Kommentar
Die bisherige Literatur zur systemischen Therapie des UTUC hatte zwar bereits auf die Vorteile einer perioperativen Chemotherapie hingewiesen [
13], basierte aber vornehmlich auf retrospektiven Studien sowie einzelnen prospektiven Studien mit geringen Fallzahlen [
8]. In Studien zur Anwendung der adjuvanten Chemotherapie beim UTUC präsentierten sich uneindeutige Ergebnisse: Während einige Studien signifikante Überlebensvorteile einer adjuvanten Therapie beschrieben [
10,
14], zeigten andere keinen Effekt auf die Prognose der Patienten [
11,
15]. Metaanalysen von nichtrandomisierten Studien zur adjuvanten Chemotherapie beim UTUC deuteten auf signifikante Verbesserungen des Gesamt- sowie des krankheitsfreien Überlebens durch eine adjuvante Chemotherapie hin [
8] Außerdem können durch den Einsatz von neoadjuvanten Therapieschemata bei UTUC-Patienten ein signifikantes „downstaging“ und pathohistologische Remissionen erreicht werden [
16,
17]. Einige Studien beschrieben auch signifikante Effekte der platinbasierten neoadjuvanten Chemotherapie auf das Überleben von UTUC-Patienten [
12,
18]. In der Summe war die Datenlage aber nicht ausreichend, um eindeutige Empfehlungen zu geben.
Bei der POUT-Studie handelt es sich um die erste prospektive randomisierte Phase-3-Studie zur Anwendung einer perioperativen Chemotherapie beim Urothelkarzinom des oberen Harntraktes [
19]. Angesichts des Mangels an hinlänglichen Studien liefert die POUT-Studie damit zum ersten Mal Daten zur adjuvanten Chemotherapie beim UTUC, die aufgrund des Studiendesigns in geringerem Maße von systematischen Fehlern (Bias) betroffen sind. Jedoch müssen bei der Beurteilung der Ergebnisse einige Einschränkungen innerhalb der Studie betrachtet werden:
Zum einen gab es keine klaren Vorgaben zur (erweiterten) Lymphknotendissektion. Ein einheitliches Vorgehen wäre hierbei wünschenswert gewesen, um eine verlässliche Aussage dazu treffen zu können, ob die adjuvante Chemotherapie in der Lage ist, auch bei weiter fortgeschrittenen Erkrankungen und Mikrometastasen eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens zu erzielen. Die Ergebnisse der Studie konnten dies für Patienten mit Lymphknotenbefall nämlich nicht eindeutig belegen.
Darüber hinaus ist auch der adjuvante Ansatz in der POUT-Studie zu hinterfragen. Es wurde nämlich bislang noch keine randomisierte Studie zur Frage durchgeführt, ob beim UTUC eine adjuvante oder eine neoadjuvante Chemotherapie einen größeren Nutzen aufweist [
7]. Zieht man wiederum den Vergleich zum Blasenkarzinom heran, wäre eine neoadjuvante Therapie zu bevorzugen [
20]. Wie schon von den Autoren der POUT-Studie selbst angesprochen, brächte die neoadjuvante Chemotherapie einige Vorteile mit sich, sofern es gelänge, die Patienten adäquat zu selektionieren [
21].
In den adjuvanten Therapieansatz wurden ausschließlich Patienten mit einer GFR ≥30 ml/min eingeschlossen. Durch eine NUE kommt es aber zu einem signifikanten Abfall der GFR [
22]. Legte man den üblichen Grenzwert zur GFR von 60 ml/min für den Einsatz von Cisplatin zugrunde [
19], so könnte es sich zeigen, dass nach dem operationsbedingten Abfall der GFR ca. 30 % weniger Patienten die Einschlusskriterien für eine Chemotherapie erfüllen. Selbst bei einem Cut-off-Wert von 45 ml/min wären ca. 25 % weniger Patienten für eine Chemotherapie geeignet. Der Altersgipfel der Inzidenz des UTUC liegt außerdem bei 70–90 Jahren [
1], also in einer Gruppe, die besonders stark vom postoperativen GFR-Abfall betroffen ist und daher häufig Kontraindikationen sowohl gegen die prä- als auch die postoperative Chemotherapie darstellt [
22].
