Lernziele
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die Definition der kardiorenalen Syndrome (KRS), insbesondere von Typ 1 und 3, und deren pathophysiologische Grundlage benennen können;
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die klinischen Zeichen von KRS Typ 1 und 3 erkennen können;
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die Diagnose von akuter Herzinsuffizienz und akuter Nierenschädigung stellen sowie deren Schweregrade bestimmen können;
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die Therapiekonzepte beim KRS Typ 1 und 3 verstehen und anwenden können.
Hintergrund
Definition
Typ | Bezeichnung | Grunderkrankung | Folgeerkrankung |
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Typ 1 | Akutes kardiorenales Syndrom | Akute Herzinsuffizienz | Akutes Nierenversagen |
Typ 2 | Chronisches kardiorenales Syndrom | Chronische Herzinsuffizienz | Chronische Niereninsuffizienz |
Typ 3 | Akutes renokardiales Syndrom | Akutes Nierenversagen | Akute Herzerkrankung (z. B. Herzinsuffizienz, akutes Koronarsyndrom, Herzrhythmusstörung, kardiogener Schock, Lungenödem) |
Typ 4 | Chronisches renokardiales Syndrom | Chronische Niereninsuffizienz | Chronische Herzinsuffizienz (systolisch oder diastolisch), akute Herzinsuffizienz, akutes Koronarsyndrom |
Typ 5 | Sekundäres kardiorenales Syndrom | Systemische Erkrankung | Herzinsuffizienz (akut oder chronisch), akutes Koronarsyndrom, akutes Nierenversagen, chronische Niereninsuffizienz |
AKI-Stadium | Serumkreatinin | Harnausscheidung |
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1 | ≥1,5 bis <2,0-facher Anstiega oder Anstieg um >0,3mg/dl (26,5 µM) innerhalb von 48 h | <0,5 ml/kg und Stunde für 6–12 h |
2 | ≥2,0 bis <3,0-facher Anstiega
| <0,5 ml/kg und Stunde für ≥12 h |
3 | ≥3,0-facher Anstieg oder Anstiega um >0,5 mg/dl (44,2 µM; bei SCr >4 mg/dl) oder Beginn einer Nierenersatztherapie | <0,3 ml/kg und Stunde für ≥24 h oder Anurie für ≥12 h |
Epidemiologie
Kardiorenales Syndrom Typ 1
Klinisch | Höheres Lebensalter Komorbiditäten (Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Anämie, Hypalbuminämie) Einnahme von Medikamenten: nichtsteroidale Antirheumatika, Diuretika (Thiazide, Schleifendiuretika), Angiotensin-converting-enzyme(ACE)-Hemmer, Angiotensin-1-Antagonisten, Aldosteronrezeptorantagonisten |
Kardial | Herzinsuffizienzanamnese Vorbekannte eingeschränkte linksventrikuläre Ejektionsfraktion Anamnestisch Herzinfarkt Höhere New-York-Heart-Association(NYHA)-Klasse Erhöhtes Troponin |
Renal | Vorbestehende Nierenschädigung (erniedrigte glomeruläre Filtrationsrate, erhöhtes Serumkreatinin oder Cystatin C, Proteinurie) |
Kardiorenales Syndrom Typ 3
Pathophysiologie
Kardiorenales Syndrom Typ 1
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arterielle Unterfüllung,
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renale Minderperfusion,
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erhöhter systemvenöser Druck,
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renal-interstitielles Ödem (Hypervolämie),
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erhöhter intraabdomineller Druck,
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Inflammation,
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Aktivierung der neurohumoralen Gegenregulation,
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Aktivierung sympathisches Nervensystem.
