Erfolg mit Chemo-freier Therapie bei ALL

Eine Therapie mit Dasatinib zur Induktion plus Blinatumomab zur Konsolidierung erzielte bei Erwachsenen mit Philadelphiachromosom-positiver ALL einen beachtlichen Erfolg: 95% waren nach 18 Monaten noch am Leben, nur ein Drittel erlitt toxische Effekte von Grad 3 oder höher. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Patienten mit Philadelphiachromosom-positiver akuter lymphatische Leukämie (Ph-ALL) haben bekanntlich eine besonders ungünstige Prognose, vor allem Erwachsene und ältere Patienten. Mit der Einführung von Kinasehemmern haben sich die Heilungschancen zwar verbessert, ein großes Problem sind jedoch die relativ hohen Sterberaten durch die myelotoxische Chemo von bis zu 20% bei Erwachsenen, gibt Professor Dieter Hoelzer von der Universität Frankfurt in einem Editorial zu bedenken. Zudem schmälere die Chemo die Chancen, eine anschließende allogene Stammzelltransplantation zu überleben – auch hierbei müsse jeder Fünfte mit dem Tod rechnen. Hoelzer begrüßt daher die Resultate einer Phase-2-Studie, in der ohne eine Chemotherapie sehr hohe Remissionsraten bei relativ geringer Toxizität erzielt wurden. An der Studie von Onkologen um Dr. Robin Foà von der Universität Rom nahmen 63 Erwachsene mit frisch diagnostiziertem Ph-ALL teil. Im Median waren sie 54 Jahre alt, die Spanne reichte von 24 bis 82 Jahren, Frauen stellten etwas mehr als die Hälfte (54%) der Betroffenen, die mediane Leukozytenzahl wurde mit 13.000 pro mm³ beziffert. 88% blieben krankheitsfrei Alle Patienten sollten zunächst den Abl-Tyrosinkinasehemmer Dasatinib (140 mg/d) für 85 Tage als Induktionstherapie erhalten – begleitet von einer Glukokortikoidbehandlung. Anschließend folgten mehrere Zyklen – mindestens zwei, maximal fünf – mit dem bispezifischen Antikörper Blinatumomab (28 Mikrogramm/d) als Konsolidierungstherapie. Der Antikörper bindet an CD3-Rezeptoren auf T-Zellen und vermag diese zu aktivieren, ebenso dockt er an CD19 auf B-Zellen an. Er koppelt also T-Zellen an Tumorzellen, um diese dadurch zu vernichten. Während und nach der Antikörpertherapie erhielten die Patienten weiter Dasatinib. Primärer Endpunkt war die molekulare Response nach zwei Antikörperzyklen. Diese wurde als Abwesenheit von BCR-ABL1-Kopien in Knochenmarkzellen definiert. Zwei der Patienten – beide über 70 Jahre alt – brachen die Induktionstherapie vorzeitig ab, eine Frau aufgrund toxischer Effekte, eine weitere wegen einer Pneumonie, dennoch erreichten 62 der 63 Patienten (98%) am Ende der Induktionsphase eine komplette hämatologische Response, 29% sprachen auch molekular an. 58 Patienten erhielten mindestens eine Blinatumomab-Zyklus, 56 zwei, 29 Patienten sogar fünf. Am Ende des zweiten Zyklus erreichten 60% der tatsächlich mit dem Antikörper Behandelten eine molekulare Response, bezogen auf alle Patienten waren es 52%. Vier von fünf Patienten mit vier Zyklen schafften ein molekulares Ansprechen, ebenso knapp drei Viertel mit fünf Zyklen. Größere Unterschiede beim molekularen Ansprechen zwischen Patienten mit einer p190- und einer p210-Mutation wurden nicht beobachtet, solche mit einer IKZF1-Deletion sprachen hingegen deutlich schlechter an. Interessant sind natürlich auch die klinischen Daten: Nach 18 Monaten waren noch 95% der Patienten am Leben und 88% krankheitsfrei, von denen mit einer molekularen Response zum Ende der Induktionsbehandlung lebten noch alle krankheitsfrei, hingehen nur 85% ohne molekulare Response. Auch hier schnitten die Patienten mit IKZF1-Deletionen schlechter ab. Insgesamt beobachteten die Onkologen bei sechs Patienten Rezidive (8%), drei davon waren hämatologisch. Fast alle Patienten mit Rezidiven hatten IKFZ-Deletionen oder T315I-Mutationen. Reaktivierung von Zytomegaloviren Ernste Nebenwirkungen von Grad 3 oder höher traten nur bei 21 Patienten auf, dazu zählten eine Reaktivierung von Zytomegalieviren (bei sechs Patienten), Neutropenien, pleurale Effusionen, ein Lungenhochdruck und neurologische Probleme. 24 der Patienten unterzogen sich einer allogenen Stammzelltransplantation, drei Viertel davon hatten auf die Induktion molekular nicht angesprochen. Von diesen Patienten starb nur einer (4%) an den Folgen der Transplantation. Dies deutet auf eine deutlich niedrigere Sterberate als bei einer Transplantation nach einer Chemotherapie. Ein weiterer Patient starb während der Induktions- und Konsolidierungsphase, auch dies spricht für eine deutlich geringere Mortalität als unter einer Chemotherapie. Die Chemotherapie-freie Behandlung scheint damit bei fast allen Patienten ohne IKZF1-Deletion zu einem vollständigen molekularen Ansprechen und einer lange anhaltenden Tumorkontrolle zu führen. Doch auch Patienten mit IKZF1-Deletion sprächen noch relativ gut an, sofern keine IKZF1-induzierten Mehrfachmutationen vorlägen, geben die Onkologen um Foà zu bedenken. Solche Mehrfachmutationen seien ein Zeichen von hoher genomischer Instabilität und daher prognostisch ungünstig. Wie lange die Patienten rezidivfrei bleiben, müssen größere Studien und längere Beobachtungszeiträume zeigen. Nach den vorliegenden Daten könnte die Tumorkontrolle von Patienten mit Ph-ALL mit Dasatinib und Blinatumomab jedoch ähnlich gut oder sogar besser gelingen als bei einer Kombination von Kinasehemmern und Chemo – bei deutlich weniger schweren Nebenwirkungen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie gut klappt eine First-line-Behandlung ohne Chemotherapeutika bei Patienten mit Philadelphiachromosom-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph-ALL)? Antwort: Nach der Induktion mit Dasatinib und Konsolidierung mit Blinatumomab waren in einer Phase-2-Studie nach 18 Monaten noch 95% der 63 Patienten am Leben und 88% krankheitsfrei. Bedeutung: Mit einer Chemotherapeutika-freien Behandlung könnte die Tumorkontrolle ähnlich gut oder sogar besser gelingen als bei einer Kombination von Kinasehemmern und Chemo – bei deutlich weniger schweren Nebenwirkungen. Einschränkung: Phase-2-Studie, kein Kontrollarm

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