der Adipositas beteiligt sind. Obwohl phylogenetisch sinnvoll, führt eine Umwelt, die Schlankheit mit Schönheit, Gesundheit, körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit assoziiert zu einer Stigmatisierung adipöser Menschen. Die Folge sind psychische Symptome und Störungen. Umgekehrt können seelische Probleme bis zu dem Vollbild einer psychischen Störung zu einer Veränderung des Ess- und Bewegungsverhaltens führen, deren Folge eine anhaltend positive Energiebilanz mit Übergewicht bzw. Adipositas ist. Die moderne psychosomatische Adipositasforschung interpretiert seelische Aspekte vorherrschend als abhängige Variablen.
S. Herpertz
13. Bedeutung des Energieverbrauchs
Zusammenfassung
Der Energieverbrauch („energy expenditure“, EE) des Körpers ist eine vitale Kenngröße, er ist die Summe des EE von 78 einzelnen Organen und Geweben, die 11 verschiedenen Systemen zugeordnet werden können, welche wiederum Beziehungen zu Körpergewicht und Körperzusammensetzung haben. Der EE verändert sich während eines Tages, über Zeiträume von Wochen und Monaten, während verschiedener Lebensphasen, abhängig von Gewichtsveränderungen und der Energiebilanz, bei Störungen der Schilddrüsenfunktion sowie als Antwort auf Stress, Inflammation und Krankheit.
Manfred J. Müller, Anja Bosy-Westphal
14. Sekundäre Adipositas (ausgewählte gewichtssteigernde Ursachen)
Zusammenfassung
Für die Entwicklung einer Adipositas gibt es viele Ursachen: Lebensstil, Genetik, endokrine Veränderungen, Pharmaka, mentale Störungen und hypothalamsiche Schädigungen. Neben den wichtigsten Ursachen, einer hyperkalorischen Ernährung oder einer geringen körperlichen Aktivität, gibt es eine Reihe von Faktoren, die man als ursächlich für eine sekundäre Adipositas bezeichnet. Die wichtigsten Formen werden hier dargestellt.
Alfred Wirth, S. Engeli
15. Weißes Fettgewebe
Zusammenfassung
White adipose tissue is the body‘s largest store of energy. Depending on the water content, up to 8000 kcal can be stored per kilogram of adipose tissue (Bozenraad 1911; Buenger 1929). The development of this specialized connective tissue during the evolution of vertebrates made independence from a constant supply of food possible. In addition to this function, white adipose tissue serves for padding mechanically stressed areas or organs, but also for thermal insulation. It reacts extremely plastically to the energy supply from food and, in addition to the energy metabolism, also controls the immune and reproductive functions of mammals. Despite their comparatively uniform morphology, white adipocytes perform different functions depending on their localization in the body. The starting point of modern adipose tissue research were observations made in the Jackson animal laboratory in Maine (USA) in 1949, where a hereditary extreme form of obesity was described in a wild-type colony of mice. The designation of this mouse strain as „obese“ led to the naming of the first obesity gene identified (ob). The ob mouse lacks a hormone circulating in the blood that could be transferred to it from lean mice. The protein encoded by the ob gene was named „leptin“ because of its slimming effects. The cloning of the ob-gene was published in 1994 (Zhang et al. 1994).
T. Skurk, M. Blüher, S. Engeli
16. Braunes Fettgewebe
Zusammenfassung
Die endogene Wärmeproduktion als eine Hauptkomponente des Energiehaushalts der Säugetiere ermöglicht das Leben bei hoher Körpertemperatur, ist aber auch mit stetem Wärmeverlust an die Umwelt und entsprechend hohen energetischen Kosten verbunden. Die Rate der Wärmeabgabe des Körpers wird von zwei Faktoren bestimmt. Zum einen ist sie direkt abhängig von der Temperaturdifferenz zwischen Umgebung und Körperkern, zum anderen von der Wärmedurchgangszahl. In der Thermoneutralzone genügt der Grundumsatz, um die Körpertemperatur zu verteidigen. Diese Zone liegt bei vielen Kleinsäugern sowie auch bei Menschen (unbekleidet) im Bereich von 28–32 °C (Kingma et al. 2012). Bei Absenkung der Umgebungstemperatur unter die Thermoneutralzone wird die Wärmeabgabe durch verminderte Durchblutung der Körperschale reduziert, die Körperkerntemperatur leicht abgesenkt und die thermoregulatorische Wärmebildung aktiviert. Letztere setzt sich aus zitterfreier Thermogenese im braunen Fettgewebe und Wärmebildung durch Muskelzittern zusammen. Beides führt zu einem vermehrten Energieverbrauch (Hansen et al. 2010). Es steht aktuell zur Diskussion, ob der in den letzten Jahrzehnten beobachtete Temperaturanstieg in der thermischen Umwelt des Menschen den täglichen Energieverbrauch gesenkt und damit die Entwicklung von Übergewicht und Adipositas begünstigt hat (Johnson et al. 2011).