Kardiorenales Syndrom Typ 3
Iatrogene Einflussfaktoren
Diagnostik
Herz | Niere |
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Aktuelle Diagnostik
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EKG | Urinausscheidung |
Echokardiographie | Serumkreatinin |
Troponin | Harnstoff |
Natriuretische Peptide | Cystatin C im Serum |
Myoglobin | Mikroalbumin im Urin |
Kreatininphosphokinase | Protein-Kreatinin-Ratio im Urin |
LDH | Ultraschalluntersuchung des Abdomens |
Mögliche zukünftige Diagnostik
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ssTnI | NGAL |
GDF 15 | TIMP-2, IGFBP-7 |
ST2 | KIM-1 |
MR proANP | IL-18 |
FABP | L-FABP |
Vitamin D | NAG |
FGF 23 | Netrin 1 |
Isoprostane |
Therapie
Kardiale Therapie
Allgemeine Maßnahmen
Diuretika
Antagonisten des antidiuretischen Hormons
Vasodilatatoren
Neurohumorale Blockade
Adenosin-A1-Rezeptor-Antagonist Rolofyllin
Schwangerschaftshormon Relaxin
Patienten mit Hypotonie, Hypoperfusion und Schock
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Patienten mit schweren Symptomen >2 Monate trotz optimaler medikamentöser Therapie/Schrittmachertherapie mit mehr als einem der folgenden Befunde:
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linksventrikuläre Ejektionsfraktion ≤25 % und falls gemessen Peak VO2 <12 ml/kg und Minute,
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≥3 Krankenhausbehandlungen in den letzten 12 Monaten ohne offensichtliche vorausgehende Ursache,
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Abhängigkeit von einer intravenösen inotropen Therapie,
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progressive Endorgandysfunktion (Verschlechterung der renalen oder hepatischen Funktion) aufgrund einer reduzierten Perfusion und nicht als Folge inadäquater linksventrikulärer Füllungsdrücke („pulmonary artery occlusion pressure“, PAOP, ≥20 mmHg, und systolischer Blutdruck ≤80–90 mmHg oder Herzindex ≤2 l/min und m2),
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Verschlechterung der rechtsventrikulären Funktion.
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Renale Therapie
Eine adäquate Negativbilanzierung kann trotz Ausschöpfung der folgenden 4 therapeutischen Optionen nicht erzielt werden: |
– Höchstdosis intravenöser Schleifendiuretika (z. B. Furosemid mindestens 500 mg) |
– Sequenzielle Nephronblockade (z. B. zusätzlich Hydrochlorothiazid mindestens 25 mg) |
– Mineralokortikoidantagonisten, sofern von Kaliumwerten toleriert (z. B. Spironolacton mindestens 25 mg) |
– Trinkmengenbeschränkung (Trinkmenge <1,5 l pro Tag, ggf. weniger) und Kochsalzrestriktion (≤6 g pro Tag) |
Therapierefraktäre symptomatische Hypervolämie (Aszites, Pleuraergüsse, Lungenödem) |
Rezidivierende Hospitalisierung mit kardialer Dekompensation (≥2-mal in 6 Monaten) und Vorliegen einer chronischen Niereninsuffizienz im KDIGO-Stadium IV (eGFR <30 ml/min) |
Isolierte Rechtsherzinsuffizienz mit rezidivierender kardialer Dekompensation (≥2-mal in 6 Monaten) |
Fazit für die Praxis
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Aufgrund der engen pathophysiologischen Interdependenz von Herz und Niere muss beim akuten Versagen eines der beiden Organe mit einer Dysfunktion des jeweils anderen Organs gerechnet werden.
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Ein verstärktes Bewusstsein für diese Tatsache und eine frühzeitige Diagnose, zukünftig unter Zuhilfenahme von sensiblen Schädigungsmarkern für AKI aber auch für Herzinsuffizienz, sind dabei der Schlüssel für die erfolgreiche Prävention und Therapie der akuten kardiorenalen Syndrome.
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Der Vermeidung bzw. Behandlung von Volumenüberladung durch kontrollierte Volumenreduktion sollte dabei ein zentraler Stellenwert zukommen.