Um die beschriebenen Fragestellungen zu beantworten, wurde ein quantitativer sowie ein qualitativer Ansatz gewählt. Die beiden Untersuchungen werden nachfolgend jeweils voneinander getrennt dargestellt.
Quantitative Erhebung des psychischen Gesundheitszustands der Studierenden mittels Fragebogen
Zur Untersuchung der psychischen Gesundheit der Studierenden wurde ein Online-Fragebogen entwickelt. Ein Link zu diesem wurde im März 2021 über einen E‑Mail-Verteiler der Hochschule für Gesundheit an alle Studierenden versendet. Dieser war vier Wochen aktiv. Für die Teilnahme wurde ein Mindestalter von 18 Jahren, die Immatrikulation an der Hochschule für Gesundheit im Wintersemester 2020/2021 sowie die Zustimmung der Einverständniserklärung vorausgesetzt.
Der Fragebogen enthielt Fragen zu demografischen Angaben (Alter, Geschlecht, Studiengang, Fachsemester) sowie zu den Merkmalen Wohlbefinden und psychischer Gesundheit. Dazu wurden der WHO Five Well-Being Index, kurz WHO-5 [
29] sowie die deutsche Version des Patient Health Questionnaire (PHQ) [
12] eingesetzt.
Der WHO‑5 wurde zur Ermittlung des Wohlbefindens gewählt. Er wurde als Screeninginstrument von der WHO entwickelt, um das Wohlbefinden zu erfassen und wird in der Leitlinie zur Erfassung unipolarer Depressionen empfohlen [
7]. Das Wohlbefinden wurde durch einen Gesamtscore von 0 (geringstes Wohlbefinden) bis 25 (höchstes Wohlbefinden) ermittelt. Der Gesamtscore ergab sich durch die Auftretenshäufigkeit von fünf Symptomen des Wohlbefindens innerhalb der letzten zwei Wochen auf einer 6‑stufigen Skala 0 = „zu keinem Zeitpunkt“, 1 = „ab und zu“, 2 = „etwas weniger als die Hälfte der Zeit“, 3 = „etwas mehr als die Hälfte der Zeit“, 4 = „meistens“, 5 = „die ganze Zeit“. Die WHO [
29] empfiehlt zudem ab einem Cut-off-Wert von 12 eine weiterführende Testung auf eine Depression.
Zur Untersuchung der psychischen Gesundheit wurde die Kurzform des PHQ [
19] zur Ermittlung depressiver Störungen in der deutschen Version (PHQ-D) gewählt [
12]. Da er aus neun Items besteht, wird er als PHQ‑9 abgekürzt. Er wurde auf Grundlage der diagnostischen Kriterien des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) [
1] als Screeninginstrument für die Primärmedizin entwickelt und ermöglicht eine dimensionale Auswertung von depressiven Störungen und die Bestimmung des Schweregrads (depressive Syndrome, DS oder major depression syndrome, MDS). Bei der Validierung der deutschen Version konnte mit einer Sensitivität von 95 % und einer Spezifität von 86 % eine ausgezeichnete Kriteriumsvalidität bei der Diagnose des MDS gezeigt werden [
12]. Auf einer 4‑stufigen Antwortskala von 1 = „überhaupt nicht“, 2 = „an einzelnen Tagen“, 3 = „an mehr als der Hälfte der Tage“ bis 4 = „beinahe jeden Tag“ sollte, bezogen auf die letzten zwei Wochen, das Auftreten von neun verschiedenen depressiven Symptomen des DSM-IV eingeschätzt werden. Ein depressives Syndrom lag demnach vor, wenn die Hauptsymptome „wenig Interesse oder Freude an deinen Tätigkeiten“ sowie „Niedergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosigkeit“ an mindestens „mehr als der Hälfte der Tage“ in den letzten zwei Wochen aufgetreten sind. Traten daneben noch mindestens drei weitere Symptome an „mehr als der Hälfte der Tage“ auf, liegt ein MDS vor. Dem Auftreten von Suizidgedanken wurde eine besondere Bedeutung zugemessen, indem es bereits ab der Ausprägung 2 = „an einzelnen Tagen“ berücksichtigt wurde. Das Instrument wurde gewählt, da repräsentative Vergleichsdaten zur Prävalenz des DS bei Studierenden [
12] vorliegen und es in nationalen Bevölkerungsstudien Anwendung findet [
6,
16]. Außerdem wird es als Instrument für die Früherkennung depressiver Störungen in der S3-Leitlinie empfohlen [
7].