In der Subgruppenanalyse war ein signifikanter Effekt nur bei Patienten der Gemcitabin-Cisplatin-Gruppe nachweisbar. Es bleibt also fraglich, ob Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion von der carboplatinbasierten Chemotherapie profitieren. Man kann also für diese Subgruppe eigentlich keine Empfehlung zu einer adjuvanten Chemotherapie aussprechen, da ein Vorteil für das progressionsfreie Überleben in dieser speziellen Gruppe zunächst erst einmal belegt werden müsste. Dies ist ein weiteres Argument, die Wirksamkeit einer neoadjuvanten Therapie beim UTUC genauer zu erforschen. Um die Durchführbarkeit eines solchen neoadjuvanten Ansatzes zu prüfen, begannen die Autoren 2018 diesbezüglich eine neue randomisierte Studie (URANUS/NCT02969083). Sie schließt auch mit MVAC (Methotrexat, Vinblastin, Doxorubicin und Cisplatin) eine weitere Chemotherapeutikakombination ein, die beim Blasenkarzinom und beim metastasierten UTUC in manchen Studien ein deutlich verbessertes Gesamtüberleben im Vergleich zur Kombination Gemcitabin/Cisplatin zeigte [
23,
24].
Und zuletzt konnte wegen der vorzeitigen Veröffentlichung wesentlicher Daten der POUT-Studie der Effekt der adjuvanten Chemotherapie auf das Gesamtüberleben leider noch nicht evaluiert werden. Die Nachbeobachtungszeit war dazu zu kurz. Damit wurde ein entscheidender Endpunkt der Studie zur Beurteilung der therapeutischen Effizienz verspielt. Aus anderen Studien zum UTUC ist jedoch bekannt, dass signifikante Unterschiede im krankheitsfreiem Überleben auch zu Verbesserungen im Gesamtüberleben führen [
25]. Unter Einschränkungen kann damit das krankheitsfreie Überleben als sinnvoller Surrogatparameter für das UTUC eingesetzt werden, auch für die zukünftige klinische Studie. Mit diesem Trick lässt sich aus der signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens in der POUT-Studie auch auf eine Verbesserung des Gesamtüberlebens dieser Patientengruppe schließen.
Fazit
Es ist sinnvoll, UTUC als eigenständiges Krankheitsbild vom Urothelkarzinom der Blase abzugrenzen und dementsprechend zu behandeln.
Die Forderung der Autoren, das adjuvante Therapieschema mit Gemcitabin/Cis- oder Carboplatin als neuen Goldstandard in der Behandlung des fortgeschrittenen UTUC anzusehen, ist berechtigt, und die Daten sollten bei zukünftigen Empfehlungen und Leitlinien berücksichtigt werden.
Es besteht noch Forschungs- und Optimierungsbedarf bezüglich der Patientenselektion und des optimalen Therapieregimes. In der Gruppe ohne Lymphknotenbefall zeigte die adjuvante Chemotherapie nämlich einen Nutzen, weshalb es fraglich ist, ob die erweiterte Lymphknotendissektion noch einen zusätzlichen Vorteil bringen würde.
Zusätzlich bleibt zu klären, ob ein neoadjuvanter Ansatz (wie beim Blasenkarzinom) nicht auch beim UTUC eingesetzt werden sollte, insbesondere da bei diesem Ansatz die operationsbedingte Reduktion der Nierenfunktion noch nicht einschränkend bei der Durchführung einer volldosierten Chemotherapie ins Gewicht fällt.
Lea Pape, Johanna Richter und Jürgen Dunst, Kiel
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