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17.11.2017 | AHA 2017 | Nachrichten

Nach dem Diabetes nun die Hypertonie

Bariatrische Chirurgie kann Bluthochdruck heilen

verfasst von: Dr. med. Dirk Einecke

Wenn adipöse Hypertoniker sich einer bariatrischen Chirurgie unterziehen, können sie umgehend ihre antihypertensive Medikation erheblich reduzieren. Die Hälfte erreicht sogar eine Remission des Bluthochdruckes, so die Ergebnisse der beim AHA-Kongress 2017 vorgestellten GATEWAY-Studie.

Einmal mehr erscheint Fettleibigkeit, der man in den USA an jeder Straßenecke begegnet, als die Mutter allen kardiovaskulären Übels, zumindest aber einiger kardiovaskulärer Hauptrisikofaktoren.

Schon länger ist bekannt: Der typische Patient mit metabolischem Syndrom kann Blutdruck, Fett- und Glukosestoffwechsel positiv beeinflussen, wenn es ihm denn gelingt, dauerhaft ein paar Kilogramm abzuspecken.

STAMPEDE-Studie bei fettleibigen Diabetikern

Ein radikaleres Vorgehen gegen den Speck zeitigt verblüffende Erfolge. So ist den im Frühjahr publizierten 5-Jahres-Daten der STAMPEDE-Studie (Schauer PR et al. N Engl J Med. 2017;376:641-51) zu entnehmen, dass eine nachhaltige Gewichtsreduktion um ca. 20 % bei Diabetikern die HbA1c-Werte langfristig im Schnitt um etwa 2 % verbessert (von 9,3 % auf 7,3 %). Ein Viertel der Patienten verzeichnete sogar eine Remission des Typ-2-Diabetes.

An der Studie hatten 150 Patienten teilgenommen. Verglichen worden waren Magenschlauchanlage, Roux-en-Y-Bypass-Anlage und intensive medikamentöse Therapie. Die Kontrollgruppe reduzierte übrigens ihr Gewicht um 5,3 kg und verbesserte ihren HbA1c-Wert von 8,8 % auf 8,5 %.

GATEWAY-Studie bei adipösen Hypertonikern

In der GATEWAY-Studie, deren Ergebnisse beim Jahreskongress der American Heart Association 2017 vorgestellt und zeitgleich in Circulation publiziert wurden, sind die bariatrischen Chirurgen nun auch Hypertonikern im wahrsten Sinne des Wortes zu Leibe gerückt.

Ausgehend von der Beobachtung, dass die Magenbypass-Chirurgie bei Diabetikern auch den Blutdruck senkte sowie das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen verminderte, unternahmen sie eine randomisierte Studie mit 100 adipösen Hypertonikern (BMI im Schnitt 37 %, 70 % weiblich), die mit im Durchschnitt drei antihypertensiven Medikamenten ihren Blutdruck kontrollierten.

Primärer Endpunkt war eine mindestens 30%ige Reduktion der antihypertensiven Medikation und Aufrechterhaltung von Druckwerten unter 140/90 mmHg nach 12 Monaten. Wichtigster sekundärer Endpunkt war eine Remission des Blutdruckes. Die Intervention bestand in der Anlage eines Magenbypasses per Roux-en-Y-Anastomose. Zudem wurde in beiden Gruppen antihypertensiv behandelt. Bei Werten über 140/90 mmHg wurde die Therapie intensiviert, bei Werten unter 110 mmHg systolisch oder 70 mmHg diastolisch wurde sie reduziert.

Bei der Hälfte der Patienten heilte der Blutdruck aus

Die Ergebnisse zeigten einen durchschlagenden Effekt der bariatrischen Chirurgie: 84 % der operierten, aber nur 13 % der medikamentös behandelten Patienten erreichte den primären Endpunkt, berichtete Studienautor Dr. Carlos Schiavon, Heart Hospital Hcor in Sao Paolo, Brasilien. In der operierten Gruppe nahmen 75 % der Patienten nach einem Jahr nur eines oder gar kein Antihypertensivum mehr ein. In der Kontrollgruppe benötigten 50 % der Patienten 3 oder mehr Antihypertonika. Die durchschnittlichen Blutdruckwerte lagen in der OP-Gruppe bei 123/77 mmHg, in der Kontrollgruppe bei 128/81 mmHg.

Bei 51 % der operierten Patienten ging die Hypertonie gar in Remission, die Werte lagen ganz ohne Medikamente unter 140/90 mmHg. 33 % erreichten Werte unter 120/80 mmHg, 22 davon ohne Medikamente. Remissionen waren in der Kontrollgruppe nicht zu verzeichnen.

Die 30%ige Reduktion der antihypertensiven Medikation verzeichneten die operierten Patienten übrigens bereits nach einem Monat. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie erst knapp 10 % ihres Gewichts verloren. Nach einem Jahr hatten die operierten Patienten über 25 % ihres Gewichtes abgespeckt. Außerdem reduzierten sie ihren Bauchumfang (87 cm vs. 110 cm), ihr LDL-Cholesterin (87 vs. 116 mg/dl), den Entzündungsparameter hsCRP (3,1 vs. 8,1 mg/l), ihren HOMA-Index (1,1 vs. 4,8) und ihr 10-Jahres-Risiko im Framingham-Risk-Score (4,5 vs. 6,8%).

Nebenwirkungen und Rehospitalisierungen

Umsonst gab es die Effekte allerdings nicht. Erkauft wurden sie z.B. mit Ernährungsdefiziten, die in der OP-Gruppe anfangs 26 % und am Ende 50 % der Patienten aufwiesen. Auch der Anämie-Prozentsatz stieg von 6 % auf 14 %, Hypovitaminosen B12 von 9 % auf 28 %. Auch mussten die Patienten der Magenbypass-Gruppe häufiger rehospitalisiert werden, je einer wegen einem Abszess und Erbrechen mit Dehydratation, vier wegen einer Cholelithiasis.

Auf der anderen Seite hatten die Patienten der STAMPEDE-Studie fünf Jahre nach dem Eingriff eine deutlich bessere Lebensqualität zu Protokoll gegeben als die nicht operierten Patienten der Kontrollgruppe.

Unter dem Strich halten die Autoren die bariatrische Chirurgie für eine effektive Behandlungsstrategie bei schwer übergewichtigen Hypertonikern, die das metabolische und das inflammatorische Profil nachhaltig verbessert und damit das Potenzial aufweist, schwere kardiovaskuläre Komplikationen zu verhüten. Zudem umgeht sie die Compliance-Problematik.

Literatur

American Heart Association, Scientific Sessions 2017, Late Breaking Clinical Trials 1, Anaheim, 12. November 2017

Schiavon CA et al. Circulation. 2017; https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.117.032130

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