Andrea Bast-Habersbrunner, Martin Klingenspor

Komorbiditäten

Frontmatter
17. Die Krankheit Adipositas
Zusammenfassung
Dr. Malcolm Flemying sagte vor mehr als 250 Jahren „Corpulence, when in an extraordinary degree, may be reckoned as a disease, as it in some measure obstructs … heath, a tendency to shorten life, by paving the way to dangerous distempers“. Damit waren die Folgen von Adipositas mit Einschränkung der Lebensqualität, erhöhter Morbidität und Mortalität beschrieben.
Alfred Wirth
18. Adipositas und Diabetes
Zusammenfassung
Übergewicht bzw. Adipositas ist die häufigste ernährungsbedingte Gesundheitsstörung und gilt als bei weitem wichtigster Risikofaktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes mellitus. Dieser ist nicht nur durch eine chronische Hyperglykämie als Folge einer genetisch bedingten Betazelldysfunktion gekennzeichnet, sondern auch mit einem deutlich erhöhten Risiko für Hypertonie und Dyslipoproteinämie assoziiert und prädisponiert damit letztlich für kardiovaskuläre Komplikationen, an denen viele Betroffene vorzeitig versterben.
Hans Hauner
19. Metabolisch gesunde Adipositas
Zusammenfassung
Adipositas wird von der Weltgesundheitsorganisation, internationalen und nationalen Fachgesellschaften wie der Deutschen Adipositas Gesellschaft e.V. als chronisch fortschreitende und wiederkehrende Erkrankung angesehen (WHO, World Health Organization 2016). Adipositas breitet sich seit über 50 Jahren als Pandemie in Zeitlupe weltweit aus und trägt zu zahlreichen Folgekrankheiten wie Typ-2-Diabetes, kardiovaskulären, pulmonalen, psychischen, malignen Erkrankungen sowie Krankheiten des Stoffwechsels und Bewegungsapparats bei (Blüher 2019; NCD Risk Factor Collaboration (NCD-RisC) 2017). Deshalb spielt die zielgerichtete Gewichtsreduktion eine wesentliche Rolle in der Prävention und Therapie dieser Adipositaserkrankungen.
Matthias Blüher
20. Fettlebererkrankung
Zusammenfassung
Fettlebererkrankungen können nicht nur die erste Manifestation der Adipositas außerhalb des Fettgewebes darstellen, sondern bestimmen auch deren metabolische Folgen, Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes, und sind selbst Risikofaktor für Leberzirrhose sowie kardiovaskuläre und andere Komplikationen. Neue Enwicklungen verbessern die Diagnose und zum Teil auch die Therapiemöglichkeiten der Adipositas-assoziierten Fettlebererkrankungen.
Michael Roden
21. Dyslipidämien
Zusammenfassung
Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Fettstoffwechselstörungen bei übergewichtigen Patienten häufiger sind als bei Normalgewichtigen (Cremer et al. 1994; Manson et al. 1995; Schulte et al. 1999). So zeigt sich in der PROCAM-Studie eine enge Beziehung zwischen Körpergewicht und Triglyzerid wie auch HDL-Cholesterinspiegel. Bei Adipösen (BMI 30 kg/m2) lagen die Triglyzeridspiegel um ca. 30 mg/dl höher als bei Normalgewichtigen (BMI 25 kg/m2). Eine Hypertriglyzeridämie (Triglyzeride 200 mg/dl) war bei jüngeren adipösen Frauen (20–49 Jahre) 6-mal so häufig wie bei normalgewichtigen, gleichaltrigen Frauen. Bei jüngeren adipösen Männern war die Hypertriglyzeridämie etwa 4-mal so häufig. Ähnlich ist bei adipösen Männern und Frauen ein erniedrigtes HDL-Cholesterin (35 mg/dl) etwa 3-mal so häufig wie bei Normalgewichtigen.
Klaus G. Parhofer
22. Hypertonie
Zusammenfassung
Zwischen Körpergewicht und Blutdruck bestehen enge Beziehungen, die durch umfängliche epidemiologische Studien belegt sind (Tab. 22.1). Diese großen Datensätze erlauben Berechnungen des Hypertonierisikos bei Adipositas, aber das Risiko eines einzelnen Menschen lässt sich daraus kaum ableiten. So finden insbesondere individuelle Gewichtsänderungen bei solchen epidemiologisch basierten Risikoattributionen keine Berücksichtigung. Auch Menschen mit ausgeprägter Adipositas können normale Blutdruckwerte aufweisen. Während die Pathophysiologie der adipositasassoziierten Hypertonie recht gut verstanden ist, sind Faktoren, die manche Menschen mit Adipositas vor Hypertonie schützen, bislang weitgehend unbekannt.
