Erschienen in:
29.09.2020 | Gonadendysgenesie | Leitthema
Reformen in der Behandlung von Menschen mit Varianten der Geschlechtsdifferenzierung
verfasst von:
Prof. Dr. S. Krege
Erschienen in:
Die Urologie
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Ausgabe 11/2020
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Zusammenfassung
Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung nehmen auch heute noch in unserer weiterhin binär ausgerichteten Gesellschaft eine Sonderstellung ein, die ihnen das Leben in verschiedener Hinsicht erschwert. So bestimmten noch bis vor weniger als 30 Jahren Ärzte und Eltern über den Lebensweg dieser Kinder, indem sie eine Geschlechtszuweisung nach der Geburt vornahmen und diese durch operative Maßnahmen umsetzten, in der Hoffnung, das Kind würde eine entsprechende Geschlechtsidentität entwickeln, was oftmals nicht zutraf. Erst in den letzten 20 Jahren kommt es, insbesondere durch die Öffentlichkeitsarbeit von Betroffenenverbänden, zu einem Umdenken, das das Selbstbestimmungsrecht des Kindes in den Mittelpunkt stellen will. Reformen beim Personenstandsgesetz sind bereits erfolgt. Neben dem Eintrag „weiblich“ und „männlich“ für ein Neugeborenes gibt es jetzt die Kategorien „offen“ und „divers“, was Last von den Eltern nimmt und den Betroffenen ermöglicht, später eine individuelle Bezeichnung einzutragen. Ein Gesetzesentwurf zum Verbot geschlechtsmodifizierender Eingriffe beim nicht-einwilligungsfähigen Kind liegt bereits vor, wird aber kontrovers diskutiert, insbesondere von AGS(adrenogenitales Syndrom)-Verbänden, die sich nicht zu den Varianten der Geschlechtsdifferenzierung zählen und weiterhin frühe Operationen wünschen. Aber auch auf der Versorgungsebene sind strukturelle Reformen nötig, um Menschen mit einer Variante der Geschlechtsdifferenzierung eine qualifizierte Beratung, Begleitung und/oder Behandlung zukommen zu lassen.