Die Auswertung der Daten erfolgte im April 2021 mittels des Statistikprogramms SPSS (IBM Corp. Released 2017. IBM SPSS Statistics for Windows, Version 25.0. Armonk, NY, USA). Für den WHO‑5 wurden Gesamtscores und entsprechende Mittelwerte gebildet. Außerdem wurde eine Gruppeneinteilung entsprechend des Cut-off-Wertes vorgenommen. Zur Auswertung des PHQ‑9 wurden individuelle Profile erstellt, die eine Einteilung in die Kategorien „Kein Hinweis auf ein depressives Syndrom“, „depressive syndrome“ oder „major depression syndrome“ ermöglichen.
Qualitative Befragung der Studierenden zu ihrem Erleben der Studienbedingungen mittels Interviews
Zur Untersuchung der neuen Studienbedingungen im Wintersemester 2020/2021, welches weitestgehend online unterrichtet wurde, wurden Teilnehmende für eine Interviewstudie per E‑Mail gesucht. Im März 2021 wurde eine E‑Mail an alle Studierenden der Hochschule geschickt. Auf die Anfrage meldeten sich insgesamt acht Studierende, davon sieben weiblich und einer männlich. Es wurden alle eingeschlossen, da sie mindestens 18 Jahre alt waren, im Wintersemester 2020/2021 an der Hochschule studierten und der Einverständniserklärung zustimmten. Die Interviews erfolgten in der Zeit vom 12.03.2021 bis zum 26.03.2021 über die Online-Videotelefonieplattform Zoom und wurden im Rahmen einer Masterarbeit von Studierenden durchgeführt. Die Teilnehmenden studierten in allen drei Departments der Hochschule durchschnittlich im 4. (Range: 2. bis 9.) Semester. Die Dauer der Interviews betrug im Durchschnitt 28 (Range: 14–39) min. Um das Erleben des Online-Studiums aus Sicht der Studierenden in einem möglichst offen gestalteten Interview zu erheben, wurde der Ansatz eines problemzentrierten und leitfadengestützten Interviews gewählt [
22]. Die offene Sondierungsfrage „Erzähl mir doch mal, wie dein Studium seit Corona ablief …“ wurde zu Beginn des Interviews gestellt, um den Einstieg für ein offenes Interview zu schaffen, indem der*die Interviewte thematische Schwerpunkte setzen konnte. Themen des Leitfadens waren der Studienalltag, das Selbststudium, allgemeine gesundheitliche Veränderungen seit der Pandemie, Nachteile und Stressoren sowie Vorteile und Chancen des Online-Studiums. Daraus abgeleitet wurden Aufrechterhaltungs- und Steuerungsfragen, die bei Bedarf gestellt wurden. Aufgrund der offen formulierten Sondierungs- und Einstiegsfragen konnten die Interviews zu einem großen Teil von den Interviewten thematisch gelenkt werden. Nach der Durchführung wurden die Interviews umgehend transkribiert. Anschließend wurde eine kategorienbasierte Datenauswertung in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz [
20] durchgeführt. Deduktiv wurden dabei sechs Hauptkategorien festgelegt, anhand derer die Kodierung des Materials vorgenommen wurde. Die Kodierung erfolgte konsensuell, wobei zwei Forscherinnen in einem ersten Schritt unabhängig kodierten, um die Kodierungen in einem zweiten Schritt gemeinsam zu diskutieren und zu prüfen. In einem weiteren Schritt wurden gemeinsam induktiv Unterkategorien gebildet, um eine größere Detailtiefe zu erreichen. Die Kategorien lassen sich dem Ergebnisteil entnehmen.