S. Engeli, M. May, J. Jordan
23. Kardiovaskuläre Erkrankungen
Zusammenfassung
Herzkreislaufkrankheiten stehen oft zusammen mit metabolischen Krankheiten im Mittelpunkt von adipositasassoziierten Erkrankungen. In den letzten Jahren gewann man ein differenziertes, wenn auch komplexes Bild von Ursachen, Auswirkungen und Therapie.
Alfred Wirth
24. Gastrointestinale Erkrankungen
Zusammenfassung
Adipöse Patienten klagen im Vergleich zu Normalgewichtigen mit zunehmendem BMI überproportional häufig über Oberbauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen (Eslick und Talley 2016), was sich zumindest z. T. durch die vermehrte Magendehnung aufgrund großer Essportionen und verzögerter Magenentleerung erklären lässt. Weiterhin gilt Adipositas als Risiko- oder Triggerfaktor für zahlreiche weitere gastroenterologische Erkrankungen, wie z. B. Cholezystolithiasis, die Refluxkrankheit (GERD) und deren Folgen (u. a. erosive Ösophagitis, Barrett-Ösophagus), erosive Gastritis, Diarrhö, Divertikulitis, akute Pankreatitis, Fettleber (Kap. 20) sowie verschiedene gastrointestinale Tumorerkrankungen (Tab. 24.1). Bei der Erhebung der Daten diente überwiegend der BMI als Adipositasindex, nur wenige Studien berücksichtigten zusätzlich auch die abdominale Adipositas.
K. Farrag, S. Ulrich-Rückert, J. Stein
25. Respiratorisches System
Zusammenfassung
Die Adipositas kann zu verschiedenen Komorbiditäten im Bereich des respiratorischen Systems führen. Diese umfassen im Wesentlichen lungenfunktionelle Veränderungen, die obstruktive Schlafapnoe (OSA) und das Adipositas-Hypoventilations-Syndrom (frühere Bezeichnung: Pickwick-Syndrom, „obesity hypoventilation syndrome“, OHS). Zudem existieren Beziehungen zum Asthma bronchiale. Die genannten Manifestationen der Adipositas am Respirationstrakt sind häufig und von hoher klinischer Relevanz.
R. Schulz
26. Antenatale und geburtsmedizinische Komplikationen
Zusammenfassung
Aufgrund der stetigen Rechtsverschiebung des Gebäralters nimmt auch der Anteil der Adipositas zu (Prävalenz um 20 %). Die Adipositas wird definiert als BMI über 30 kg/m2. Hiermit steigen mütterliche Risiken wie Mehrlingsschwangerschaften, Gestationsdiabetes, Präeklampsie, Harnwegsinfekte, indirekt auch Frühgeburtlichkeit, Übertragung, protrahierte Geburtsverläufe, erhöhte Sectio-/vaginal-operative Entbindungsrate sowie Wochenbettkomplikationen signifikant an. Beim Fetus sind gehäuft kongenitale Anomalien, Aborte, Makrosomien, Schulterdystokien sowie generell eine erhöhte perinatale Mortalität festzustellen. Eine präkonzeptionelle Gewichtsreduktion, Ernährungs- und Livestyleberatung, eine adäquate Therapie adipositasassoziierter Erkrankungen sowie eine prospektive risikoadaptierte Entbindungsplanung können sowohl mütterliche wie kindliche Risiken reduzieren.
K. T. M. Schneider
27. Polyzystisches Ovarsyndrom
Zusammenfassung
Ein PCOS (polyzystisches Ovarsyndrom) besteht, wenn 2 von 3 der Rotterdam-Kriterien vorliegen: An-/Oligoovulation, Hyperandrogenämie und/oder sonografische PCO-typische Ovarien. Die Insulinresistenz gehört nicht zu den Diagnosekriterien, Frauen mit PCOS haben allerdings ein erhöhtes Risiko für eine Insulinresistenz/Diabetes mellitus. Die Therapie richtet sich nach dem Beschwerdebild. Neben einer antiandrogenen Therapie sollte zusätzlich eine Beratung zur Lebensstilveränderung und zu dem erhöhten Risiko für andere Erkrankungen (metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus) durchgeführt werden.
K. Hancke
28. Orthopädische Erkrankungen
Zusammenfassung
Für jeden Arzt, nicht nur für Orthopäden, ist offensichtlich, dass die Adipositas degenerative Veränderungen an Gelenken und Wirbelkörpern verursacht. Trotz einer klaren Evidenz gibt es immer noch erstaunlich wenig Untersuchungen, insbesondere zur Epidemiologie und Pathophysiologie. Betroffen sich v. a. die Wirbelsäure, das Hüftgelenk, das Kniegelenk, das patellofemorale Gelenk, das Sprunggelenk, die Ausbildung eines Fersensporns, das Schultergelenk (Rotatorenmanschette oder Impingement), das Ellbogengelenk, Fußgelenkarthrosen, Plantarfaszien und der Plattfuß.
