Lernziele
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wie sich eine akute hämatogene Osteomyelitis (AHO) klinisch präsentiert,
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wie die gezielte diagnostische Abklärung einer AHO durchzuführen ist,
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welche konservative antibiotische Therapie indiziert ist,
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wann die Indikation zur operativen Sanierung einer AHO zu stellen ist,
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welche Faktoren einen komplikationsträchtigen Verlauf begünstigen können.
Einleitung
Osteomyelitis im Wachstumsalter
Osteomyelitis-Nomenklatur
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akut, wenn diese unter 2 Wochen besteht,
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subakut, wenn das Kind bereits seit 2 bis 3 Wochen erkrankt ist, oder
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chronisch, wenn die Anamnese noch länger vorausgeht.
Unifokal | Eine Lokalisation betroffen |
Multifokal | Mehrere Lokalisationen zugleich betroffen |
Spondylodiszitis | Wirbelkörper und/oder Bandscheibenraum betroffen |
Akute hämatogene Osteomyelitis
Ätiologie
Klinische Präsentation und wichtige Differenzialdiagnosen
Lokalisation | Inzidenz (%) |
---|---|
Femur | 26,9 |
Tibia | 26,0 |
Becken | 9,2 |
Humerus | 8,1 |
Fuß | 7,7 |
Unterarm | 4,8 |
Kalkaneus | 4,6 |
Wirbelkörper | 3,8 |
Fibula | 3,7 |
Hand | 2,0 |
Andere | 3,2 |
Keimspektrum
Alle Altersstufen |
Staphylococcus aureus (+)
MRSA (+) Streptokokken der Gruppe A (z. B. Streptococcus pyogenes) (+)
Streptococcus pneumoniae (+) |
Frühgeborene |
Escherichia coli (−)
Pseudomonas spp. (−)
Candida spp. |
Neugeborene | Streptokokken der Gruppe B (z. B. Streptococcus agalactica) (+)
Escherichia coli (−)
Pseudomonas spp. (−)
Candida spp. |
Säuglinge ≤ 2 Monate |
Streptococcus agalactica (+) Enterobakterien (−)
Candida spp. |
Kleinkinder ≤ 5 Jahre |
Streptococcus pyogenes (+)
Streptococcus pneumoniae (+)
Kingella kingae (−)
Haemophilus influenzae B (−) (Impfung!) |
Kinder > 5 Jahre |
Streptococcus pyogenes (+) |
Jugendliche |
Neisseria gonorrhoeae (−) |
Kinder mit Sichelzellanämie |
Staphylococcus aureus (+)
Salmonella (−) |
Diagnostik
Blutparameter
Bildgebung
Sensitivität (%) | Spezifität (%) | Positiver prädiktiver Wert (%) | Vorteil | Nachteil | |
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Röntgen | 16–20 | 80–100 | 96 | Billig, gute Verfügbarkeit, gute Option zur Verlaufskontrolle | Pathologische Befunde eher bei subakuter Präsentation als bei akuter OM (z. B. Osteolysen) |
Szintigraphie | 53–100 | 50–100 | 39–82 | Gute Verfügbarkeit, gut zur groben Fokussuche | Studien zeigen teilweise bis zu 50 % falsch negative Befunde |
MRT | 80–100 | 70–100 | 84–93 | Keine Strahlung, identifiziert lokale Infiltration von Gelenken/der Epiphyse oder Abszesse | Benötigt bei kleinen Kindern Anästhesie |
CT | 67 | 50 | 65 | Stellt kortikale Destruktionen, Vakuumphänomene oder Sequester am besten dar (bestehen allerdings erst nach längeren Infektionen) | Hohe Strahlenbelastung |
Ultraschall | 55 | 47 | 82 | Billig, gut verfügbar, Weichteilabszesse und subperiostale Abszesse gut abgrenzbar | Schlechte Knochendarstellung, Interpretation stark untersucherabhängig |
Keimgewinn
Antibiotikum | Dosierung (mg/kg/Tag) | Maximale Tagesdosis | Knochenpenetration (%) | Anwendung |
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Cephalosporine (1. Generation) | ≥150; 4‑mal täglich | 2–4 g | 6–7 | Bei Prävalenz von MSSA >90 % |
Antistaphylokokken-Penicilline (Flucloxacillin, Oxacillin etc.) | ≤200; 4‑mal täglich | 8–12 g | 15–17 | Bei Prävalenz von MSSA >90 % |
Clindamycin | ≥40, 4‑mal täglich | ca. 3 g | 65–78 | Bei Prävalenz von MRSA ≥10 % und Prävalenz von Clindamycin-resistentem Staphylococcus aureus <10 % |
Vancomycin | ≤40; 4‑mal täglich | Dosierung je nach Spiegelbestimmung zwischen 15 und 20 μg/ml | 5–67 | Bei Prävalenz von MRSA ≥10 % und Clindamycin-resistentem Staphylococcus aureus >10 % |
Linezolid | 30; 3‑mal täglich | 1,2 g nicht länger als 28 Tage | 40–51 | Bei keinem Ansprechen auf Vancomycin |
Ampicillin oder Amoxicillin | 150–200; 4‑mal täglich | Ca. 8–12 g | 3–31 | Gruppe-A-Streptokokken, Streptococcus pneumoniae; Haemophilus influenzae B
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Management der akuten hämatogenen Osteomyelitis
Antibiotische Therapie
Additive Therapie
Chirurgische Therapie
Sonderfall: sekundäre septische Arthritis
Prognose und Nachsorge der akuten hämatogenen Osteomyelitis
Keimnachweis von: MRSA, Streptococcus pneumoniae
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Begleitende/sekundäre septische Arthritis, Abszessbildung oder Pyomyositis |
Lokalisation: Hüfte (40 %), Sprunggelenk (33 %) und Knie (10 %)a
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Positive Bakterienkulturb
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Junges Alter |
Behandlungsverzögerung (>5 Tage) |
Fazit für die Praxis
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Bei Verdacht auf eine akute hämatogene Osteomyelitis muss eine strukturierte diagnostische Abklärung im stationären Setting erfolgen.
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Ein Keimgewinn durch Blutkultur, Knochenbiopsie oder Gelenkpunktion ist wünschenswert für eine gezielte Antibiose.
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Für eine erfolgreiche empirische antibiotische Therapie ist die Kenntnis des alterstypischen Keimspektrums sowie der Prävalenz von Keimresistenzen essenziell.
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Eine chirurgische Therapie ist bei einfachem Krankheitsverlauf und gutem Ansprechen auf die antibiotische Therapie meist obsolet.
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Die sekundäre septische Arthritis ist ein orthopädischer Notfall und bedarf einer sofortigen chirurgischen Intervention.
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Mit Defektheilungen ist in weniger als 10 % zu rechnen.