Alfred Wirth
29. Bösartige Erkrankungen
Zusammenfassung
Eine Vielzahl von prospektiven Kohortenstudien belegt einen starken und konsistenten Zusammenhang zwischen Übergewicht bzw. Adipositas (zumeist BMI-definiert) und erhöhtem Krebsrisiko für spezifische Organe bzw. Gewebe wie Kolon, postmenopausale Brust, Endometrium, Speiseröhre oder Niere. Laut dem 2018 neu aufgelegten Standardwerk des World Cancer Research Funds (WCRF) und des American Institute for Cancer Research (AICR) „Food, Nutrition, Physical Activity, and the Prevention of Cancer: a Global Perspective“, zählen nunmehr 12 Entitäten zu den mit Übergewicht assoziierten Krebserkrankungen (WCRF 2018). Die von WCRF und AICR beauftragten umfangreichen Auswertungen der weltweit verfügbaren Evidenz zeigen, dass Übergewicht überzeugend mit den Krebsentitäten Speiseröhre (Adenokarzinom), Pankreas, Leber, Kolon, Brust (postmenopausal), Endometrium und Niere sowie wahrscheinlich mit Krebs des Mund-Rachen-Raums, des Magens (Kardia), der Gallenblase, den Eierstöcken und der Prostata (fortgeschrittenes Stadium) im Zusammenhang steht. Diese Entitäten sind weitgehend deckungsgleich mit dem Handbuch der Internationale Einrichtung für Krebsforschung der WHO (IARC), in der zusätzlich noch Meningiom, Schilddrüse, und multiples Myelom aber nicht Prostata aufgelistet sind (IARC 2016).
V. A. Katzke, T. Kühn, R. Kaaks
30. Demenz
Zusammenfassung
Demenz bedeutet den Verlust geistiger Fähigkeiten von solcher Ausprägung, dass der Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden kann. Vorstufen können sein: eine frühzeitig entdeckte, potenziell zur Demenz führende Grunderkrankung; eine subjektive Leistungsminderung noch ohne eindeutig objektivierbare kognitive oder biologische Veränderungen; eine leichte kognitive Beeinträchtigung mit geringgradigen, aber bereits messbaren Defiziten. Wird Unterstützung bei anspruchsvollen Aufgaben benötigt (Bankgeschäfte etc.) ist das Stadium der leichten Demenz erreicht; von einer mittelschweren Demenz spricht man, wenn aufgrund der kognitiven Defizite für einige Stunden am Tag auch bei einfacheren Tätigkeiten Hilfe notwendig wird (Einkaufen, Kochen, Hygiene etc.). Bei einer schweren Demenz ist der Betroffene auch in einfachen Belangen auf Hilfe angewiesen. Nicht alle Patienten durchlaufen alle Stadien einer Demenz. Das Demenzsyndrom ist heute weit gefasst und beinhaltet auch reversible Verläufe. Es muss aber abgegrenzt werden von einer vorbestehenden Intelligenzminderung oder einem Verwirrtheitszustand (Delir), bei dem eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses im Sekundenbereich vorliegt.
Hans Förstl
31. Lebensqualität
Zusammenfassung
Unter gesundheitsbezogener Lebensqualität (Health Related Quality of Life, HRQoL) wird ein multidimensionales Konzept verstanden, das auf die subjektive Einschätzung von Patienten bezüglich ihres Befindens im körperlichen, psychischen und sozialen Bereich rekurriert. Menschen mit Adipositas beurteilen ihre körperliche und mentale Lebensqualität im Allgemeinen schlechter als Personen mit Normalgewicht, wobei für die geringere mentale Lebensqualität weniger das hohe Körpergewicht als vielmehr die Anzahl komorbider körperlicher und psychischer Erkrankungen ausschlaggebend zu sein scheint. Die HRQoL ist ein zentraler Endpunkt in der Adipositasbehandlung und wurde in der Vergangenheit vor allem mit krankheitsübergreifenden (generischen) Messinstrumenten erfasst. Mittlerweile stehen valide krankheitsspezifische Fragebögen zur Beurteilung der HRQoL bei Adipositas zur Verfügung, deren Anwendung empfohlen wird. Kontrollierte Längsschnittstudien haben gezeigt, dass längerfristige Gewichtsreduktionen im Zuge einer Adipositaschirurgie in aller Regel mit einer andauernden Verbesserung der körperlichen HRQoL und einer kurz- bis mittelfristigen Zunahme der mentalen HRQoL verbunden sind.
A. Müller
32. Stigmatisierung
Zusammenfassung
Gewichtsbezogene Stigmatisierung bezeichnet die Zuschreibung negativer Eigenschaften auf Menschen mit Adipositas und umfasst allgemeine negative Stereotype, Vorurteile und tatsächliche Diskriminierung. Gewichtsbezogene Stigmatisierung erfolgt in vielen Lebensbereichen und ist, insbesondere wenn das Stigma von den Betroffenen internalisiert wird, mit psychologischen und medizinischen Beeinträchtigungen verbunden. Das Auftreten von gewichtsbezogener Stigmatisierung und ihrer negativen Korrelate zählt somit zu den negativen Folgeerscheinungen bei Adipositas und begründet den Bedarf nach Interventionen zur Stigmareduktion auf gesellschaftlicher und individueller Ebene. Da im Gesundheitswesen, sogar bei Fachkräften in der Gewichtsreduktionsbehandlung, gewichtsbezogene Stigmatisierung nachgewiesen wurde, werden Prinzipien einer nicht-stigmatisierenden Gesprächsführung vorgestellt.
A. Hilbert, H.-C. Puls
33. Lebenserwartung
Zusammenfassung
Adipositas ist mit einer höheren Sterblichkeit assoziiert und es wird geschätzt, dass sie die Lebenserwartung um 2–4 Jahre reduziert; bei morbider Adipositas sogar um bis zu 8–10 Jahre. Der Zusammenhang des Body-Mass-Indexes (BMI) als Maß der Adipositas mit der Mortalität ist äußerst komplex, da Verzerrungen durch Rauchen und Vorerkrankungen diese Assoziation beeinflussen – 2 Einflussgrößen, die mit niedrigerem Körpergewicht und höherer Mortalität assoziiert sind. Populationsbasierte epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass auch übergewichtige Personen ein höheres Sterberisiko haben, allerdings gilt das nur dann, wenn diese Personen nie geraucht haben und das Vorliegen von Krankheiten mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Darüber hinaus variiert das mit dem BMI assoziierte Mortalitätsrisiko auch in Abhängigkeit vom ethnischen Hintergrund, sodass die Interpretation des BMI insgesamt stark populationsabhängig ist. Untersuchungen zu Maßen der Körperfettverteilung wie Taillenumfang oder Waist-to-Hip-Ratio weisen darauf hin, dass diese die Abschätzung des Mortalitätsrisikos verbessern können, insbesondere im nichtadipösen Bereich. Zusammenfassend ist Adipositas mit einer reduzierten Lebenserwartung assoziiert, allerdings sollte basierend auf dem gegenwärtigen Kenntnisstand zur Einschätzung des Sterblichkeitsrisikos in Allgemeinpopulationen sowohl der BMI als auch der Taillenumfang herangezogen werden.
K. Nimptsch, T. Pischon

Prävention und Therapie

Frontmatter
34. Prävention
Zusammenfassung
Übergewicht und Adipositas sind sowohl medizinische als auch sog. „Public Health“ Probleme
Sandra Plachta-Danielzik, Isabel Gätjens, Manfred James Müller
35. Management – Strategie – Schulung
Zusammenfassung
Bei der Therapie der Adipositas müssen viele Aspekte berücksichtigt werden, um ein optimales Ergebnis zu erreichen. Da es sich um ein chronisches Problem handelt, sollte jedes Therapiekonzept langfristig angelegt sein. Gleichzeitig bedeutet jede Therapie für die Betroffenen und das Behandlungsteam einen hohen Aufwand und nicht zuletzt hohe Kosten, sodass die richtige Planung des Therapiekonzepts die entscheidende Weichenstellung darstellt. Im konkreten Einzelfall geht es auch darum, eine individuelle Risikoabschätzung vorzunehmen und gemeinsam mit dem Patienten/der Patientin eine maßgeschneiderte Behandlung zu vereinbaren.
Hans Hauner
36. Adipositastherapie in der Arztpraxis
Zusammenfassung
Mit einer Prävalenz der Adipositas von etwa 25 % sind deren bekannte Folgekrankheiten (Diabetes mellitus Typ 2, arterielle Hypertonie, KHK, Schlafapnoe, orthopädische Erkrankungen u. a.) die häufigsten Krankheitsbilder in hausärztlichen Praxen. Diese und weitere Folgeerkrankungen der Adipositas werden mit großem finanziellem Aufwand und unter Einsatz erheblicher Ressourcen des Versorgungssystems eher palliativ als kurativ behandelt. Die Grundkrankheit Adipositas ist dagegen noch immer ein Stiefkind im Behandlungsansatz, obwohl – bestens evidenzbasiert – die erfolgreiche Behandlung der Adipositas, auch ohne Erzielung eines Normalgewichtes, zu einer überproportionalen Linderung der Folgekrankheiten führt. Die Behandlung der Erkrankung erfordert, wie andere chronische Erkrankungen auch (z. B. Rheuma, KHK), eine dauerhafte Therapie.
K. Winckler
37. Ernährungstherapie
Zusammenfassung
Unter den konservativen Therapiekomponenten gilt die hypokalorische Ernährung als wirksamste Maßnahme zur Senkung des Körpergewichts. Damit lassen sich auf einfache und sichere Weise eine negative Energiebilanz und damit eine gewünschte Gewichtsabnahme erzielen. Diese Einschätzung drückt sich auch darin aus, dass es eine Vielzahl von „Diäten“ zur Gewichtssenkung gibt und die meisten Menschen mit Wunsch auf Gewichtsabnahme zunächst eine hypokalorische Kost versuchen.
Hans Hauner
38. Bewegungstherapie
Zusammenfassung
In diesem Kapitel werden Grundzüge der Bewegungstherapie bei Übergewichtigen und Adipösen dargestellt. Die Bewegungstherapie wird oft nur nachrangig bei Überlegungen zur Adipositastherapie einbezogen. Die Gründe hierfür sind wahrscheinlich darin zu sehen, dass vermehrte körperliche Aktivität kein probates Mittel zur schnellen Gewichtsreduktion ist und bei bestimmten Begleitkrankheiten, bei extrem adipösen Personen sowie bei älteren Menschen nur begrenzt anwendbar ist. Auch mit der Adhärenz des Patienten wird häufig erst gar nicht gerechnet. Diese Haltung ist aufgrund der heutigen Datenlage schwer verständlich, da die Alternative, eine alleinige diätetische Gewichtsreduktion, in der Regel nicht zu einem langfristigen Erfolg führt. Hinzu kommt, dass vermehrte Bewegung neben der Gewichtsabnahme eine Reihe von gesundheitlich positiven Auswirkungen hat, die besonders für Adipöse von Wichtigkeit sind.
Alfred Wirth
39. Verhaltenstherapie und weitere psychotherapeutische Strategien
Zusammenfassung
Die Behandlung der Adipositas ist aufgrund der multifaktoriellen Genese komplex. Meistens versuchen die Betroffenen mit Hilfe von Diäten ihr Gewicht zu reduzieren, häufig jedoch ohne anhaltenden Erfolg. Die meisten adipösen Patienten haben schon eine längere Behandlungsvorgeschichte mit vielen Frustrationserlebnissen in Bezug auf eine Gewichtsreduktion hinter sich. Daher sind Verhaltenstherapie und andere psychotherapeutische Strategien neben Ernährungs- und Bewegungstherapie ein gleichwertiger Eckpfeiler der konservativen Adipositasbehandlung.
E. -M. Skoda, M. Teufel
40. Gewichtsreduktionsprogramme
Zusammenfassung
Die Standardtherapie der Adipositas setzt sich aus einer Kombination von Ernährungsumstellung, Bewegungssteigerung und Verhaltensmodifikation zusammen. Die Anwendung solch multimodaler Konzepte erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen, was sich im Alltag und besonders unter den Bedingungen des deutschen Gesundheitssystem nur schwer umsetzen lässt. Einige weitverbreitete Konzepte werden in diesem Kapitel vorgestellt und erörtert.
Hans Hauner
41. Digitale Adipositastherapie
Zusammenfassung
Neue Informations- und Kommunikationstechnologien sind leicht zugänglich und ubiquitär verfügbar. Digitalisierung ist in der Adipositastherapie nicht mehr wegzudenken. Mobile Applikationen (Apps) können die Gewichtsreduktion unterstützen. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind verordnungsfähig und die Kosten werden vollständig von den Krankenkassen übernommen. Innovative Ansätze der künstlichen Intelligenz, aufwändige Algorithmen, maschinelles Lernen und Anwendungen der virtuellen Realität werden das Methodenspektrum zur Gewichtsreduktion zukünftig erweitern und die Versorgungssituation von Menschen mit Adipositas bereichern. Die Datenlage im Hinblick auf den Nutzen digitaler Ansätze für ein erfolgreiches Gewichtsmanagement ist limitiert. Insgesamt scheint eine Einbettung digitaler Tools in bestehende Programme und die Kombination mit Face-to-Face-Angeboten die höchsten Erfolge zu versprechen.
Christina Holzapfel
42. Medikamentöse Therapie
Zusammenfassung
Neben der Basistherapie aus konservativen Maßnahmen mit ernährungs-, bewegungs- und verhaltenstherapeutischen Interventionen zur langfristigen Gewichtsreduktion, stellen die medikamentösen Therapien eine relevante Option für einen langfristigen Erfolg dar.
Sebastian Meyhöfer, Matthias Blüher, Jens Aberle
43. Gewichtsstabilisierung nach konservativer Therapie
Zusammenfassung
Als erfolgreicher Gewichtserhalt wird nach konservativen Gewichtsreduktionsmaßnahmen häufig ein Gewichtsverlust von 5–10 % des Ausgangsgewichts bezeichnet, der über 1–2 Jahre gehalten werden kann, da bereits ein geringer bis moderater Gewichtsverlust eine Verbesserung der gesundheitlichen Risiken und der Lebensqualität bedeutet.
Martina de Zwaan
44. Adipositastherapie in der Rehabilitation
Zusammenfassung
Die Rehabilitation ist neben der Krankenversorgung die 2. Säule in unserem Gesundheitssystem. Bei der Therapie der Adipositas spielt sie ambulant und stationär eine wichtige Rolle. Eine Reha-Maßnahme ist grundsätzlich dann möglich, wenn ambulante Behandlungen nicht ausreichend sind. Träger von Rehabilitationen sind gesetzliche Krankenkassen, die Rentenversicherung oder die Unfallversicherung. Im Erwerbsleben ist grundsätzlich die Rentenversicherung zuständig (Erhalt bzw. Wiederherstellung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit, Vorbeugung bzw. Besserung einer Behinderung), in der Zeit danach die Krankenversicherung (Verhinderung von Pflegebedürftigkeit). Die weitaus meisten Rehabilitationen für adipöse Patienten werden von der Rentenversicherung durchgeführt. Ziel der Rehabilitation ist es, einer Behinderung vorzubeugen, sie zu bessern bzw. zu beseitigen.
Alfred Wirth
45. Adipositas im Alter
Zusammenfassung
Aufgrund des demografischen Wandels und der weltweiten Zunahme von Adipositas auch in höheren Altersgruppen gewinnt der Umgang mit Adipositas im Alter zunehmend an Bedeutung. In dieser Patientengruppe stehen der Erhalt von Selbstständigkeit und Lebensqualität im Vordergrund. Gewichtsabnahmen gehen mit Verlusten von Muskelmasse und Knochendichte einher. Bei Therapieentscheidungen sind daher der mögliche gesundheitliche Nutzen und die funktionellen Risiken sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Lebensstilinterventionen, die Ernährungs- und Bewegungskomponenten kombinieren und einen langsamen Gewichtsverlust fokussieren, haben sich bei jüngeren Senior:Innen mit Adipositas als effektiv und sicher erwiesen. Die Übertragbarkeit der Ansätze auf hochbetagte und pflegebedürftige ältere Menschen muss in zukünftigen Studien jedoch noch geklärt werden.
Eva Kiesswetter, Gabriel Torbahn, Dorothee Volkert
46. Chirurgische Therapie
Zusammenfassung
Spätestens in ihrer extremen Form ist die Adipositas durch konservative Maßnahmen nicht mehr erfolgreich therapierbar. Diese Tatsache sowie die zahlreichen positiven Resultate im Hinblick auf die Verbesserung des Typ-2-Diabetes rücken die verschiedenen Verfahren der Adipositaschirurgie in den Fokus des interdisziplinären Interesses.
T. P. Hüttl, O. Dietl
47. Metabolische Chirurgie
Zusammenfassung
Die metabolische Chirurgie hat das Ziel, metabolische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder die Fettlebererkrankung (NAFLD/NASH), unabhängig von Ausgangskörpergewicht und BMI zu behandeln. Der Typ-2-Diabetes ist eine metabolische Erkrankung, welche nachgewiesenermaßen sehr gut auf eine metabolische Operation anspricht mit einer Wirkung, die der konservativ-medikamentösen Therapie überlegen ist. Die NAFLD und NASH stellen eine weitere metabolische Erkrankung dar, welche durch metabolische Operationen effektiv behandelt werden kann, wie eine kürzlich publizierte randomisiert kontrollierte Studie zeigt. Der Roux-Y-Magenbypass ist das metabolische Operationsverfahren mit der besten Evidenz im direkten Vergleich zur konservativen Therapie. Der Schlauchmagen und auch der Ein-Anastomosen-Magenbypass sind alternative Optionen mit vergleichbaren Effekten in Studien, in welchen verschiedene Operationsverfahren miteinander verglichen wurden. Das Risikoprofil und die Reinterventionsraten der jeweiligen Operationen variieren und müssen den zu erwartenden Effekten gegenübergestellt werden.
Adrian T. Billeter, Beat P. Müller
48. Bariatrische Chirurgie – Nachsorge
Zusammenfassung
Nach chirurgischer Behandlung der hochgradigen Adipositas ist eine langfristige und multidisziplinäre Weiterbehandlung erforderlich (S3-Leitlinie zur Chirurgie der Adipositas 2018). Nationale und internationale Leitlinien empfehlen ein Nachsorgeteam, das neben Ärzten (Chirurgie, Ernährungsmedizin, Endokrinologie, Diabetologie) auch Ernährungsfachkräfte, Verhaltens- und Bewegungstherapeuten umfasst.
K. G. Winckler
49. Psychosomatische Aspekte nach Adipositaschirurgie
Zusammenfassung
Bis zu 50 % der Patienten mit schwerer Adipositas, die sich für eine operative Maßnahme vorstellen, erfüllen die Kriterien einer aktuellen, behandlungsbedürftigen, psychischen Störung. Bis zu 30–40 % der Patienten sind in psychischer Behandlung und/oder nehmen Psychopharmaka, v. a. Antidepressiva, ein. In der S3-Leitlinie Adipositaschirurgie werden zur psychischen Nachbetreuung 4 Empfehlungen gegeben, die mit starkem Konsens der Leitliniengruppe verabschiedet wurden.
Martina de Zwaan
50. Rekonstruktion der Körperform nach bariatrischer Gewichtsreduktion
Zusammenfassung
Die operative Rekonstruktion der Körperform nach massiver Gewichtsreduktion ist nicht vergleichbar mit ästhetischen Eingriffen im Sinne von Schönheitsoperationen. Aufgrund der Einstufung als Hochrisikooperation empfiehlt es sich, dass solche Operationen nur in einem interdisziplinären, erfahrenen Adipositaszentrum durchgeführt werden. Eine operative Rekonstruktion nach massiver Gewichtsreduktion durch bariatrische Operationen oder diätetischen Gewichtsverlust ist unbedingt erforderlich, um die Voraussetzung zu schaffen, dass diese Patienten wieder abschließend als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft integriert werden können. In diesem Kapitel wird ein entsprechender, evidenzbasierter Behandlungsalgorithmus beschrieben.
Adrian Dragu, Olimpiu Bota

Kinder und Jugendliche

Frontmatter
51. Definitionen und Epidemiologie
Zusammenfassung
International existieren verschiedene Definitionen für Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Da der Fettanteil des Körpers nur mit aufwendigen und kostspieligen Methoden exakt zu bestimmen ist, hat sich die Verwendung der einfach messbaren Körperparameter (Größe und Gewicht) und des daraus abgeleiteten Body Mass Index (BMI = Körpergewicht/Körpergröße2 (kg/m2)) zur Abschätzung des Körperfettanteils auch im Kindes- und Jugendalter durchgesetzt.
M. Wabitsch, W. Kiess
52. Organmedizinische und psychosoziale Folgen
Zusammenfassung
Eine deutlich erhöhte Prävalenz der Adipositas im Kindes- und Jugendalter führt dazu, dass Komorbiditäten der Adipositas, welche ursprünglich ausschließlich Erwachsene betrafen, nun zunehmend bereits bei Kindern und Jugendlichen zu finden sind. Zu nennen wären hier v. a. kardiovaskuläre Folgen wie die arterielle Hypertonie und die linksventrikuläre Hypertrophie, aber auch metabolische Folgen wie Diabetes mellitus Typ 2, Dyslipidämien und nichtalkoholische Steatosis hepatis. Zudem gewinnen die obstruktive Schlafapnoe und orthopädische Komplikationen ebenso an Bedeutung wie psychosoziale Probleme.
E. Sergeyev, M. Wabitsch, W. Kiess
53. Management und Behandlung
Zusammenfassung
Dieses Kapitel beschreibt Maßnahmen, die beim Umgang mit dem Patienten und seiner Familie wichtig sind. Das Ziel muss zunächst sein, eine Basis zu schaffen, um mit dem Patienten und seiner Familie zusammenarbeiten zu können. Dabei kommt der motivationsfördernden Arbeit des Therapeuten eine große Bedeutung zu
M. Wabitsch, W. Kiess
54. Schulungsprogramme
Zusammenfassung
Als Therapie der Adipositas im Kindes- und Jugendalter wird in nationalen und internationalen Leitlinien übereinstimmend eine langfristige ambulante Behandlung von Kind, Jugendlichem und ihren Eltern (Lebensstilintervention) in Form von Schulungsprogrammen empfohlen. Eine Lebensstilveränderung im Sinne einer Ernährungsumstellung und Aktivitätssteigerung kann v. a. mit einer behavorial-kognitiven Verhaltenstherapie erreicht werden. Einen ersten Überblick gibt dieses Kapitel.
Thomas P. Reinehr

Gesundheitspolitik

Frontmatter
55. Adipositas im Umfeld von Gesundheitspolitik und Forschung
Zusammenfassung
In Deutschland besteht enormer Handlungsbedarf in Bezug auf die Versorgungssituation von Menschen mit Adipositas. Die Anerkennung der Adipositas als Erkrankung im deutschen Gesundheitssystem in Kombination mit der Implementierung eines strukturierten Behandlungsprogramms (Disease Management Programms) Adipositas würde zur Verbesserung der Versorgungsstruktur und der Versorgungsqualität mit Blick auf Prävention und Therapie beitragen. Ein interdisziplinärer Ansatz ist gefordert, um das vorhandene Wissen in die Praxis umzusetzen und um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für einen gesundheitsförderlichen Lebensstil zu ändern.
C. Holzapfel, Hans Hauner
Backmatter

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Metadaten
Titel
Adipositas
herausgegeben von
Hans Hauner
Alfred Wirth
Copyright-Jahr
2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-58895-6
Print ISBN
978-3-662-58894-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-58895-6

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